Samstagsinterview
Dicke Geldbörse ist nicht der Reiz

Der Schwarzenfelder Michael Ströll (35) ist kaufmännischer Geschäftsführer des FC Augsburg. Er will das Rad nicht überdrehen.

19.10.2019 | Stand 16.09.2023, 5:20 Uhr
Andreas Allacher

Ein Oberpfälzer beim FC Augsburg: Michael Ströll Foto: FCA/Krieger

Geboren in Nabburg, wuchs Michael Ströll in Schwarzenfeld auf. Nach Besuch der Grundschule Schwarzenfeld und des Gymnasiums Nabburg studierte er an den Unis Regensburg, Bayreuth und Sao Leopoldo (Brasilien). Beim FC Augsburg wurde er nach einem Praktikum 2007 Leiter Controlling/Finanzen/Stadionbetrieb, 2013 Prokurist und 2016 kaufmännischer Geschäftsführer.

Am heutigen Samstag hat der FC Augsburg, für den Sie als Geschäftsführer die wirtschaftliche Verantwortung tragen, den FC Bayern München zu Gast. Ist das für die Augsburger das „Spiel des Jahres“?

Für uns ist das Spiel gegen die Bayern grundsätzlich eines von 34 Bundesliga-Spielen, bei denen es auch „nur“ um drei Punkte geht. Aber selbstverständlich sind sowohl die Atmosphäre besonders als auch die Nachfrage nach dem Spiel gegen den FC Bayern enorm.

Ist das Derby nicht ein ungleiches Spiel? Sie haben in der Jahresversammlung des FC Augsburg stolz eine Umsatzsteigerung auf knapp 95 Millionen Euro verkündet. Der FC Bayern liegt bei 750 Millionen.

Es ist richtig, dass die Kluft zwischen dem FC Bayern und uns in den letzten Jahren enorm auseinandergegangen ist und die Bayern zehnmal so viel für Ihr Personal ausgeben wie wir. Nichtsdestotrotz bin ich der Meinung, dass die Bundesliga die attraktivste Top-Liga in Europa ist, da selbst kleine Vereine schon gezeigt haben, dass sie dem FC Bayern Punkte abnehmen können. Des Weiteren zeigt der aktuelle Blick auf die Tabelle, wie ausgeglichen die Bundesliga ist.

Der FC Augsburg rühmt sich, seit acht Jahren in Folge schwarze Zahlen zu schreiben. Würde es Sie nicht auch mal reizen, nach englischem Vorbild mit der dicken Brieftasche durch die Welt des europäischen Fußballs zu ziehen?

Ehrlich gesagt nein, da ich dem investorengesteuerten Fußball nicht viel abgewinnen kann. Im Gegenteil besteht für mich der Reiz genau darin, aus minimalen Voraussetzungen das Maximale herauszuholen. Dieses Credo treibt uns alle beim FCA tagtäglich an und deswegen arbeiten wir auch in dieser Saison wieder hart daran, auch in der kommenden Saison zum zehnten Mal in Folge in der Bundesliga zu spielen.

Der FC Augsburg war zu Zeiten von Markus Weinzierl bekannt für seine Nibelungentreue zum Trainer. In der Vorsaison hat der Verein auch lange gewartet, ehe man sich von Manuel Baum trennte.

Wir leben in Augsburg vor allem von unserer Geschlossenheit und dem Zusammenhalt. Aus diesem Grund sehen wir uns grundsätzlich gemeinsam in der Verantwortung und versuchen auch in schwierigen Zeiten zusammenzustehen. Dies haben wir in der Vergangenheit sowohl unter Markus Weinzierl als auch unter Manuel Baum erfolgreich unter Beweis gestellt. Gegen Ende der vergangenen Saison sind wir jedoch zu der Überzeugung gekommen, auf der Trainerposition eine Veränderung vorzunehmen, um die Klasse zu halten, was uns am Ende ja auch gelungen ist. Diese Entscheidung ist uns jedoch sehr schwer gefallen, da Manuel Baum knapp fünf Jahre in verschiedenen Positionen bei uns Außerordentliches geleistet hat und zudem ein ganz feiner Mensch mit tollem Charakter ist.

Auch mit Martin Schmidt verlief der Start nicht berauschend. Immerhin hat der FCA zwischen den Saisonen 31 Millionen Euro für zwölf neue Spieler ausgegeben.

Das Umfeld in Augsburg kann sehr gut einschätzen, dass wir mit unseren geringen Mitteln auch dieses Jahr wieder um den Klassenerhalt kämpfen, auch wenn dies „erst“ zum Ende der Saison hin klappen sollte. Je früher dies geschieht, umso schöner ist es natürlich für uns.

Stefan Reuter ist als Geschäftsführer für den sportlichen Bereich verantwortlich und auch die Galionsfigur des FCA. Wie groß ist seine Wunschliste an Sie?

Da wir uns tagtäglich sehr eng austauschen, gibt es so etwas wie eine Wunschliste nicht. Vielmehr diskutieren wir gemeinsam mit unserem Präsidenten und Trainer, welche Spieler in unser Anforderungsprofil passen würden und müssen dann schauen, was wir realisieren können.

Mit einem Personalaufwand von knapp 37 Millionen Euro war Ihr Verein in der Saison 2018/19 an letzter Stelle in der Bundesliga; dafür ist der Erfolg beachtlich.

Es wird vermutlich nicht dauerhaft möglich sein, jedes Jahr mit einem der kleinsten Budgets in der Bundesliga zu bestehen. Aus diesem Grund müssen auch wir schauen, wie wir weiter wachsen und ein Stück weit unabhängiger vom TV-Geld werden können. Dies sind neben Bereichen wie Sponsoring, Mitglieder und Fans, in denen wir uns gut entwickeln, auch Themen im digitalen Bereich oder eSports, mit denen wir uns auseinandersetzen. Für uns ist klar, dass wir unser Lizenzspielerbudget kontinuierlich erhöhen müssen, wenn wir weiter in der 1. Liga spielen möchten.

Als Student kamen Sie für ein Praktikum zum FC Augsburg. Sie haben in Gersthofen und bei der 2. Mannschaft des FCA noch aktiv gespielt. Jetzt sind Sie in der Geschäftsführung angekommen.

Ich bin 2006 nach einem halben Jahr in Brasilien bezüglich meines Studiums über ein Praktikum zum FCA gekommen. Da ich weiter Fußball spielen wollte, hat der damalige Geschäftsstellenleiter Markus Krapf den Kontakt zum TSV Gersthofen hergestellt, bei dem ich dann ein Jahr lang spielte. Als Andreas Rettig mitbekommen hat, dass da jemand aus der Geschäftsstelle in der gleichen Liga wie unsere 2. Mannschaft spielt, hat er mir auf charmante Art und Weise mitgeteilt, dass er mich lieber beim FCA sehen würde. So kam es dann zum Wechsel zu den Amateuren des FCA. Ich musste dann jedoch aufgrund der geringen zeitlichen Ressourcen in meinem Job für den FCA die Fußballschuhe an den Nagel hängen.

Was macht den Reiz aus, für den FC Augsburg an solch zentraler Stelle zu arbeiten?

Ich denke, dass wir aus unseren geringen Möglichkeiten in den letzten Jahren relativ viel gemacht und die „Großen“ immer wieder geärgert haben. Dies ist sicherlich auch dem geschuldet, dass wir ein sehr familiärer Verein mit einer tollen und geschlossenen Fanbasis sind, die uns auch in schwierigeren Zeiten immer unterstützt. Das würden sich einige andere Vereine sicherlich auch wünschen.

Beruflicher Werdegang: Spielerstationen:
Geboren in Nabburg, wuchs Michael Ströll in Schwarzenfeld auf. Nach Besuch der Grundschule Schwarzenfeld und des Gymnasiums Nabburg studierte er an den Unis Regensburg, Bayreuth und Sao Leopoldo (Brasilien). Beim FC Augsburg wurde er nach einem Praktikum 2007 Leiter Controlling/Finanzen/Stadionbetrieb, 2013 Prokurist und 2016 kaufmännischer Geschäftsführer.1. FC Schwarzenfeld, SG Post/Süd Regensburg, SSV Jahn Regensburg, SpVgg Weiden, 1.  FC Schwarzenfeld, 1. FC Wernberg, TSV Gersthofen, FC Augsburg II, 1. FC Pertolzhofen

Sie haben in der Oberpfalz u. a. bei Jahn Regensburg, SpVgg SV Weiden und 1. FC Schwarzenfeld gespielt. Wie beurteilen Sie die Entwicklung dieser drei Vereine?

Dem Jahn kann man nur gratulieren, welchen Weg sie in den letzten Jahren gegangen sind und was sie erreicht haben. Christian Keller, den ich im übrigen sehr schätze, hat hier mit seinen Kolleginnen und Kollegen exzellente Arbeit geleistet. Die Abstiege der SpVgg habe ich aus der Ferne natürlich auch verfolgen können und fand diese sehr schade, da ich der Meinung bin, dass der Verein das Potenzial hätte, mindestens in der 4. Liga zu spielen. So wie ich das mitbekomme hat sich der Verein nun jedoch stabilisiert und hoffe, dass sie wieder nach oben kommen. Und meinen Heimatverein 1. FC Schwarzenfeld verfolge ich natürlich auch noch immer sehr aufmerksam und freue mich über jeden Erfolg. Sie waren erst vor ein oder zwei Jahren in Augsburg mit 50 Mann zu einem unserer Heimspiele und ich habe mich sehr gefreut, viele bekannte Gesichter wiederzusehen.

Sie sind mit 35 Jahren sicher ein Geschäftsmann, dem noch viele Felder einfallen, um die Faszination Fußball zu vermarkten.

Wir müssen natürlich sehen, wie wir uns weiterentwickeln und als Fußballclub wachsen können. Nichtsdestotrotz ist es mir ein großes Anliegen, dass wir das Rad nicht weiter überdrehen und Fehler, die wir in der Vergangenheit innerhalb des Profifußballs gemacht haben (u.a. Montagsspiele oder zwei Pay-TV-Abos, um Bundesliga schauen zu können), nicht wiederholen. Fußball muss Volkssport bleiben, und wir müssen wieder stärker an die Basis heranrücken und den Menschen, die den Fußball lieben, mehr Gehör schenken. Dafür setzen wir uns in Augsburg ein und sind überzeugt, dass wir uns hier in ganz Fußballdeutschland verbessern können.