Familien
Die Hebammen vor einer schweren Geburt

Geburtshelferinnen müssen immer mehr Geld für eine Pflichtversicherung ausgeben. Eine Expertin befürchtet sogar das Aus für den Beruf in Regensburg.

18.01.2014 | Stand 16.09.2023, 7:14 Uhr

Um arbeiten zu dürfen, müssen freie Hebammen 4240 Euro Berufshaftpflicht zahlen. Zum Juli steigt dieser Betrag um 20 Prozent. Foto: dpa

Die Regensburger Hebammen sind sauer: Damit sie praktizieren dürfen, müssen sie eine Berufshaftpflicht abschließen. Laut Astrid Giesen, der Vorsitzenden des Bayerischen Hebammen-Landesverbands, kostet die im Jahr 4240 Euro. 16 Müttern müssten die Frauen alleine dafür bei der Geburt beistehen. Zum ersten Juli soll dieser Betrag um weitere 20 Prozent ansteigen, 2015 wird er wohl die 6000-Euro-Grenze sprengen.

Die Hebammen am Caritas-Krankenhaus St. Josef empfinden den Anstieg als eine unerträgliche finanzielle Belastung – ebenso die Erhöhung, die bereits angekündigt wurde: „Um die Mehrausgaben auszugleichen, müssen wir mehr arbeiten. Das bedeutet für uns und unsere Familien weniger gemeinsame Zeit und damit auch weniger Regenerationszeit, um die anspruchsvolle Arbeit und den kräftezehrenden Schichtdienst zu leisten“, schreiben sie auf Anfrage der MZ. Ähnliches ist von den Hebammen der Klinik St. Hedwig am Krankenhaus Barmherzige Brüder zu hören. Sie sind enttäuscht und werden ebenfalls Freizeit opfern müssen, um sich den Mehrbetrag bei der Berufshaftpflicht leisten zu können. „Es gibt keine weitere Berufsgruppe, die so einen hohen Prozentsatz ihres Einkommens für die Berufshaftpflicht aufwenden muss“, schreiben sie.

Von 300 DM auf 4240 Euro

Seit acht Jahren mache sich eine massive Erhöhung der Berufshaftpflicht für Hebammen bemerkbar, sagt Giesen im MZ-Gespräch. 1999 hätte die Versicherung noch 300 DM gekostet. Die Preissteigerung mache ihren Angaben zufolge insbesondere den frei beruflich arbeitenden Hebammen zu schaffen. Bei Hebammen, die fest angestellt sind, würde der Arbeitgeber den Betrag laut Giesen übernehmen. „Bayernweit arbeiten 80 Prozent der Hebammen aber freiberuflich, in Regensburg sind es sogar 100 Prozent“, sagt Giesen.

Auch die Hebammen am Geburtshaus Regensburg hoffen, dass das Geld, das sie mit ihren Klientinnen verdienen, zum Leben reicht. Zwar bekommen sie mit etwa 500 Euro pro Geburt mehr Geld als ihre Kolleginnen am Krankenhaus, erzählt Hebamme Christiane Hinum. Damit sie sich die Berufshaftpflicht aber leisten kann, müssten die werdenden Mütter im Geburtshaus für die Betreuung oder die Rufbereitschaft erst einmal Geld auf den Tisch legen, sagt Hinum. Mehr als drei oder vier Mütter im Monat zu begleiten, sei nicht möglich, ohne dass die Qualität der Arbeit darunter leide, sagt sie. Ihre Kollegin Verena Meyer hat sich eine Grenze gesetzt: Wenn der Beitrag für die Haftpflicht die 10 000-Euro-Grenze knackt, hängt sie den Beruf an den Nagel. Weitere könnten ihr folgen.

Regensburg ohne eine einzige Hebamme? Für Giesen ist das kein allzu unrealistisches Horrorszenario, sondern ein durchaus realistisches Problem. Durch das hohe Risiko für die Versicherer, die Berufshaftpflicht für Hebammen anzubieten, haben bereits viele von ihnen das Handtuch auf diesem Sektor geworfen. Genauer gesagt alle, bis auf zwei. Lediglich einer dieser beiden hätte laut Giesen bereits seine feste Zusage gemacht, sein Versicherungsangebot auch nach dem 1. Juli aufrecht zu erhalten. Sollte es bald nur mehr einen Versicherer für die Berufshaftpflicht von Hebammen geben, vermutet Giesen, würde dieser Versicherer seine Beiträge bald weiter anheben. Nicht alleine deswegen, weil er jetzt konkurrenzlos ist, sondern auch, weil er das Risiko für alle Hebammen tragen muss.

Politik in der Pflicht

Für die Hebammen wäre das immer noch die erträglichere Variante. Denn sollte sich auch dieser Versicherer dazu entscheiden, sein Angebot einzustellen, käme das laut Giesen das einem Arbeitsverbot für alle Hebammen gleich. Sie dürfen nur praktizieren, wenn sie eine Berufshaftpflicht abgeschlossen haben.

Astrid Giesen vom Landesverband sieht deswegen die Politik in der Pflicht. Und zwar sofort. Den Regensburger Bundestagsabgeordneten ist das Thema nicht unbekannt. Astrid Freudenstein (CSU) will den Bericht der entsprechenden Fachgruppe abwarten, der bis April veröffentlicht wird. Philipp Graf von und zu Lerchenfeld empfindet die Situation der Hebammen als dramatisch. Er will Lösungen suchen. Die sieht er etwa in einem Fonds oder einem Tarif.

Victoria Simmet ist derzeit schwanger und erwartet ihr Baby im Mai. Die werdende Mutter zeigt sich beunruhigt von der Entwicklung. Sie hatte für die Geburt bereits Kontakt mit einer Hebamme, die ihren Beruf inzwischen an den Nagel gehängt hat. „Vermutlich wegen der Versicherung“, sagt Simmet. Sie sieht in der Hebamme die Person, die vor während und nach der Geburt ihres Kindes für sie da ist. Das wichtigste ist ihr, dass die Frau viel Ruhe und Zeit mitbringt, um sie durch die Schwangerschaft und die Ausnahmesituation der Geburt zu begleiten.

Hebammen demonstrieren

„In welches Krankenhaus ich gehe, ist nicht das Entscheidende, sondern, dass ich mich mit der Hebamme verstehe“, sagt sie. Die werdende Mutter möchte nicht das Gefühl haben, dass die Hebamme bei ihrer Arbeit rechnen muss, ob sie von der Zahl ihrer Geburten leben kann. „Wenn ich mitbekomme, dass sie sich solche Sorgen machen muss, dann belastet das unser Verhältnis“ sagt Simmet. Andernorts gehen die Hebammen auf die Straße, um auf die Situation aufmerksam zu machen. Hebamme Verena Meyer würde das auch gerne tun. Aber es fehlt ihr die Zeit. Sie muss Geld verdienen.