Stirbt die Tradition?
Weinanbau in Kruckenberg: Jetzt droht das Ende

06.06.2022 | Stand 15.09.2023, 4:58 Uhr
Simone Grebler
Reinhard Heitzer such −Foto: seit 2017 einen Nachfolger für den Bischöflichen Weinberg - bislang ohne Erfolg. Diese Saison wird wohl seine letzte sein. Das bedeutet wohl auch das Aus für den Weinanbau in Kruckenberg. Foto: Simone Grebler

Niemand will den steilen Weinberg in Kruckenberg bewirtschaften. Auch anderswo sind Sorgen groß. Stirbt die Tradition aus?

2022 ist der letzte Jahrgang für den „Regensburger Landwein aus Kruckenberg“. Seit 2017 sucht Winzer Reinhard Heitzer einen Nachfolger für den Bischöflichen Weinberg und die Rebstöcke hinter der Weinstube zum Vogelherd in Kruckenberg, einem Ortsteil von Wiesent. Doch bislang ist jeder Interessent abgesprungen.

Auch diesen Dienstag hatte sich jemand angekündigt, der sich das 5000 Quadratmeter große Gelände anschauen wollte. Gekommen ist er aber nicht zum Termin. Das passiere laut Heitzer öfter. Der Steilhang mit 54 Prozent Gefälle, die viele körperliche Arbeit, das sei nicht besonders verlockend. Jetzt droht die 1300 Jahre alte Weinbau-Tradition in dem Ort langsam auszusterben.

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Natürlich gibt es in Bach an der Donau, Tiefenthal, Regensburg und Tegernheim noch weitere Anbaugebiete, aber die Winzer im Landkreis Regensburg kämpfen mit Nachwuchssorgen – und nicht nur die. Auch die Weinstuben werden immer weniger. 2017 schloss Reinhard Heitzers Tochter Sabine bereits das Lokal „Zum Vogelherd“ – wegen Personalmangel.

Jetzt gibt es nur noch die Weinstuben Eibl und „Zum Kruckenberger“ in der Region, die den durstigen Ausflüglern den hiesigen Baierwein kredenzen. Trotz Corona und einiger Gerüchte, die bereits die Runde machten, werden die Betreiber beider Lokale aber noch einige Jahre weitermachen. „Ich bin mit Leib und Seele drin“, sagt Irmgard Riedl, Betreiberin der Weinstube „Zum Kruckenberger“.

71-Jähriger muss Arbeit im Weinberg beenden

Bei ihr hilft die gesamte Familie dazu, sonst ginge es nicht. Die 70-Jährige will aber ihren Kindern nicht das harte Leben im Wirtshaus zumuten und das Lokal lieber zu gegebener Zeit verkaufen, wenn es bei ihr nicht mehr gehe. Auch Karl und Monika Eibl von der gleichnamigen Weinstube in Bach an der Donau bewirten ihre Gäste noch mit viel Hingabe selbst. Zwar hätten beide durchaus mit Beginn der Pandemie übers Aufhören nachgedacht, aber nun seien sie froh, dass sie wieder aufmachen durften. Obwohl das Paar auch schon älter ist, wollen sie so lange weitermachen wie es geht.

Bei Reinhard Heitzer wird es nach diesem Jahr nicht mehr weitergehen. Dem 71-Jährigen ist die Arbeit im steilen Weinberg zu anstrengend geworden. „Die Winzer haben ein Altersproblem, alle sind über 60 Jahre alt“, sagt Heitzer. Er sei zudem vor vier Jahren am Herzen operiert worden und müsse inzwischen viele Pausen einlegen.

Der Hang habe eine Steigung von 54 Prozent, große Maschinen kann er in diesem Gelände nicht nutzen. Permanent muss die Schieflage ausgeglichen werden, der Körper ist dabei stark angespannt. Mit einer Motorsense mäht er das Gras zwischen den Reben, nach ein paar Stunden am Vormittag muss er eine Pause einlegen. Geschafft hat er in der Zeit vielleicht etwa zehn Prozent des Bischof-Weinbergs.

Ob er nicht moderne Technik einsetzen könnte? Es gibt zum Beispiel Drohnen, mit denen versucht werde das Spritzmittel von oben auf die Rebstöcke herunterregnen zu lassen. Doch Heitzer ist sich nicht sicher, ob dies so zielgerichtet wie per Hand erfolgen könnte. Eine Umstellung gar auf Bio-Wein sieht Heitzer skeptisch. Er verweist auf die Stadt Regensburg, wo der Verzicht auf Spritzmittel im vergangenen Jahr zu einem Totalausfall bei der Ernte geführt hatte.

Die Erträge sinken zudem wegen der Wetterkapriolen. Reinhard Heitzer erzählt, er habe 2020 in einem Superjahr 15 Hektoliter Landwein hergestellt. Dabei habe er fünf Euro Produktionskosten pro Liter. Um wirtschaftlich zu arbeiten, müsste er 40 Hektoliter herstellen.

Weinbau machte Kruckenberg erst bekannt

Doch darum geht es dem Vollblut-Winzer gar nicht. Der Bischöfliche Weinberg gehört zum Ortsbild von Kruckenberg, der Weinbau hat die Region seinerzeit weit über die Landkreisgrenzen hinaus bekannt gemacht. Die jahrhundertealte Tradition wird auch vom EU-Projekt Leader plus gefördert. Der Landkreis sowie die Gemeinden Tegernheim, Donaustauf, Bach an der Donau, Wiesent und Wörth an der Donau ziehen dafür an einem Strang.

Eine Institution, die sich dem Thema Weinbau und Weinkultur in Altbayern verschrieben hat, ist das Baierweinmuseum in Bach an der Donau. Dort steht am Samstag, 4. Juni, wieder ein Kurs im Programm - und zwar das Aufbinden am zugehörigen Weinberg. Reinhard Heitzer weiß, dass ohne diese Kurse auch der Weinberg am Museum kaum bewirtschaftet werden könnte.

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Reinhard Eberl, Vorsitzender des Fördervereins Baierweinmuseum, betont, dass die Ehrenamtlichen viel Zeit in das Museum und den zugehörigen Weinberg investieren. Dass die Winzer und Gastronomen immer älter und weniger werden, habe man bereits auf dem Schirm. „Wir sehen das Problem natürlich auch, jedoch machen uns die Weinstuben mehr Sorgen“, sagt Eberl. Mitte April habe es erst eine Art Runden Tisch gegeben, bei dem sich die Vertreter von Landkreis, Gemeinden, aber auch der Stadt Regensburg zusammengesetzt haben. Wie eine mögliche Zusammenarbeit aussehen kann, habe man jedoch noch nicht erörtert.

Im Hinblick auf den Bischofs-Weinberg in Kruckenberg hat Eberl aber große Hoffnung, dass sich noch ein Pächter findet. Reinhard Heitzer ist indes nicht mehr so zuversichtlich. Sogar die Bürgermeisterin habe schon versucht, einen Nachfolger an Land zu ziehen. Zwar helfen die Kruckenberger jedes Jahr bei der Weinlese nimmt. Doch aus ihren Reihen findet sich niemand, der die Verantwortung komplett übernehmen kann oder möchte. Nun drängt die Zeit. Bis Ende des Jahres will Reinhard Heitzer die Rodung eingeben.