Zweijährige aus Holzheim
Lena hat ein rollendes Herz: Wie modernste Technik die Familie zusammenhält

19.04.2024 | Stand 19.04.2024, 18:19 Uhr

Vanessa Handl fährt Tochter Lena das Herzunterstützungssystem im Rollwagen hinterher. Fotos: Daniel Pfeifer/Banas

Seit einem Jahr wartet Lena auf ein neues Herz. Seitdem schlägt ein künstliches Herz in einem Rollwagen für die Zweijährige aus Holzheim bei Kallmünz (Landkreis Regensburg). Ihre Mutter Vanessa startete eine Spendenkampagne für eine Herzstiftung, gemeinsam hofft die Familie auf ein Spenderorgan.



Lena läuft zum Spieltisch – ihr Herz rollt in einem Plastikkoffer hinterher. Egal was sie tut, wo sie ist, ob sie schläft oder isst oder spielt: Es ist immer bei ihr. Denn ihr eigenes Herz – das in ihrem kleinen Körper – ist krank und kann sie nicht mehr am Leben halten. Seit April 2023 ist die Zweijährige mit Schläuchen an eine Maschine angeschlossen, die Blut durch ihren Körper pumpt. Das wird sich nicht ändern, bis sie ein neues echtes Herz bekommt. Doch Organspenden sind selten.

„Lenas Herz ist zu groß“, sagt Vanessa Handl. Die junge Mutter kümmert sich morgens bis abends um Lena, gelegentlich unterstützt von Intensivpflegern. Die Ärzte bemerkten vor einem Jahr, dass Lenas linke Herzkammer so groß war wie bei einem Erwachsenen. Daher pumpte das Herz nicht richtig, Lena wurde schwächer und schwächer. Die Ärzte diagnostizierten bei ihr eine „dilatative Kardiomyopathie“. Normalerweise würde das Mädchen nun monate- oder jahrelang im Krankenhaus leben – eine Zerreißprobe für die junge Familie.

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Wunder moderner Technik

Doch bahnbrechender technologischer Fortschritt ermöglicht ihr, was früher nie denkbar war: Dank eines mobilen künstlichen Herzens kann sie eine laut ihrer Mutter „fast normale“ Kindheit zuhause erleben, sogar in den Tierpark oder ins Playmobilland fahren. Die behandelnde Erlanger Klinik stellte es frei, auf eigenes Risiko das Krankenhaus zu verlassen. Die Voraussetzung: Die Eltern mussten in einem vierwöchigen Lehrgang lernen, wie das Herz-Gerät funktioniert und wie man steril Wundverbände wechselt.

Eine gewisse Angst sei immer da, erzählt Vanessa Handl. Doch es sei ihr wichtig, als Familie zusammen zu bleiben, auch dem sechsjährigen Bruder Johannes zuliebe. Das Herzunterstützungssystem der Firma Berlin Heart, mit 13 Kilo gerade mal so schwer wie ein halbvolles Bierkistl, sei ein kleines Wunder, sagt Handl. Es gebe Hoffnung und ermögliche Lena, sich ein wenig mehr wie jedes andere lebensfrohe Mädchen entwickeln zu können.

Aber nicht nur die moderne Technik macht das Warten auf ein Spenderherz erträglicher, sondern auch der gewaltige Rückhalt aus Holzheim am Forst. „Die Unterstützung vom Dorf ist der Wahnsinn“, sagt Vanessa Handl. Der Kindergarten unterstützte Lena bei einem Ausflug in den Tierpark, eine Näherin aus dem Dorf schneidert Kleidung, bei der die Schläuche nicht im Weg sind, und die Feuerwehr bereitete sich darauf vor, im Notfall einen Rettungshubschrauber in das Feld neben dem Wohnhaus der Handls zu lotsen.

Schnell nach der dramatischen Diagnose im März 2023 boten Viele finanzielle Unterstützung an. „Wir wollten aber kein Geld“, sagt Vanessa Handl. Stattdessen startete sie vor zwei Wochen eine Spendenkampagne auf der Website „GoFundMe“, die der Kinderherzen Stiftung Erlangen zugute kommen soll. Und somit auch den vielen anderen herzkranken Kindern in der Oberpfalz und ganz Bayern. Über 5600Euro kamen bislang zusammen, dank Spenden von Bürgern, den Kegel-Damen und dem Burschenverein Holzheim sowie den Handls selbst.

Für die Zukunft wünscht sich die junge Familie, möglichst bald den erlösenden Anruf zu erhalten, dass ein Spenderherz gefunden wurde. „Aber es ist natürlich wie ein Lottogewinn“, sagt Vanessa Handl. Es müsse quasi ein Kind sterben, das ebenso groß und alt wie Lena ist. „Ich und viele Bekannte haben uns in letzter Zeit viel mit dem Thema Organspende auseinandergesetzt“, sagt Handl. Viele hätten sich einen Spendeausweis geholt, der Fußballverein legte bei einer Feier kürzlich welche aus.

Wunsch an die Politik

Doch statt einzelner Menschen müsse ganz Deutschland die Dringlichkeit der Lage erkennen, sagt Handl. Es sei unverständlich, dass es die Politik bis heute nicht geschafft habe, die Widerspruchsregelung durchzusetzen. Diese besagt, dass jeder automatisch als Organspender gilt – wenn nicht explizit widersprochen wird.

Ein vehementer Verfechter, Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), kämpft seit Jahren dafür, doch bei der letzten Abstimmung 2020 waren AfD, FDP und Grüne fast geschlossen dagegen. Vor fünf Monaten stimmte der Bundesrat für die Widerspruchslösung und Lauterbach plant nach eigenen Angaben einen neuen Anlauf.

Für Lena werden solche Zukunfts-Pläne, so hoffen ihre Eltern, keine Relevanz mehr haben. Die Wartezeit auf ein Herz beträgt in Deutschland bis zu zwei Jahre. Ein Jahr wartet Lena nun schon. Jeden Tag hofft ihre Familie auf diesen einen Anruf.