Gutachter gehört
Versuchter Totschlag in Sinzing: Aufnahmen der Überwachungskamera lassen Fragen offen

17.04.2024 | Stand 18.04.2024, 12:29 Uhr

Der Angeklagte (Mitte) wird von den Anwälten Christian Meisl (r.) und Christoph Schönhofer verteidigt. Foto: Kraus

Wollte ein 23-Jähriger seine Freundin töten? Ein Vorfall auf einem Parkplatz in Sinzing beschäftigt derzeit das Landgericht Regensburg. Am zweiten Prozesstag wurden Zeugen und Sachverständige gehört. Auch wurden die Aufnahmen einer Überwachungskamera gezeigt. Die Krux: Das Video bringt die Prozessbeteiligten nicht wirklich weiter.



Als den im Gerichtssaal Versammelten die Aufnahme der Überwachungskamera auf dem Parkplatz gezeigt wird, ist der Vorsitzende Richter Thomas Polnik von zehn gebannt auf seinen Laptop schauenden Personen umringt. Der Grund dafür: Die Qualität des Videos ist wohl so schlecht, dass der Vorsitzende die Aufnahmen nicht auf die im Schwurgerichtssaal befindliche Technik übertragen kann. Etwa sechs Minuten dauert die Aufnahme. Es gibt ein Original sowie eine durch das Landeskriminalamt aufbereitete Version. Beide Varianten sehen sich die Prozessbeteiligten mehrfach an. Am Ende sind mehr Fragen offen, als Erklärung gefunden.



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Mehr Aufklärung erhofft sich die Kammer vom Gutachten des rechtsmedizinischen Sachverständigen, Matthias Epperl. Dieser hatte die Frau nach dem Übergriff noch im Krankenhaus untersucht. Hinsichtlich der Einschätzung des Rechtsmediziners interessierte die 2.Kammer des Schwurgerichts besonders die Frage, ob die Gewalt, die der Angeklagte vermeintlich gegen das Opfer verübt hatte, potenziell ausgereicht hätte, um diese umzubringen.

Gewalt gegen Opfer hätte tödlich enden können



Epperl schilderte dem Gericht, dass wohl die Gewalteinwirkung gegen den Kopf, nicht ausgereicht habe, um den Tod der Frau zu verursachen. In der Anklageschrift ist beschrieben, dass der Mann den Kopf der Frau mehrfach gegen den Boden geschlagen haben soll. Die äußerlichen Verletzungen im Gesicht würden lediglich einen „diskreten Befund“ ergeben, so der Rechtsmediziner.

Auch die Wucht, mit welcher der Angeklagte den Kopf des Opfers während der letzten Sequenz des Angriffs in Richtung Boden beschleunigt haben soll, und die damit als einzige belegt ist, habe der Einschätzung des Experten zufolge nicht ausgereicht, um der Frau potenziell tödliche Verletzungen beizubringen.



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Anders verhalte sich das mit den Tritten, die der Angeklagte seiner Exfreundin versetzt haben soll. Besonders die gegen den Rumpf hätten das Potenzial gehabt, für das Opfer tödliche Folgen zu haben, etwa durch Organverletzungen. Was für den Mediziner ein Mysterium darstelle, sei der Tonusverlust (Verlust von Körperspannung) der Frau während des Angriffs. Diese habe keinerlei Abwehrreaktionen gezeigt. Allerdings ergebe sich aus dem klinischen Befund nicht, wieso das so gewesen ist. Denn weder habe es schwerwiegende Kopfverletzungen gegeben, noch eine gesichert nachgewiesene Gehirnerschütterung oder Bewusstlosigkeit.

Angeklagter ist anhängig von Opiaten



Weiter stellte der psychiatrische Sachverständige, Ludwig Schmid, die wesentlichen Erkenntnisse seiner Untersuchung dar. Er attestierte dem Angeklagten eine Opiatabhängigkeit, seit 2018 habe der Mann regelmäßig das Schmerzmittel Tramadol in hohen Dosen konsumiert. Allerdings sei der Mann zum Tatzeitpunkt nicht dadurch beeinträchtigt gewesen, die Untersuchung einer Blutprobe stützt diese Annahme. Der Gutachter kam deswegen zu dem Schluss, dass der Mann nicht schuldunfähig oder eingeschränkt schuldfähig sei. Morgen wird der Prozess fortgesetzt.