Treppenlift im Gemeinschaftstreppenhaus

12.06.2023
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Treppenlifte können dazu beitragen, dass Treppen nicht zum unüberwindbaren Hindernis werden. −Foto: unsplash

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In Wohneigentumsanlagen können Treppenlifte zum Politikum werden: Die Eigentümergemeinschaft muss in jedem Fall zustimmen

Für Menschen mit Gehbehinderung verspricht der Einbau eines Treppenlifts, dass sie aus ihrem vertrauten Zuhause nicht ausziehen müssen. Doch nicht jeder Betroffene lebt im Eigenheim. In Wohneigentumsanlagen kann ein Treppenlift zum Politikum werden. Denn alle Eigentümer haben ein Mitspracherecht bei diesem Vorhaben. Welche Rolle die Eigentümerversammlung spielt, wie die derzeitige Rechtslage ist und welche gesetzlichen Vorgaben für den Lift im Mehrfamilienhaus gelten, klären wir hier. Mit der jüngsten Reform des Wohnungseigentumsgesetzes werden Investitionen ins barrierefreie Wohnen einfacher.

Wie verhält es sich mit Treppenliften im Gemeinschaftseigentum?

Ein Treppenlift schenkt Unabhängigkeit und Lebensqualität. Auf einem Schienensystem fährt das Gerät sicher in die nächste Etage. Während sein Einbau im Eigenheim ohne das OK Dritter problemlos möglich ist, gestaltet sich das Vorhaben in Wohneigentumsanlagen schwieriger. Hier leben mehrere Eigentümer unter einem Dach. Sie bilden eine Eigentümergemeinschaft. Sie ist der Verbund aller, die Besitzer einer Wohnung in dem betreffenden Gebäude sind. Kurzum: Jeder, der eine Eigentumswohnung kauft, wird automatisch Mitglied der Eigentümergemeinschaft. Welche Rechte und Pflichten damit verknüpft sind, ist im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) geregelt.

Die Geschichte beginnt immer gleich. Ein Miteigentümer ist durch Alter, Krankheit oder Unfall ab einem bestimmten Zeitpunkt auf eine Mobilitätshilfe angewiesen. Man wünscht sich einen Treppenlift – der nachträglich eingebaut werden muss. Das Verlangen nach einem barrierefreien Zugang zu seiner eigenen Wohnung ist nicht nur nachvollziehbar, sondern auch gesetzlich verankert. Das ist sogar im Grundgesetz fixiert (Artikel 3). Doch das Treppenhaus, in dem der Lift installiert werden soll, gehört allen. Zwar ist der Aufwand für einen Treppenlift-Einbau sehr überschaubar. Dennoch verändert damit das gemeinschaftliche Treppenhaus nicht nur sein Aussehen.

Warum brauche ich das OK der Eigentümergemeinschaft?

Ein Treppenlift im Gemeinschaftstreppenhaus kann zum Streitfall werden. Auf der Eigentümerversammlung – einer meist jährlichen Zusammenkunft aller Eigentümer – kommt das Ansinnen des Miteigentümers zur Sprache. Die Versammlungen dienen u. a. dazu, angedachte Instandhaltungs- oder Baumaßnahmen zu diskutieren und ggf. gemeinsam zu beschließen. Die Montage eines Treppenlifts ist gemäß WEG eine „bauliche Veränderung“ im Haus. Und die braucht stets die Zustimmung der Eigentümergemeinschaft. Heißt: Ohne Einverständnis der Mehrheit in der Eigentümerversammlung darf man das Projekt Treppenlift erstmal nicht umsetzen! Das zählt auch für Treppenlift-Alternativen wie z.B. den Rollstuhllift bei zur Umsetzung von Inklusion. Bekanntlich prallen hier gegensätzliche Interessen aufeinander.

Was sagt die Eigentümergemeinschaft? Viele Miteigentümer unterstützen das Lift-Ansinnen vorbehaltlos. Andere verstehen den Einbau des Gefährts als sinnvolle Investition in die barrierefreie Zukunft der Immobilie. Manche Parteien wiederum sehen die uneingeschränkte Nutzung des Treppenhauses in Gefahr – der Lift wird fest auf die Treppe montiert. Die häufigsten Gegenargumente beziehen sich auf die hohen Kosten, die optische Veränderung des Treppenhauses sowie eine vermeintliche Wertminderung der Treppe (und damit der Immobilie).

Wie ist die aktuelle Rechtslage in Sachen Treppenlift?

Schon seit Längerem muss man sich als Besitzer einer Eigentumswohnung mit einem Nein der Eigentümerversammlung nicht abfinden – und kann den Anspruch auf die Mobilitätshilfe juristisch einklagen. Eine Einzelfallprüfung brachte dann das Ergebnis. Gerichtsurteile in der Vergangenheit waren nicht immer eindeutig. Meist wurde aber dem Recht auf einen barrierefreien Zugang zur eigenen Wohnung Vorrang gegenüber den Interessen der anderen Eigentümer eingeräumt (bspw. in einem Urteil des Oberlandesgerichts München von 2005). Deutschland wird indes immer älter. Barrierefreies Wohnen ist das Gebot der Stunde! Das hat auch der Gesetzgeber erkannt und die Inhalte des Wohnungseigentumsgesetzes überarbeitet.

Im Zuge der Reform des WEG werden u. a. bauliche Maßnahmen für mehr Barrierefreiheit deutlich erleichtert. Jeder Eigentümer hat nun einen Anspruch auf das Umsetzen von Vorhaben, die dem barrierearmen Wohnen dienen. Auch die Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung ist jetzt unkomplizierter. Fortan genügt eine einfache Mehrheit, um Projekte wie den Treppenlift im Gemeinschaftstreppenhaus realisieren zu dürfen. Bedeutet: Das Lift-Vorhaben ist einfacher und schneller durchzusetzen. Ein Konsens und Vorab-Vereinbarungen in der Eigentümergemeinschaft sind aber stets die beste Lösung. In Kraft getreten sind die veränderten Regeln am 1. Dezember 2020.

Wer bezahlt den Treppenlift im Gemeinschaftstreppenhaus?

Allen Gerüchten zum Trotz gilt: Derjenige, der den Auftrag auslöst, zahlt. Die Kosten für Einbau und Unterhalt des Treppenlifts müssen in der Regel von jenem Eigentümer gestemmt werden, der sich die Mobilitätshilfe wünscht. Insofern werden nicht alle in der Eigentümergemeinschaft finanziell belastet, sondern nur der künftige Nutzer. Die Preise variieren beim Kauf eines Treppenlifts beträchtlich. Sie werden vor allem durch den Lifttyp (z. B. Sitzlift, Plattformlift), die Form der Treppe und die Zahl der zu überwindenden Etagen im Mehrfamilienhaus bestimmt.

Ab 3800 Euro aufwärts sind in jedem Fall einzukalkulieren. Diese preisliche Untergrenze gilt für einen klassischen Sitzlift, der auf gerader Treppe nur ein Stockwerk bewältigen muss. Auch weitere jährliche Aufwendungen – etwa für Garantieleistungen oder die Wartung – muss man einplanen. Um seinen Eigenanteil zu reduzieren, sollte man sich über Zuschüsse (seitens der Pflegekasse), staatliche Darlehen (seitens der KfW-Bank) oder Förderprogramme zum barrierefreien Umbau in Bayern informieren. Die Treppenlift-Anbieter haben den Überblick über alle Finanzierungsmöglichkeiten.

Herrscht in der Eigentümergemeinschaft Konsens darüber, dass der Lift-Einbau sinnvoll ist, kann man auch zusammenlegen. Zudem ist laut neuster Fassung des WEG bei einer Zweidrittel-Mehrheit für das Vorhaben eine Kostenverteilung auf alle Miteigentümer möglich. Ein entsprechender Beschluss muss auf der Eigentümerversammlung fallen. Um das gemeinsame Haus vorsorglich barrierefreier zu gestalten – schließlich werden auch andere Eigentümer älter – können die Kosten untereinander aufgeteilt werden. Dafür spricht, dass Investitionen in die Barrierefreiheit wertsteigernd wirken.

Welche Gesetzesvorgaben gibt es für den Lift-Einbau?

Unabhängig davon, wie die Eigentümergemeinschaft entscheidet, gelten in Mehrfamilienhäusern – egal ob es sich um Eigentums- oder Mietwohnungen handelt – baurechtliche Anforderungen für die Montage eines Treppenlifts. Diese zielen vor allem auf die Mindestlaufbreite der Treppe. Bei Gebäuden mit mehr als zwei Wohneinheiten muss sie 80 cm betragen. Weiterhin ist rund um die Uhr die Verkehrssicherheit der Treppe zu gewährleisten sowie eine Parkfläche für den Treppenlift einzuplanen, wenn das Gerät nicht in Gebrauch ist. Hintergrund ist die Sicherstellung des Brandschutzes. Im Gefahrenfall ist das Treppenhaus Flucht- und Rettungsweg für alle Hausbewohner.