Tierpflege
Ottermädchen „Jacky“ im Tierpark-Glück

Das Otterbaby wurde in lebensbedrohlichem Zustand in Furth im Wald abgegeben. Jetzt verzückt das Tier die Fernsehteams.

22.11.2021 | Stand 15.09.2023, 23:00 Uhr
Maria Frisch
Jacky - hier trägt sie schon den Winterpelz – hat keine Scheu, sich den Tierpark-Besuchern zu präsentieren. −Foto: Maria Frisch

„Jacky hat sich wirklich wunderbar entwickelt“, sagt Claudia Schuh mit einem wohlwollenden Blick auf ihr quirliges „Waisenkind“, das im August in lebensbedrohlichem Zustand bei ihr zu Hause in Furth im Wald abgegeben worden war. Die fachliche Leiterin des Bayerwald-Tierparks erkannte sofort, dass es bei dem Findling fünf Minuten vor zwölf war.

Das Fischotterbaby ins Leben zurückzuholen, hieß aber nicht, es nur tierärztlich zu versorgen und ihm einen Fressnapf vorzusetzen, sondern etliche Nachtschichten auf sich zu nehmen, um den kleinen Pelzträger mit der Flasche aufzuziehen. Dies setzt sicherlich eine Tierliebe voraus, die nur bei wenigen vorhanden ist.

Claudia Schuh als erfahrene Ersatzmama

Claudia Schuh hatte durchaus Erfahrung mit Handaufzuchten – und ohne diese würde sie den „Job“ auch niemanden empfehlen. Jeder, der sie kennt, weiß, dass sie einesteils das „Helfergen“ in sich trägt und andererseits das Wissen besitzt, die richtigen Schritte einzuleiten, damit der Pflegling auch wirklich eine Chance hat.

Dem kleinen Fischotterbaby zuzusehen, wie es gedieh und dann auch erfolgreich von der Flasche auf feste Nahrung umstieg, war eigentlich schon eine Selbstbestätigung. Durch die frühe Trennung von der leiblichen Mutter, die mutmaßlich im Straßenverkehr oder anderweitig zu Tode kam, führte zwangsläufig dazu, dass Jacky für Claudia Schuh Muttergefühle entwickelte. „In freier Wildbahn lebt ein Fischotterbaby länger als ein Jahr beim Muttertier“, erklärt die Tierärztin diese ausgeprägte Bindung.

Jacky ist ein „Mama-Mädel“

Mittlerweile bleibt der kleine Racker größtenteils im Ausweichgehege des Tierparks, weil er dort in Mira – einen weiteren Findling, der eine Bissverletzung hatte – eine Freundin gefunden hat. Nichtsdestotrotz ist Jacky total auf ihre Ersatzmama fixiert und durfte in den vergangenen Wochen auch dem Auftakt von Führungen beiwohnen.

Claudia Schuh nutzt die Gelegenheit gerne, um den Teilnehmern zoopädagogische Fakten zu vermitteln. „Das funktioniert mit Jacky auf dem Arm um einiges besser“, schildert sie die Reaktionen der Besucher, die hin- und hergerissen von dem zahmen Wildtier sind.

Fischottermädchen vor der Kamera

Das machte auch schon einige Fernsehteams auf das Fischottermädchen aufmerksam. Würde der neue Sympathieträger verstört auf die laufende Kamera reagieren, hätte Claudia Schuh sofort abgewunken. Aber sie hat festgestellt, dass der Herzensbrecher, der auf Anhieb auch den Fernsehleuten ein Lächeln auf die Lippen zaubert, diese Auftritte geradezu genießt.

Die Ersatzmama weicht ihrem Zögling allerdings nicht von der Seite und würde ihn auch nie herumreichen. Zwischendurch holt sich Jacky nämlich Kuscheleinheiten bei der Veterinärin. Nimmt sie ihr „Mama-Mädel“ nicht schnell genug auf den Arm, öffnet der kleine Racker schon mal im Handumdrehen die Schuhbänder. Durch die kleine Mira, die gleichfalls im Tierpark bleibt, kann langsam eine gewisse Entwöhnung bis zum Erwachsenenalter einsetzen.

Findling: Handaufzucht: Neue Heimat:
Mit circa vier Wochen hat sie ein Hund in desolatem Zustand aufgestöbert. Der Halter wartete ab, ob ein Muttertier zurückkäme, was nicht der Fall war.Claudia Schuh nahm die Strapazen auf sich und päppelte das Kleine mit der Flasche hoch.Jacky bleibt im Tierpark und ist hier ein wahrer Sympathieträger. (kfl)

Mira lebte wesentlich länger bei ihrer Mutter. Sie nahm schon feste Nahrung zu sich, weshalb sie Claudia Schuh als „Versorgerin“ betrachtet und nie eine engere Beziehung einging. „Das ist vollkommen in Ordnung so“, achtet Schuhe deren Status als Wildtier, das auch schon schwimmen konnte. Für Jacky war die fachliche Leiterin nebenbei noch Schwimmlehrerin, wobei sie einigen Denksport aufwenden musste, damit es schlussendlich funktionierte. Mittlerweile drehen Mira und Jacky ihre Runden gemeinsam.

Vergleichbar mit „Jackpot“

Zwischendurch ist Jacky wiederholt der Fernsehstar. „Sie ist echt super“, denkt sich dabei Claudia Schuh beim Zuschauen. „Sie macht es voll gelassen!“ Wichtig ist für ihre Ziehmutter, dass sie nie weggeht und alles unter Kontrolle behält.

Jacky darf ihre wilden Artgenossen auch beim Start von Führungen vertreten. „Ich kann es gut einschätzen, wenn ihr etwas zu viel wird oder sie etwas nicht mag“, wacht Claudia Schuh auch da mit Argusaugen auf ihr Pflegekind. „Mira hat keine Lust dazu“, kennt die Tierärztin das gegensätzliche Naturell, das natürlich geachtet werde.

Die Zoopädagogik hat heuer beim „Lutra lutra“ eine besondere Bedeutung, weil der Fischotter zum Wildtier 2021 auserkoren worden war. Fischotter leben bereits seit fünf Millionen Jahren auf der Erde, doch sie sind vom Aussterben bedroht. Die Ernennung zum Wildtier des Jahres ist ein guter Grund, sich die schlanken Wassermarder genauer zu betrachten.

Und woher hat Jacky eigentlich ihren Namen? Auch darüber gibt fachliche Leiterin Claudia Schuh bereitwillig Auskunft. „Dass das zum Tode geweihte Fischottermädchen überhaupt gefunden wurde, war für mich wie ein Jackpot – und für den Bayerwald-Tierpark ist der Sympathieträger zweifellos auch ein Gewinn.“ (kfl)