Handwerk
Aus dem Alltag einer Vergolderin

Sylvia Kellner rettet alte Gegenstände. Mit Geduld ist viel möglich. Schwierig wird es, wenn mit Kleber gepfuscht wird.

02.07.2019 | Stand 16.09.2023, 5:41 Uhr
Michaela Schabel

Sylvia Kellner in ihrer Werkstatt – hier hat sich sich so eingerichtet, wie sie sich wohlfühlt. Foto: Sylvia Kellner

Ein vergoldetes Herz als Hochzeitsgeschenk mit den Initialen des Brautpaares ist ein außergewöhnliches Geschenk. Für eine ihrer Kundinnen fertigt Sylvia Kellner immer wieder solche Herzen an. Es sind Erinnerungsstücke zum Anschauen. Für den täglichen Gebrauch ist Blattgold nicht geeignet, es würde mit der Zeit abgerieben werden.

Sylvia Kellner kann so ziemlich alles vergolden. Meistens sind es Bilderrahmen. Doch die Nachfrage geht zurück. Zu sehr haben sich die Wertigkeiten verschoben. „Man ist bereit, 500 Euro für ein Handy auszugeben, nicht aber für einen Bilderrahmen“, klagt Kellner. So viel kostet beispielsweise ein Rahmen 50 auf 60 Zentimeter. Mit dem gestiegenen Goldpreis ist auch der Preis für Blattgold gestiegen. Vor langer Zeit kostete ein Blättchen eine Mark, heute zwei Euro. Dazu kommen eine Menge Arbeitsstunden. Vergoldungen werden in einem vielschichtigen Arbeitsprozess mit Trockenpausen gefertigt. Kellner sagt: Reich werde man als Vergolderin nicht, aber wenn man sich einen guten Ruf erarbeitet hat, lasse sich davon leben.

Über Umwege zum Traumberuf

Eigentlich wollte Sylvia Kellner Restauratorin werden. Aber dafür gab es in ihrer Jugend 1987 in München keine Ausbildungsplätze. So machte sie eine Ausbildung zur Vergolder- und Fassmalermeisterin. Letzteres hat nichts mit Fässern zu tun, sondern bezieht sich auf die farbige Fassung von Kunstobjekten. Sylvia Kellner ist eine Meisterin ihres Berufes, in dem über ein Dutzend spezielle Qualifikationen stecken. Inzwischen hat sie sich etabliert: Sie müsse keine Werbung machen, die Kunden kämen über Mundpropaganda zu ihr und schätzten ihre 25-jährige Berufserfahrung.

„Jede Werkstatt hat neben dem Grundwissen ganz spezielle Rezepte, die nicht verraten werden.“ Das rät sie auch ihren Schülern, denen sie als Dozentin an der Handwerkskammer Schwaben in Augsburg für die Vergolderinnung Oberbayern die grundsätzlichen Methoden, vor allem Sonder- und Schmucktechniken, beibringt.

Worst Case: Besitzer, die selbst versuchen, zu reparieren

„Wie bekomme ich das nur wieder hin?“ Diese Frage treibe die Vergolderin oft um. Zuweilen ist Sylvia Kellner entsetzt über das, was sie als Restauratorin zu sehen bekommt. „Am schlimmsten ist es, wenn Besitzer selbst beginnen, etwas zu reparieren. „Es ist extrem schwierig, Haushaltskleber wieder zu beseitigen.“ Zerbrochenes, Abgesplittertes solle man einfach zum Profi mitnehmen, Fugen, Rillen, Risse unbearbeitet lassen.

Sylvia Kellner hält sich zugute, nicht so schnell aufzugeben. Sie weise keinen Kunden zurück und verlange nie mehr als den anfangs ausgemachten Preis, sagt sie. Das gelte auch dann, wenn sich herausstelle, dass die Arbeit wegen zunächst nicht sichtbarer Schäden viel länger dauert.

„Die Techniken und Objekte, Bilder, Möbel, Kruzifixe, Skulpturen, Gartentore, Friedhofskreuze sind immer die gleichen, aber jede Arbeit stellt mich doch immer wieder vor neue Herausforderungen und ist spannend. Ich mache kaum zweimal dasselbe“, sagt sie. Sylvia Kellner lässt sich Zeit. Wenn ein Stück fertig restauriert ist, schlafe sie noch ein oder zwei Tage darüber, ob nicht doch noch eine Stelle nachpoliert oder nachretuschiert werden könnte. Erst dann stelle sich für sie die Freude ein.

Drei Löcher im Kopf von Jesus

Manchmal passieren auch lustige Dinge. Drei Löcher im Kopf eines Jesus gaben ihr Rätsel auf. Dann kam ihr blitzartig die Erkenntnis. „Das ist der Heiligenschein, bei Jesus ein sogenannter Nimbus, kein Kreis, sondern drei Strahlenbündel.“

In ihrer neuen Werkstatt am Ammersee, die sie zusammen mit dem Wohnhaus selbst bis ins letzte Detail konzipierte, hat sie sich ein passendes Umfeld geschaffen. Alles ist aus Naturmaterialien in Vollholzbauweise. Große Sprossenfenster ermöglichen Blickachsen zum Haus und Garten. Sie fühlt sich inmitten der Menschen, die ihr wichtig sind und könne doch konzentriert in aller Ruhe arbeiten. Mit guter Luft, 19 bis 21 Grad Raumtemperatur und 50 bis 60 Grad Raumfeuchtigkeit biete die Werkstatt optimale Bedingungen. „Ich muss nicht meditieren. Meine Arbeit ist fast wie Meditation.“