Beruf
Interview mit einem Spielplatzdesigner

Günter Beltzig ist einer der bekanntesten Spielplatzdesigner. Mit uns hat er über gute und schlechte Spielplätze gesprochen.

21.08.2018 | Stand 16.09.2023, 6:07 Uhr
Kathrin Robinson

Spielplatzdesigner Günter Beltzig hat rund 200 Spielplätze in aller Welt entworfen. Foto: Beltzig

Herr Beltzig, Ihr Beruf klingt nach einem Traumjob. Wie wird man Spielplatzdesigner?

Durch Zufall. Ich bin Industriedesigner. Nach meinem Studium hab ich bei Siemens angefangen. Aber da habe ich Kleinigkeiten an Kühlschränken und anderen Geräten gestaltet. Irgendwann hab ich mich gefragt: Du wolltest doch die Welt verbessern, wo fängst du an? Ich wollte bei den Kindern beginnen. Dann habe ich erste Spielgeräte entworfen, danach ganze Spielplätze. Nun mach ich das schon seit über 40 Jahren. Es ist ja so, dass es bis heute weltweit kein Studium für Spielplatzdesign gibt – aber für Friedhofsdesign.

Zeigt das den Stellenwert, den Kinder in unserer Gesellschaft haben? Von Ihnen gibt es ja das Zitat: Wären Kinder auf unserer Welt akzeptiert, bräuchte es keine Spielplätze.

Unsere Gesellschaft ist nicht kinderfreundlich. Kinder brauchen keinen Spielplatz, sie spielen überall und mit allem, wenn man sie nur lässt. Es sind die Erwachsenen, die Spielplätze wollen, damit Kinder da spielen, wo sie niemanden stören und wo man sie gut im Blick hat. Als ich ein Kind war, konnten wir zum Beispiel wunderbar auf der Straße Fußball spielen. Das ist heute gar nicht mehr denkbar – selbst in Spielstraßen stehen so viele Autos rum, dass die Leute Angst haben: Die Kinder könnten beim Spielen ja den Lack verkratzen!

Sie haben in Ihrer Karriere rund 200 Spielplätze in aller Welt entworfen, unter anderem auch in Südkorea und Puerto Rico. Bei weiteren weit über 5000 Stück waren Sie als Berater tätig. Was wird bei Spielplätzen oft falsch gemacht?

Viele Spielplätze sind lieblos. Da stellt man eine Rutsche, einen Sandkasten und eine Schaukel hin – fertig. Das ist aber kein Platz, wo Kinder Kind sein dürfen, wo sie experimentieren, zweckfrei gestalten und kreativ sein können. Heute kommen oft noch einige dekorative Elemente hinzu, ein paar Holzstämme zum Beispiel. Aber die Frage ist, wie lange das für die Kinder interessant ist.

Was macht einen guten Spielplatz aus Ihrer Sicht aus?

Ein Spielplatz sollte einladend sein und eine Atmosphäre zum Verweilen schaffen. Spielen ist die natürlichste Form des Lernens. Soziale Kompetenz, Eigenverantwortung, Selbstwertgefühl, Abschätzung von Gefahren – das alles lernen Kinder im freien Spiel.

Ihre Spiellandschaften sind sehr naturnah.

Ich bin ein Fan von Hügeln, Mulden, Büschen, Sträuchern und Steinen. Viele Spielplätze sind sehr leer und übersichtlich. Aber Kinder möchten sich zurückziehen können, sich verstecken, Geheimnisse haben, sich von Erwachsenen unbeobachtet fühlen. Nur so können sie sich ins Spiel versenken. Stattdessen werden Kinder oft auch auf dem Spielplatz ständig mit Reglementierungen konfrontiert: Tu das nicht, mach das so, gib das zurück... Eltern müssen auf einem Spielplatz nicht alles sehen, was Kinder machen – sie müssen es hören können, aber nicht sehen.

Sind Eltern heute zu übervorsichtig?

Ich denke, ja. Es ist in gewisser Weise auch verständlich bei so kleinen Wesen. Aber früher kam nach einigen Jahren noch ein kleines Wesen und dann vielleicht noch eines – da konnte man gar nicht ständig auf die Größeren aufpassen. Heute haben viele nur noch ein Kind. Aber Spielplätze müssen auch Risiken zulassen, an denen sich Kinder ausprobieren und eigene Erfahrungen machen können. Der sichere Spielplatz ist der gefährlichere Spielplatz, weil die Kinder da leichtsinnig werden. Ein Spielplatz braucht Gefahren – allerdings solche, die das Kind auch erkennen kann und vor denen es zurückweichen kann, ohne das Gesicht zu verlieren. Zum Beispiel indem man Alternativen anbietet, die es wählen kann, um etwa von irgendwo wieder runterzukommen.

Auf Ihren Spielplätzen gibt es vergleichsweise wenige Spielgeräte. Sind Geräte überflüssig?

Nein, aber sie dürfen kein Selbstzweck sein. Mit Geräten werden immer bestimmte Dinge manipuliert. Man stimuliert Tätigkeiten, darüber muss man sich bewusst sein. Und da muss man überlegen, was man will. Möchte ich motorische Fähigkeiten fördern oder soziale Kompetenzen? Ich bin zum Beispiel kein Freund von Schaukeln, weil es ein Einzelspiel ist, eine Monotätigkeit. Dann lieber eine Nestschaukel, wo viele Kinder sozial miteinander umgehen und sich zueinander verhalten müssen.

Sie haben so viele Spielplätze kreiert – welcher ist Ihr bester?

Es gibt eine ganze Reihe, von denen ich sage, die sind ganz nett geworden. Aber auch ich mache Fehler und man kann immer etwas besser machen. Und: Was heute funktioniert, funktioniert morgen vielleicht schon nicht mehr. Denn eigentlich ist ein Spielplatz ein Prozess. Die Benutzergruppe ändert sich. Soll der Platz heute Kinder im Kindergartenalter binden, sind es in ein paar Jahren Kinder im Schulalter und noch später Jugendliche. Eigentlich sollte ein Spielplatz laufend an die Benutzer angepasst werden.

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