Im Kampf gegen Diskriminierung

26.02.2023 | Stand 15.09.2023, 1:27 Uhr
Aus den Händen von Natalie Keller (links) bekommen die neuen Sprecher gegen Diskriminierung ihre Urkunden mit Zertifikat überreicht. −Foto: Keller

Mitten im Herzen des Nürnberger Multikulti-Stadtteils Gostenhof werden „Sprecher/innen gegen Diskriminierung“ ausgebildet. Hinter dem Projekt steht die Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte Bayerns (AGABY), die in der Fürther Straße ihre Landesgeschäftsstelle betreibt. „Aussprechen, ansprechen und mitsprechen“ lautet das Motto der Seminare, die von Bund und Land finanziell gefördert werden. Wie die Schulung in der Praxis aussieht, erklärt Natalie Keller, die Leiterin der „Aktiv(ierend)en Antidiskriminierungsarbeit in Bayern“.

Zuerst kommen eigene Erfahrungen mit Diskriminierung auf den Tisch, im zweiten Schritt geht es darum, argumentieren zu lernen. Zum Abschluss erfahren die angehenden Anti-Diskriminierungs-Sprecherinnen und Sprecher, wie man politisch auf die Pauke haut. Keller nennt das den „Advocacy-Ansatz“. Heißt wohl im Klartext: Entscheidungsträger werden öffentlichkeitswirksam informiert. Man könnte auch sagen, medial unter Druck gesetzt.

Wie das in der Praxis funktioniert, hat erst kürzlich Réka Lörincz, Nürnberger Stadträtin der Grünen und Sprecherin für Vielfaltsgestaltung und Menschenrechte sowie Sprecherin gegen Rechtsextremismus und Rassismus, vorgemacht. Kurz nach dem Jahreswechsel hatte sich Lörincz an die Spitze des Aufschreis gegen den geplanten Auftritt der amerikanischen Heavy-Metal-Band Pantera in Nürnberg gestellt. Vordergründig ist es bei dem Sturmlauf gegen das Konzert beim Musikfestival „Rock im Park“ auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände um Gesinnungsfragen des Frontmanns gegangen, der in den Vereinigten Staaten den Hitlergruß gezeigt und White Power-Parolen gegrölt hatte. Hintergründig ist es der grünen Stadträtin, die viele Jahre die AGABY-Landesgeschäftsstelle geleitet hat und heute als Programmreferentin der bayerischen Grünen in München arbeitet, nach eigener Aussage um viel mehr gegangen. Der geplante und später abgesagte Auftritt von Pantera sei schließlich kein Einzelfall. „So wird das ehemalige Reichsparteitagsgelände bewusst für die Inszenierung und Reproduktion von rassistischer und menschenverachtender Ideologie missbraucht“, erklärte Lörincz und forderte im nächsten Atemzug, diesen Vorfall zum Anlass für die Schaffung strengerer Bestimmungen zu nehmen. „Damit es der letzte Fall bleibt, müssen wir die Problematik auch strukturell angehen“, sagte Löröincz, die selber ungarische Wurzeln hat. Die Stadt Nürnberg müsse in Zukunft „alle rechtlichen Möglichkeiten bis zur äußersten Grenze“ ausschöpfen.

Lörincz hat auch einen Plan, wie das gehen soll. Alle Veranstalter müssten in die Pflicht genommen werden, eingeladene Rednerinnen, Musikerinnen, Künstlerinnen, Politikerinnen und weitere Akteure zu überprüfen, ob diese rechtsextreme, rassistische oder menschenverachtende Ideologien öffentlich verfolgen oder verfolgt haben. „Sollte dies der Fall sein, so dürften diese nicht auftreten“, forderte Lörincz rigoros und brauchte auch nicht lange auf den nächsten Fall zu warten.

Diesmal hatte die Stadtspitze im Vergleich zum Wirbel rund um den Pantera-Auftritt schnell reagiert und Oberbürgermeister Marcus König (CSU) hatte den geplanten Auftritt des umstrittenen Historikers Daniele Ganser in der städtischen Meistersingerhalle höchstpersönlich rundheraus abgesagt. Das Rathaus wolle sich nicht mit „Verschwörungstheoretikern“ gemein machen. Zuvor hatte es bereits ausgerechnet im Integrationsrat der Frankenmetropole relativ großen Ärger um diskriminierende Äußerungen aus den eigenen Reihen gegeben.

Überhaupt scheint bei Fragen der Anti-Diskriminierung ein neuer Wind zu wehen. Rami Boukhachem vom Ausländer- und Integrationsbeirat Erlangen (AIB) hat die Ausbildung zum Sprecher gegen Diskriminierung bei AGABY in Nürnberg ebenfalls absolviert. „Der Kurs hat mir sehr viel gebracht“, sagt der gebürtige Tunesier, der mithelfen möchte, dass Ausländer in Deutschland generell besser zurecht kommen. Den demografischen Wandel könne Deutschland ohne Hilfe von ausländischen Fachkräften nicht schaffen, findet der Student aus Erlangen.

Um die Integration im Freistaat weiter zu stärken, plant Natalie Keller von AGABY schon wieder neue Seminare gegen Diskriminierung. In diesem Jahr soll es bei „Train the Trainer“ darum gehen, die bereits rund 40 ausgebildeten Anti-Diskriminierungs-Sprecher aus den vergangenen beiden Jahrgängen selber zu Lehrern zu machen, um eine „möglichst breite Wirkung“ entfalten zu können.

− HK