Krankenhausreform
„Bund lässt Kliniken im Stich“: Gesundheitsministerin Gerlach fordert in Berngau Schulterschluss

03.05.2024 | Stand 03.05.2024, 19:00 Uhr

Bei ihrem Besuch in Berngau (Landkreis Neumarkt) trug sich die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach auf Einladung von Bürgermeister Thomas Meier (3.v.li.) ins Goldene Buch der Gemeinde ein. Foto: Heidi Bauer

Engpässe in der Arzneimittelversorgung, Fachkräftemangel in der Pflege und Krankenhäuser, die in die Insolvenz steuern: Die Gesundheitspolitik steht vor großen Herausforderungen. Wie sie diese angehen will und warum der Landkreis Neumarkt für sie ein Vorbild ist, erläuterte Gesundheitsministerin Judith Gerlach beim Wirthausgespräch in Berngau.

Als Gerlach am Donnerstagabend mit zehn Minuten Verspätung im Berngauer Hof eintrifft, hat sie mit MdEP Christian Doleschal zwei Unternehmensbesuche im Landkreis hinter sich. Der Saal ist bis auf den letzten Platz gefüllt. CSU-Ortsvorsitzender Wolfgang Wild verweist in seiner Begrüßung darauf, dass im deutschen Gesundheitswesen täglich rund 1,5 Milliarden Euro ausgegeben werden „und es reicht nicht: Es gibt Handlungsbedarf.“

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Den sieht auch Gerlach insbesondere auf europäischer Ebene und zeigt das am Beispiel der Medikamentenversorgung auf: Wegen der sehr großen Abhängigkeit in der Pharmazie vom Ausland, „müssen wir uns gut überlegen, wie gehen wir mit unseren eigenen Medikamentenherstellern um?“

Herstellung von Medikamenten in Europa attraktiver machen



Wichtigen Input hätten ihr die Gespräche bei Bionorica in Neumarkt geliefert. In Bayern sei inzwischen eine Taskforce Arzneimittelvergütung ins Leben gerufen worden, die eine bessere Versorgung sicherstellen soll. Dabei gehe es um die Fragen, wie könne man autark sein und die Herstellung von Medikamenten in Europa wieder attraktiver machen. Innovationen dürften nicht durch überbordende Regulierungen verhindert werden, so Gerlach.

Dass der Name ihres Ministeriums um den Zusatz „Prävention“ ergänzt wurde, sei mehr als „schmückender Titel“: „Wir können es uns nicht mehr erlauben, den Fokus nicht darauf zu setzen“, betont die Ministerin mit Blick auch darauf, dass die Menschen immer älter werden und der Bedarf an Pflegekräften steigt. Um das „abzufedern“ werde ihr Ministerium einen „Präventionsmasterplan“ erarbeiten.

Den Kliniken eine „Brücke“ bauen



Als „vorbildhaft“ bezeichnet die Ministerin den Landkreis, weil es hier bereits Umstrukturierungen auf dem Krankenhaussektor gab. Letzterer bereite ihr die „größten „Bauchschmerzen“.

Lauterbachs Krankenhausreform findet Gerlach richtig: „Die Zeit der vollen Taschen ist vorbei.“ Um das Gesundheitswesen für die Zukunft aufzustellen, müssten Strukturen geändert werden. Doch bis zu den 2027 greifenden Änderungen müsse für das bisherige System eine „Brücke“ gebaut werden. Im Augenblick hingegen würden die Kliniken alleine gelassen und das führe zu ungesteuerten Insolvenzen.

Hohe Kosten für Kommunen

In der Folge stürzten auch viele Kommunen in Probleme, weil sie immense Kosten zu tragen hätten. Wegen der unterschiedlichen Strukturen brauchten die Bundesländer „Beinfreiheit“, regional für die einzelnen Kliniken zu entscheiden: „Das kann man nicht einfach so von Berlin aus aufoktroyieren.“ Für Reformen brauche es einen Schulterschluss. Doch der Bundesgesundheitsminister zeige „sehr wenig“ Interesse.

Mit einem neuen Förderprogramm investiere Bayern 100 Millionen Euro, um kleinen Krankenhäusern zu helfen, Gutachten für die Reform zu erstellen. Vom Bund fordert Gerlach mehr Unterstützung: „Er kann nicht für eine auskömmliche Finanzierung der Krankenhäuser zuständig sein und sie völlig im Stich lassen.“