Todesschüsse von Steinweg: Der Bruder sammelt Geld für Klage

10.05.2009 | Stand 10.05.2009, 15:54 Uhr

Es ist das Sterbebild von Tennessee Eisenberg (23. November 1984 bis 30. April 2009). Und darauf steht ein Spruch, den man letzte Woche in seinem Tagebuch gefunden hat: „Ich folge meinem Herzen und das ist einfach.“

Die Runde trauernder Menschen, die am Sonntag um 10 Uhr um den Küchentisch in der Von-der-Tannstraße sitzt, will keinen Buhmann aufbauen und hat nicht Rache im Sinn. Seine Mutter Renate, Schauspielerin und Erzieherin, sein Vater Mahdy Celem, Waldorf-Erzieher aus Berlin, sein Bruder Benedict, seine Freundin Anna und deren Eltern verbindet nur ein Wunsch: Dass die Polizei nicht über die Entwicklung von mannstoppender Munition nachdenke, sondern über Methoden, wie man künftig eine gefährliche Situation deeskalieren kann, durch Gespräche, durch einen Psychologen.

Vater und Bruder haben sich einen bekannten Regensburger Anwalt genommen, weil sie als Nebenkläger im Ermittlungsverfahren gegen zwei Beamte auftreten wollen – wegen Tötung. „Gigantische Fragezeichen“ stellen sie hinter die polizeiliche Darstellung und auch hinter die Wahrnehmung seines Wohngemeinschafts-Mitglieds. Hatte Tennessees Mitbewohner mit den Worten, mit denen er die Polizei rief, bei den Beamten eine Sprachebene angesteuert, die die polizeiliche Einsatzleitung beeinflusste. Hatten die Beamten bei dem Wort „Amok“ Winnenden im Kopf? Nach Recherchen der Hinterbliebenen muss sich die Aktion blitzschnell abgespielt haben. Ein Schuss durch die geschlossene Haustüre. Schlagstock-Einsatz im Hausgang, Schmerzensschreie Tenessees. Schüsse. Eisenberg war alleine gegen zehn Beamte. Es gab keine Kommunikation.

Von welchem Fall ging die Einsatzgruppe aus? Wie viel Erfahrung hatten die Einsatzkräfte? Wie koordiniert war die Aktion? Fragen, auf die das Regensburger Landgericht eine Antwort finden muss.

Zur Trauerfeier von Tennessee Eisenberg heute um 12 Uhr auf dem Bergfriedhof wird der von Pater Willigis Jäger ernannte Zenmeister Wolfgang Walter sprechen. Tennessees Freunde vom Music College werden das Traditional „the wayfaring stranger“ von Eva Cassidy singen, sein Lieblingslied. Die erste Strophe und der Refrain lauten:

„I am a poor wayfaring stranger. While journeying through this world of woe. Yet there’s no sickness toil nor danger. In that bright land to which I go.

I’m going there to see my father. I’m going there no more to roam. I’m only going over Jordan. I’m only going over home.“

Der Einsatz, den zehn Streifenbeamte der Regensburger Polizei am Tag vor dem 1. Mai in Steinweg hatten, endete tragisch. Zwei Polizisten, gegen die ermittelt wird, sind vorübergehend außer Dienst. Die Hinterbliebenen stehen vor einem Rätsel. Was geschah, ist für sie ein großes Unglück. „Tennessee Eisenberg war ein überaus sensibler Mann in einer Lebenskrise, die typisch ist für kreative Menschen. Was ist Wahrheit, was ist Liebe? Wohin geht mein beruflicher Weg“, das waren die Dinge, die er noch Tage zuvor mit dem Vater seiner Freundin Anna, dem bildenden Künstler, Bernhard Retsch, besprochen hatte. Der sagt, in den letzten Wochen sei er gedrückt gewesen.

Tennessee Eisenbergs Weg endete am 30. April im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder auf einer Totenbahre. „Es war so sinnlos“, sagt sein Vater. Tennessee war in Berlin Waldorfschüler, sang drei Jahre bei den Domspatzen. Er trank nicht, nahm keine Drogen, tauchte nicht in Computer-Spiele ab, sah nicht fern. Die Hinterbliebenen schildern ihn als Asketen, als spirituellen Typen mit feinen Antennen für die Umwelt. Er wollte Musiker werden. Im Juli hätte er Prüfung gehabt. Er hatte schon eine Stelle als Lehrer für Gesang und Klavier in der Musikschule in der Fröhlichen-Türken-Straße, wollte danach auf die Schauspielschule.