Gericht
Wo ist Grenze zwischen Feier und Demo?

Jugendliche der Falken wehren sich gegen eine Anzeige. Sie bekamen Ärger, weil sie bei einer Jubelfeier am Domplatz ein politisches Banner entrollten.

25.09.2013 | Stand 16.09.2023, 7:25 Uhr
Mathias Wagner

Mitglieder der Falken demonstrierten m Vormittag vor dem Amtsgericht. Dabei kam auch das thematisierte Banner zum Einsatz. Foto: Wagner

Donnerstag, 28. Juni 2012, 23 Uhr. Der Traum war gerade zerplatzt. Italiens Stürmer Mario Balotelli hatte die Deutsche Nationalmannschaft mit zwei Toren im Halbfinale der Fußball-Europameisterschaft aus dem Turnier geschossen. Trotzdem: Wie nach jedem Spiel der Nationalmannschaft zogen Hunderte Fußballfans zum Domplatz, um zu feiern. Dort mischten sich auch Mitglieder der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken (SJD) unter die Menge. Auf den Domtreppen entrollten die Falken, die mit der stumpfen Vaterlandsverherrlichung vieler Fans gar nicht einverstanden waren, das Banner mit der Aufschrift „Deutschen Nationalismus wegbolzen“. Polizisten, die vor Ort für Sicherheit sorgen sollten, sahen den Auftritt der Falken jedoch als nicht angemeldete politische Demonstration an. Die Falken fielen sprichwörtlich aus allen Wolken. War nicht die gesamte bierselige Feier am Domplatz eine politische Demonstration? Schließlich wurde mit zahlreichen „Deutschland, Deutschland“-Rufen einen Staat, also ein politisches Gebilde gefeiert. Wenige Tage später hatte SJD-Mitglied Jan Haas eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Bayerische Versammlungsgesetz im Briefkasten. Haas nämlich sahen die Beamten als Versammlungsleiter an.

Der Student legte daraufhin Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein, den das Amtsgericht am Mittwoch zu verhandeln hatte. Der 24-Jährige kam nicht alleine zur Anhörung. 20 SJD-Mitglieder demonstrierten vor und nach der Verhandlung vor dem Gerichtsgebäude – dieses Mal angemeldet. Dabei hatten sie auch wieder ein Banner mit der Aufschrift „Deutschen Nationalismus webbolzen“. „Es geht uns ums Prinzip“, erklärte Jan Haas vor der Verhandlung kämpferisch. „Wir lassen uns das Maul nicht verbieten. Wir gehören freigesprochen.“ Der Student sieht nicht nur sich selbst als Beschuldigten, sondern auch seinen sozialistischen Verband. Er glaubt, dass die Anzeige ungerechtfertigt ist. Politisch wäre schließlich auch die Jubelfeier gewesen, bei der rund 50 Italiener ihren Sieg feierten und 200 deutsche Fans ihre Niederlage lautstark verdauten. Dabei, so Jan Haas, sei es spätestens, nachdem die Falken ihr Banner ausgerollt hatten, auch zu rassistischen Äußerungen gekommen. Was ein beteiligter Polizist im Zeugenstand jedoch nicht bestätigen wollte: „Solche Rufe habe ich nicht vernommen.“

Das aus der grölenden Menge sehr wohl rassistische Sprechchöre gekommen seien, bestätigten abseits der Verhandlung mehrere Mitglieder der Falken. „Die Polizisten haben gelogen“, bekräftige Haas bei der Demonstration vor dem Gerichtsgebäude. Diese Aussage bekräftigte er am Nachmittag noch einmal im Gespräch mit der MZ. In der Verhandlung hatte Amtsrichterin Blankenhorn den Bußgeldbescheid gegen das SJD-Mitglied bestätigt. Zu den 150 Euro Bußgeld muss Haas nun auch die Kosten der Verhandlung tragen.

In der hatte Verteidigerin Anna Busl beantragt, den Bußgeldbescheid aufzuheben. Für sie war klar: Menschen, die nach einem Fußballspiel für ihr Land grölen, handeln ebenso politisch wie die Falken-Mitglieder, die am Domplatz nur ihre gegensätzliche Meinung vertraten. Somit sei der Auftritt der sozialistischen Jugendgruppe nicht anmeldepflichtig gewesen. Sie kündigte gemeinsam mit Jan Haas eine Rechtsbeschwerde an. Es geht schließlich ums Prinzip.