Reaktionen
Brexit: Das sagen Briten aus Neumarkt

Was halten ein Schotte und eine Engländerin vom EU-Austritt? Was denken die Neumarkter Firmen? Die MZ hat nachgefragt.

24.06.2016 | Stand 16.09.2023, 6:40 Uhr
Zwei Flaggen, die künftig nicht mehr gemeinsam wehen werden: die britische und die europäische.    −Foto: Fotos: Pilick/Lange/Endlein/Neumayer

Als James Reilly am Donnerstagabend ins Bett ging, war er noch frohen Mutes. Am nächsten Morgen saß er ungläubig vor dem Fernseher. Eine Mehrheit der Briten hatte für den Austritt aus der EU gestimmt. James Reilly gehörte nicht dazu.

„Ich habe für den Verbleib gestimmt“, sagt der Brite, der seit 2008 in Neumarkt lebt. Am Freitagmorgen kam dann die böse Überraschung, wie er es nennt. „Oh! Das ist nicht gut“, sei im spontan entfahren, als er die Nachrichten eingeschalten habe. „Seither sitze ich vor dem Fernseher und kann es nicht glauben.“

Natalie Pollard hätte hingegen für den Brexit gestimmt. Zumindest, wenn sie ihrem Gefühl gefolgt wäre. „Für Großbritannien ist es besser aus der EU raus zu sein. Dann kann es seine eigenen Geschäften wieder besser verfolgen, ohne die vielen Vorschriften aus Brüssel.“ Andererseits hätte sie als im Ausland lebende Britin aus praktischen Gesichtspunkten wohl doch für den Verbleib votiert. „Zwei Herzen schlagen in meiner Brust“, sagt die Ballett-Lehrerin mit eigenem Studio in Neumarkt.

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Am Ende wurde ihr die Entscheidung aber abgenommen. Die Engländerin lebt seit langem im Ausland und hat die Regel unterlaufen, derzufolge nur wahlberechtigt ist, wer sich in den vergangenen 15 Jahren wenigstens einmal auf einer Wahlliste eingetragen hat. Eine andere Wahl hat Pollard aber sehr wohl getroffen. Als bekannt wurde, dass es ein Referendum geben wird, ist sie zum Landratsamt gegangen, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen. „Aber das hätte ich auch ohne Brexit gemacht. Ich lebe seit 24 Jahren in Deutschland.“

Nicht ganz so lange ist es bei James Reilly. An die deutsche Staatsbürgerschaft habe er, der mit einer Deutschen verheiratet ist, noch nicht gedacht. Reilly ist stolzer Schotte und wie viele seiner Mit-Schotten für die EU – aber gegen den Verbleib bei Großbritannien. 2014 war zwar ein ersten Unabhängigkeitsreferendum in Schottland noch gescheitert, doch jetzt sieht Reilly die Zeit gekommen für einen zweiten, erfolgreicheren Anlauf. „Ich rechne damit, dass Schottland in den nächsten eineinhalb Jahren unabhängig wird“, sagt Reilly.

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Sorge bereitet Reilly hingegen, dass der Brexit den EU-Gegner in anderen Ländern Aufwind geben könnte. „Ich habe Angst, dass es zu einer Kettenreaktion kommt“, sagt der Schotte, der auch an die wirtschaftlichen Folgen des Brexits denkt. „Das geht nicht gut“, ist er überzeugt. Barrieren für den Handel zwischen Insel und Europa wirkten sich zwangsläufig negativ aus. „Immerhin mein Urlaub in Schottland dürfte günstiger werden“, sagt Reilly mit Blick auf das sinkende Pfund.

Was der EU-Abgeordnete aus dem Landkreis Neumarkt, Albert Deß, zum Brexit zu sagen hat, finden Siehier.

Doch Handel ist eine Sache mit zwei Seiten. Und so fragt man sich auch in Deutschland, was aus dem Brexit folgen mag. Von den möglichen wirtschaftlichen Verwerfungen könnten auch Unternehmen aus der Region betroffen sein. Die MZ hat bei einigen nachgefragt. Für Pfleiderer macht der britische Markt nach eigenen Angaben fünf Prozent des Gruppen-Umsatzes aus. Trotz des Brexits erwartet der Konzern kurzfristig keine signifikanten Auswirkungen. Wie es lange Sicht aussieht? Dazu sagt Pfleiderer nichts. Und auch zu erwartbaren Schwierigkeiten infolge des EU-Austritts hält man sich lieber zurück. Unmittelbar nach der Entscheidung ließe sich darüber nur spekulieren.

Deutlicher wird Helmut Pusch, Vertriebsleiter bei Dehn+Söhne: „Mittelfristig würde die Zusammenarbeit mit Großbritannien unsicher. Unsere Wachstumspläne würden dadurch beeinträchtigt“. Eine vermehrt auf nationale Belange ausgerichtete Wirtschaft münde in der Abschottung der Märkte. Damit würde ein höherer Aufwand für die Zolldeklarationen und Exportkontrollen verbunden sein. Der Manager: „Auch die bestehenden Zulassungen für unsere Produkte, die derzeit aufgrund der Konformitätserklärung auch Großbritannien abdecken, wären nach einem Brexit obsolet.“

Huber SE hat Tochterfirma auf der Insel

Recht aktiv auf der Insel ist Huber SE aus Berching. 70 Mitarbeiter umfasse die dortige Tochterfirma, sagt Franz Heindl Vertriebsleiter Ausland. Der britische Markt sei für Huber SE sehr wichtig, weil der in Europa neben Deutschland am weitest entwickelte und stabilste. Welche Probleme der Brexit mit sich bringt, sei aktuell noch schwer abzuschätzen, weil man noch nicht wisse, ob und in welchem Umfang Handelserschwernisse entstehen. Heindl sagt aber: „Für Großbritannien rechnen wir mit einem Rückgang der Geschäfte dort. Wie massiv hängt von den Maßnahmen, die im Anschluss getroffen werden ab. Aufgrund von potenziellem Dominoeffekt ist auch mit Komplikationen in anderen EU Ländern zu rechnen.“

Und weiter: „Insgesamt sehen wir einen Brexit extrem negativ für die weitere Geschäftsentwicklung in Europa, weil zu befürchten ist, dass der liberalisierte EU-Binnenmarkt langsam aufgelöst wird und es immer stärkere gegenläufige Entwicklungen in weiteren Ländern geben wird.“

Nicht betroffen von den großen Firmen in der Region sind Bionorica und Bögl. Ersteres sei nicht auf dem britischen Markt aktiv, heißt es aus der Firmenzentrale. Die Presseabteilung teilt mit, dass die Baufirma aus Sengenthal zwar schon Projekte wie etwa eine Papierfabrik umgesetzt habe, derzeit sei aber nichts in Planung.

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