Film
Der Sound eines kompromisslosen Lebens

In „Inside Llewyn Davis“ begeben sich die Filmemacher-Brüder Joel und Ethan Coen auf die Spur eines erfolglosen Folksängers Anfang der Sechzigerjahre.

06.12.2013 | Stand 16.09.2023, 7:17 Uhr
Fred Filkron

Llewyn Davis (Oscar Isaac) und die Katze der Gorfeins Foto: Studiocanal

Joel und Ethan Coen sind schlaue Burschen: Eigentlich erzählen sie mit „Inside Llewyn Davis“ die Geschichte vom frühen Bob Dylan – auch wenn der Maestro am Ende selbst die Bühne betritt. Das Erscheinungsbild von Llewyn, der dunkle Teint und die schwarz gelockten Haare, historische Auftrittsorte wie das Gaslight Café und einzelne Einstellungen, die unmittelbar an Dylans Plattencover erinnern, machen den Werdegang Llewyns zu dem von Dylan. Dass der desillusionierte Llewyn just zu dem Zeitpunkt aus der Folkszene aussteigen will, als sich mit dem echten Dylan der Durchbruch anbahnt, nennt man wohl Ironie des Schicksals.

Der guten, alten amerikanischen Musik waren die Coen-Brüder schon immer zugeneigt. Was es für einen Musiker bedeutet, für seine Ideale einzustehen und sich nicht vom rechten Weg abbringen zu lassen, zeigen sie auf einfühlsame Weise.

In einer Aufnahmesession mit seinem Freund Jim Berkey (Justin Timberlake) spielt Llewyn den belanglosen Novelty-Song „Please, Mr. Kennedy“. Den Song hat Jim geschrieben, obwohl er mit seiner Freundin Jean (Carey Mulligan) ernstzunehmende Folkmusik spielen will. Knapp bei Kasse lässt sich Llewyn mit dringend benötigten 200 Dollar abspeisen. Den Verzicht auf die Tantiemen wird er später noch bitter bereuen.

Er ließ sich nicht verbiegen

Jean, die von Llewyn angeblich geschwängert wurde, hält ihm seine künstlerische Kompromisslosigkeit vor. Um an einen Gig heranzukommen, hat sie geschäftstüchtig mit Gaslight-Manager Pappi geschlafen. Die aufbrausende Art möchte man der zarten Mulligan allerdings nicht so recht abnehmen.

Doch Llewyn möchte sich selbst von Bud Grossmann (mit beängstigender Präsenz: F. Murray Abraham), den großen Musikimpresario von Chicago, nicht verbiegen lassen. Als ihn Grossmann zum unscheinbaren Teil eines Trios degradieren will, lehnt er ab.

„On the road“ nach Chicago sind mit Llewyn zwei weitere archetypische Protagonisten der frühen 1960er Jahre: Garrett Hedlund gibt den wortkargen Beatpoeten Johnny Five, der das Schweigen nur für seine introspektiven Gedichte bricht. John Goodman kehrt als schwatzhafter Jazzer in den Schoß der Coen-Familie zurück. Sein fixender Roland Turner hat wenig für Folkmusik übrig. Das kurz geschnittene Pony erinnert an den Jazzmusiker Gerry Mulligan, die Santeria-Kenntnisse an Dr. John. Die mintfarbene Toilette, in der er kollabiert, spiegelt ein Zeitkolorit, das mit entsättigten Farben und fahlem Winterlicht eingefangen wird.

Insgesamt ist „Inside Llewyn Davis“ ein untypischer Coen-Film. Die absurd-komischen Momente halten sich in Grenzen. Der Erzählton ist zurückhaltend ernsthaft, wenngleich pointierte Dialoge voller Wortwitz nicht fehlen dürfen. Zu den Highlights zählt das Aufeinandertreffen des mittellosen Llewyn mit den gönnerhaften Gorfeins, die Llewyn immer wieder auf ihrer Couch übernachten lassen. Zu deren kunstbeflissenen, bildungsbürgerlichen Freunden zählt auch ein stocksteifer Klassik-Snob, der Llewyn an seine ehemalige Klavierlehrerin Frau Siegelstein erinnert, die orthopädische Strümpfe zu tragen pflegte. Gorfeins roter Kater heißt „Ulysses“, ein Name der Llewyns Irrfahrt reflektiert.

Feinste Ironie

Die Coens lieben es, mit der Sprache zu spielen. „Greenfung“, der Familienname eines asiatisch-amerikanischen Paares, gibt Anlass für feinste Ironie. Llewyns Vorname, der walisischen Ursprungs ist und so überhaupt nicht zu seinem Äußeren passen will, für Spott. Warum ein Mitmusiker bürgerlich Arthur Milgram heißt oder eine Raststätte auf den absonderlichen Namen Buzz’s Skelly getauft wurde, sind spannende Fragen. Willkürlich gewählt sind sie mit Sicherheit nicht. Die Detailverliebtheit der Coens macht ihre Filme zu wahren Schmuckstückchen.

Auch wie zwei Menschen vorzüglich aneinander vorbeireden können, zelebriert das Brüderpaar auf allerhöchstem Niveau. Der Situationskomik werden sie mit dem geräuschvollen Müsliknuspern eines naiven Musikerkollegen gerecht, der Llewyn aus dem Schlaf holt. Troy ist zudem bei der Army. Ist das mit dem Ethos eines Folkmusikers vereinbar? In einer weiteren Szene werden mit dem wohl schmalsten Hausflur der US-Filmgeschichte die beengten New Yorker Wohnverhältnisse karikiert. Und natürlich muss genau in jenem Moment ein Zug am Public Phone vorbeirauschen, als Llewyn einen wichtigen Auftrag erhält.

Mit einem feinen Kniff endet der Film mit seinem Beginn, und man fühlt sich an jene optischen Täuschungen erinnert, die Treppenstufen zeigen, die niemals enden wollen.