Rechtsradikalismus
Die seelischen Abgründe eines Neonazis

Das Theaterstück „Elly und Ingo“ zeigte Schülern des Beruflichen Schulzentrums die Wurzeln rechtsradikalen Hasses auf.

17.12.2014 | Stand 16.09.2023, 7:08 Uhr
Reinhold Willfurth
Elly Maldaque (Christina-Elsa Wagner) und Ingo (Daniel Zimpel) −Foto: Willfurth

Beide kommen aus einem herzlosen und kalten Elternhaus, beides sind sie gequälte Seelen. Doch ihr Lebensweg könnte unterschiedlicher nicht sein: Hier die Regensburger Lehrerin Elly Maldaque, die sich für die Liebe als größte Lebenskraft entscheidet, dort der Neonazi Ingo, der völlig außer sich in die mucksmäuschenstille Aula des Beruflichen Schulzentrums kreischt: „Der Hass ist unsere Macht!“

Harte Kost für die Berufsschüler bei der Gedenkfeier zum 26. Jahrestag des rassistischen Brandanschlags ihres einstigen Mitschülers Josef Saller auf ein von Türken bewohntes Haus in Schwandorf. Aber wenn der Theaterstoff so dramaturgisch gelungen wie unterhaltsam über die Bühne kommt wie beim Stück „Elly und Ingo“, dann ist für Aufmerksamkeit gesorgt und das Gedenken verliert etwas vom Charakter einer schulischen Pflichtveranstaltung.

Das Regensburger „ue-Theater“ ist mit dem Lehrstück über die Lebenstragödien zweier Menschen aus der Weimarer Republik und aus der Gegenwart seit fünf Jahren in ganz Bayern unterwegs. In rund 230 Vorstellungen haben junge Leute erlebt, wie und warum Altersgenossen in die Neonazi-Szene abrutschen können – und was die Nazi-Ideologie bereits vor über 80 Jahren mit unschuldigen Menschen angestellt hat: Elly Maldaque, gespielt von Christina-Elsa Wagner, eine engagierte Regensburger Volksschullehrerin, wird von Nazi-Spitzeln als angebliche Kommunistin diffamiert und stirbt unter ungeklärten Umständen in der „Irrenanstalt“ Karthaus-Prüll. Der Fall Maldaque erregte 1930 großes Aufsehen in Deutschland und inspirierte Schriftsteller wie Ödön von Horvath zu Theaterstücken, die heute noch gespielt werden.

In einer raffinierten Parallelmontage werden im Stück des Regensburger Autoren Kurt Raster Auszüge aus Maldaques Tagebuch gegen die Hasstiraden aus dem Mund von Ingo (Daniel Zimpel) gestellt. Auch diese Figur ist authentisch: Zeugnisse von Ex-Neonazis geben Ingo Charakter und Gesicht. Man blickt in Abgründe, wenn man der Entwicklung des jungen Mannes folgt, der die Schläge weitergibt, die er als Kind in einem hasserfüllten Elternhaus eingesteckt hat. „Wir kennen keine Gnade. Denn keiner war gnädig mit uns!“, schreit Ingo ins Publikum. Am Ende kommt, was kommen muss: Der Rassist Ingo stiefelt einen Farbigen zu Tode.

Er wolle Nazis als Menschen nicht ausgrenzen, sagt Autor Raster nach der Aufführung. „Aber die Ideologie ist ein Verbrechen“. Lehrer Günther Kohl hat vorher vorgeführt, dass seit 1990 mehrere hundert Menschen in Deutschland durch Rechtsradikale getötet wurden.