Aktion
Die Hausärzte schließen ihre Praxen

Der Großteil protestiert am Donnerstag und Freitag gegen Sparpläne der Regierung – und stößt bei Patienten auf Verständnis.

23.08.2010 | Stand 23.08.2010, 16:54 Uhr

Landkreis. Es klingt paradox: Zum Wohle der Patienten sperren die meisten Hausärzte im Landkreis am Donnerstag und Freitag ihre Praxen zu. Dr. Franz Bauer, Mitglied im Ärztenetz Neumarkt: „Wir wollen den Menschen zeigen, wie es sein könnte, wenn es keine Hausärzte mehr gibt.“

Denn die Allgemeinmediziner im Landkreis sehen ihre Zunft und damit auch die ärztliche Versorgung der Patienten bedroht – gerade auf dem flachen Land. Hintergrund der drastischen Hallo-Wach-Aktion: der Paragraf 73 b im Sozialgesetzbuch V. Dieser regelt die Hausarztverträge.

Im Vorjahr wurden Regelungen getroffen, die den Allgemeinmedizinern ein um rund 20 Prozent höheres Einkommen garantieren. An eben jenen Hausarztverträge gedenkt nun Gesundheitsminister Dr. Philipp Rösler den Sparhebel anzusetzen – sprich, das Gesetz wieder zu ändern. Zu ihren Ungunsten, wie die Hausärzte befürchten.

Dr. Harald Uhl, Bezirksdelegierter des Bayerischen Hausärzteverbands und seit 1992 Hausarzt in Dietfurt: „Es geht aber nicht darum, wie viel oder wenig Geld Herr Rösler für angemessen erachtet, sondern der angehende Arzt. Er trifft schließlich die Auswahl, ob er im Krankenhaus, als Fach- oder eben Hausarzt arbeiten will“, so Uhl. Und wenn die finanziellen Anreize für eine Hausarzt-Tätigkeit gering seien, wäre dies auch die Nachfrage.

Und wie viel Geld verdient ein Hausarzt pro Patient? Jedes Quartal wird den Hausärzten das sogenannte Regelleistungsvolumen der Kassenärztlichen Vereinigung mitgeteilt. Dr.Uhl: „Aktuell erhalte ich pro Kassenpatient außerhalb der Hausärzteverträge je nach Alter zwischen 35und 39Euro im Quartal.“

Dieser Betrag sei völlig unabhängig davon, ob der Patient einmal, oder zehn Mal in diesem Zeitraum komme – der Betrag bleibt gleich. „Monatlich sind das rund zwölf Euro pro Patient. Und davon muss ich dann noch meine Angestellten bezahlen“, so Uhl, der rund 4000Patienten betreut.

Neben den finanziellen Hindernissen seien aber auch die Arbeitszeiten der Hausärzte dem Nachwuchs kaum schmackhaft zu machen. Dr. Karl Lehmeyer, seit 26 Jahren Hausarzt in Sindlbach: „Ich habe eine 70-Stunden-Woche. Die Leute kommen auch am Samstag oder Sonntag.“ Für den Neumarkter Dr. Franz Bauer steht fest: „Die Hausärzte sind seit Jahren Schlusslicht beim Gehalt innerhalb der Arztgruppen und Spitze bei den Dienstzeiten.“ Weitere Abstriche seinen für die Hausärzte Gift. „Wenn keiner mehr Hausarzt werden will, weil der Beruf nicht mehr attraktiv ist, stimmt etwas nicht“, so Bauer. Er ist davon überzeugt, dass „wir nur durch und mit den Patienten gewinnen können“. Und die meisten haben Verständnis für die Protestaktion ihrer Hausärzte.

So wie Annemarie Rupp: „Ich brauche meinen Hausarzt. Der kennt mich seit Jahren, zu ihm habe ich Vertrauen. Wo soll ich denn hin, wenn es keinen Arzt mehr vor Ort gibt“, fragt sich die 63-jährige Freystädterin.

Der 58-jährige Neumarkt Erwin Seitz ist der Meinung: „Hausärzte haben einen wichtigen Job. Deshalb ist es mir als Patient auch wichtig, dass mein Arzt sich nicht kaputt arbeitet, angemessen bezahlt wird und nicht ständig frustriert ist.“

Soweit ist es bei Dr. Karl Lehmeyer nach 26 Jahren Hausarzttätigkeit zum Glück nicht gekommen. Für den 59-Jährigen steht trotz aller Widrigkeiten weiterhin fest: „Ich kann mir keinen schöneren Beruf vorstellen.“

Protest, Ärzte, Hausarztverträge