Regensburg
Bischof Voderholzer entschuldigt sich

Nach Aussagen des Regensburger Bischofs über sexuellen Missbrauch gehen Opfervertreter auf Distanz. Voderholzer zeigt Reue.

04.02.2022 | Stand 15.09.2023, 21:19 Uhr
Rudolf Voderholzer, Bischof von Regensburg, hat mit seinen Aussagen zu sexuellem Missbrauch für starke Kritik gesorgt. −Foto: Armin Weigel/dpa

Unangemessen, verstörend, willkürlich:Für Regensburgs Bischof Rudolf Voderholzer hagelt es Kritik.Nach einem Redebeitrag auf der Synodalversammlung zur Reformierung der katholischen Kirche gehen Vertreter von Opfern sexuellen Missbrauchs, aber auch namhafte Theologen auf Distanz. Nun rudert der Bischof aber zurück.

Voderholzer berief sich am Donnerstag auf eine Gesetzesnovellierung. Wörtlich sagte er: „Was dabei zu kurz kommt, ist, dass 1973 die Strafrechtsreform Kindesmissbrauch nicht mehr als Verbrechen eingeschätzt hat, und zwar auf der Basis von sexualwissenschaftlichen Urteilen, die davon ausgehen, dass für die betroffenen Kinder und Jugendlichen die Vernehmungen wesentlich schlimmer sind als die im Grunde harmlosen Missbrauchsfälle.“ Am Freitag entschuldigte sich der Bischof bei den Opfern: „Menschen, vor allem Missbrauchsopfer fühlen sich von mir vor den Kopf gestoßen, verletzt, sind empört. Das macht mich traurig und lässt mich beinahe verzweifeln. Ich bitte um Verzeihung“, verlautbarte der Bischof.

Missbrauch: Voderholzers Aussagen „verstören“

Zuvor äußerten sich Opfer-Vertreter kritisch. „Als ich seine Aussagen hörte, war ich sehr verstört“, sagt der Vorsitzende des Gremiums zur Aufklärung sexueller und körperlicher Gewalt im Bistum Regensburg, Horst Böhm. Aus der Sicht des Landgerichtspräsidenten im Ruhestand ergibt es überhaupt keinen Sinn, sich auf eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 1973 zu berufen, um damit heute zu argumentieren: „Es ist ein völlig abstruser Vergleich, den der Bischof hier getätigt hat“, stellt der Opfer-Vertreter klar.

Für die heutige Aufklärung spiele keine Rolle, was damals in die Begründung für eine Gesetzesänderung geschrieben wurde. „Diese Aussage und damit die Relativierung des sexuellen Missbrauchs ist so nicht angemessen“, sagt Böhm. Der Beirat, darunter zwei Opfer von sexuellem Missbrauch, wird sich nach Angaben Böhms nun beraten, welche Konsequenzen man aus den Aussagen des Bischofs zieht und wie man sich positionieren wird. Voderholzers Sprecher Clemens Neck verteidigt den Oberhirten: „Der Vorwurf des Relativierens von Missbrauch ist doch sehr willkürlich.“ Es sei dem Bischof lediglich um die Frage gegangen, wie das kürzlich vorgestellte Gutachten im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum München und Freising vorgegangen ist: „Bischof Rudolf wirft den Gutachtern vor, dass sie eine historische Entwicklung völlig außenvorgelassen haben, als hätte es diese nie gegeben.“

Kritik am Bischof aus Regensburg

Das Gutachten hat Anfang Februar weltweit für Aufsehen gesorgt, weil es auch die Amtszeit des späteren Papstes Benedikt XVI. als Erzbischof von München und Freising in den Blick nimmt. Ratzinger, der nach seiner Zeit als Professor in Regensburg dort zwischen 1977 und 1982 wirkte, werden in dem Gutachten Versäumnisse in vier Fällen im Zusammenhang mit Missbräuchen vorgeworfen. Zudem irrte er sich über die Teilnahme an einer Sitzung.

Harsche Kritik an Voderholzer übt der frühere Domspatz Peter Schmitt, der selbst in einem Betroffenen-Gremium zur Aufklärung des Missbrauchs saß. „Der Bischof verspielt mit einer solchen Aussage die Reputation, die er sich bei der Aufarbeitung des Missbrauchs bei den Domspatzen erarbeitet hat“, sagt Schmitt.

Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller kann verstehen, dass sich Voderholzer vor Ratzinger stellen will. „Aber die Strategie seiner Interventionen während der Synode erinnern mich an die Vorgehensweise der AfD: Zuerst wird ein Tabu gebrochen. Dann, wenn die Aufregung groß ist, stellt man sich hin und sagt, man sei doch nur falsch verstanden worden.“ Schüller merkt an, dass Voderholzer auch inhaltlich keinen Punkt gemacht hat. „Bei der Reformierung des Strafrechts 1973 ging es um die Abschaffung teilweise alter Nazi-Paragrafen wie etwa die Kuppelei oder einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zwischen erwachsenen homosexuellen Männern.“