OTH Regensburg
Wissenschaftlerinnen: „Wir Frauen werden gebraucht!"

21.02.2023 | Stand 21.02.2023, 10:00 Uhr
Machen Frauen und Mädchen Mut, technische Studiengänge zu wählen: die Doktorandinnen Andrea Reindl (l.) und Lea Huber (r.) sowie Prof. Birgit Rösel, Vizepräsidentin der OTH Regensburg. −Foto: OTH Regensburg

Braucht es im Jahr 2023 noch einen Internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft? „Ja. Leider“, sagen Birgit Rösel, Andrea Reindl und Lea Huber. Birgit Rösel hat bereits Hochschul-Karriere gemacht, die Professorin für Regelungstechnik ist Vizepräsidentin der OTH Regensburg.

Und sie ist Mentorin der Nachwuchswissenschaftlerinnen Andrea Reindl und Lea Huber, die derzeit für ihren Doktortitel forschen und arbeiten. Ihre Themen: dezentralisierte Batteriemanagementsysteme und thermochemische Wasserstoffspeicherung. Bestens geeignet also dafür, „stereotype Rollenmuster“ aufzubrechen, wie es Bettina Stark-Watzinger fordert, die Bundesministerin für Bildung und Forschung.

„Du hast dein Stipendium doch nur bekommen, weil du eine Frau bist.“ Oder spöttisches Gelächter auf einem Kongress garniert mit der Frage: „Was? Du hältst hier einen Vortrag?" Solche Kommentare – von Männern – müssen sich Lea Huber und Andrea Reindl laut einer Pressemitteilung der OTH gefallen lassen. Beide haben an der Fakultät Elektro- und Informationstechnik der OTH Regensburg zunächst erfolgreich den Bachelorstudiengang Regenerative Energietechnik und Energieeffizienz abgeschlossen, im Anschluss ebenso erfolgreich den Masterstudiengang Applied Research in Engineering Sciences.

Beide sind nun im Rahmen einer kooperativen Promotion auf dem besten Weg zum Doktortitel. Und beide wollen im Prinzip gar nicht darüber reden, das als Frauen in einer vermeintlichen Männerdomäne geschafft zu haben. „Mir wäre es lieber, wenn die Kompetenz in den Vordergrund gerückt würde. Wir sollten uns nicht auf Unterschiede zwischen Männern und Frauen konzentrieren, sondern die Chancen nutzen, voneinander zu lernen, gemeinsam Lösungen zu entwickeln“, sagt Andrea Reindl. Lea Huber sieht das ähnlich: „Es sollte egal sein, wer man ist und wie man aussieht.“

Erfahrung als Ingenieurin

Die Vizepräsidentin der OTH Regensburg kann das gut nachvollziehen. Birgit Rösel war einst die einzige Professorin an der Fakultät Elektro- und Informationstechnik, war einst die erste Preisträgerin des Lehrförderpreises des bayerischen Wissenschaftsministeriums, hat obendrein den Preis für herausragende Lehre des Ministeriums erhalten, war ferner – unter anderem – an der OTH Regensburg Senatsvorsitzende und Vorsitzende der Prüfungskommission für Regenerative Energietechnik und Energieeffizienz. „Als Ingenieurin ist man häufig in der Position, die Einzige zu sein“, sagt Rösel. Dabei möchte auch sie lieber daran gemessen werden, „wie unsere Studierenden etwa von innovativen Lehrkonzepten profitieren, unabhängig davon, dass sie von einer Frau entwickelt wurden“.

Den von der Unesco ausgerufenen Internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft nehmen Rösel, Reindl und Huber daher zum Anlass, Mut zu machen. „Nicht danach richten, was andere machen. Das tun, was man liebt, was man gerne macht“, rät Huber jungen Frauen, die mit einem technischen Studiengang oder Beruf liebäugeln. „Nicht unterkriegen lassen und schon früh und viel experimentieren“, sagt auch Reindl. Die technische Welt sei spannend und vielfältig. „Wir Frauen werden in der Technik gebraucht! Es gibt so wahnsinnig viel zu tun: Klimakrise, Ausbau erneuerbarer Energien, bestehende Systeme effizienter machen, Mobilität und Stromversorgung global verfügbar machen, Ressourcen sinnvoll einsetzen“, zählt Reindl auf.

Die Wege zur Technik sind vielfältig. Bei der jungen Lea Huber standen Barbie-Puppe und Technik-Experimentierkasten quasi gleichberechtigt auf dem Weihnachts-Wunschzettel. Reindl hat mehrfach den Girls’ Day an der OTH Regensburg besucht und war fasziniert vom Reinraumlabor und der Möglichkeit, mit Halbleiter-Bauteilen zu arbeiten.

„Veränderung ist Fortschritt“

Beide wuchsen in einem familiären Umfeld auf, in dem niemals Sätze fielen wie „das ist nichts für Mädchen“. Und beide hatten weibliche Vorbilder: Die mathematisch begabte Mutter, die Taufpatin, die Elektrotechnikerin ist – und nicht zuletzt die Ingenieurin, die heute Vizepräsidentin der OTH Regensburg ist. Und es gibt auch Männer wie Prof. Dipl.-Ing. Anton Haumer, der angesichts einer reinen Frauengruppe in seinem Praktikum Grundlagen Elektrotechnik sagte: „Veränderung ist Fortschritt.“ Ohnehin liegt es Reindl und Huber fern, Mann-Frau-Vorurteile zu manifestieren. „Ich bekomme auch wahnsinnig viel positive Rückmeldung nach dem Motto ‚wir brauchen mehr Frauen‘“, sagt Reindl. „Es geht nicht darum, ob wir besser sind. Wir bringen einfach einen anderen Blickwinkel auf die Technik mit.“

Huber stimmt dem zu: „Es gibt auch viele Männer, die kaum Unterschiede zwischen Frau und Mann machen.“ Und Vizepräsidentin Birgit Rösel macht deutlich, dass sich die OTH Regensburg die Förderung von Frauen in der Wissenschaft gezielt zur Aufgabe gemacht habe.

Blilck in die Statistik

Studierende:Im Wintersemester 2022/2023 studierten an der OTH Regensburg 4330 Frauen, das entspricht einem Anteil von 40,9 Prozent. In den technischen Studiengängen lag der Frauenanteil in den Bachelorstudiengängen bei 23,7 Prozent, in den Masterstudiengängen bei 27,3 Prozent.

Professoren:Zum Stichtag 30. Juni 2022 lehrten an der OTH 190 Professoren und 49 Professorinnen. Das entspricht einem Frauenanteil von 20,5 Prozent in der Professorenschaft. Zehn Jahre zuvor waren es 177 Männer und 23 Frauen (Frauenanteil 11,5 Prozent).