Hochwasser
Donau-Flut: Schwere Stunden für Ostbayern

04.06.2013 | Stand 15.09.2023, 0:50 Uhr
Die Domstadt Regensburg ruft am Dienstag den Katastrophenalarm aus. −Foto: www.cadmicopter.de

Die Flut hat Ostbayern noch immer fest im Griff. In Regensburg hat sich die Lage nicht wirklich entspannt. Es könne sich bis in die Nacht zum Mittwoch hineinziehen, bis der Pegel merklich sinke, sagte Oberbürgermeister Hans Schaidinger am Nachmittag. Die gute Nachricht: Trotz desRekord-Hochwassers kam es in der Welterbestadtnicht zu großflächigen Überflutungen. Der Pegel erreichte den höchsten Stand seit mehr als 130 Jahren. „Es kann noch keine Entwarnung gegeben werden, aber die Schutzmaßnahmen der vergangenen Jahre haben sich bewährt“, betonte Schaidinger. Bei dem Hochwasser von 1988 war bei einem Pegel von 6,59 Meter der Stadtteil Stadtamhof komplett überspült gewesen. Jetzt seien sechs von sieben gefährdete Bereichen noch sicher. Lediglich an der Werftstraße auf der Insel Unterer Wöhrd seien die mobilen Schutzelemente in der Nacht zu Dienstag überspült worden. „Die Versorgung der Stadt mit Strom, Gas und Wasser ist aber nicht gefährdet“, versicherte der Oberbürgermeister. Nur in wenigen Häusern wurde der Strom vorsorglich abgestellt.

Blick von oben: Oberpfalz gleicht einer Teichlandschaft

Aus dem Hubschrauber betrachtet, sah die Oberpfalz südlich von Schwandorf wie ein Teichlandschaft aus. Die Naab war weit über die Ufer getreten und hatte Äcker und Wiesen überschwemmt. Bedrohlich nahe schwappte sie an Siedlungshäuser und landwirtschaftliche Betriebe heran. Nahe Regenstauf wälzten sich die braunen Fluten des Regen aus dem Bayerischen Wald heraus.

In Regendorf kämpfte die Feuerwehr gegen die Flut und versuchte, die kleine Ortschaft vor dem Untergang zu retten. Im Kreis Regensburg wurde Katastrophenalarm ausgelöst. Und dort, wo sich Naab und Regen in die Donau ergießen, kämpften hunderte von Helfern um die historische Altstadt und die von der Überflutung bedrohten Randgebiete. Am Dienstagabend schienen die Hochwasserdämme an den meisten Stellen zu halten.

In Kelheim hatte die Donauam Dienstagnachmittag mit einem Wasserstand von 7,15 Metern ihren wohl höchsten Punkt erreicht. Die Lage hier ist nach wie vor angespannt. Das Bangen im Kloster Weltenburg ein paar Kilometer flussabwärts ist am Dienstag noch lange nicht zu Ende. Am Donaudurchbruch ist eine extrem langgezogene Scheitelwelle zu erwarten. Am Dienstagmorgen war sogar die Bundeswehr in Weltenburg im Einsatz. Dort hatten sich Steine, die auf die Hochwasserschutzmauer aufgesetzt worden waren, bewegt.

Entwarnung gab es am Dienstag für den Landkreis Schwandorf: Der Hochwasserscheitel der Naab war bereits im Laufe des Tages durch den Landkreis gezogen. Auch hier bildeten Naab und Nebenflüsse Seenlandschaften, die erst allmählich wieder in den Normalzustand übergehen. Auch aus Cham kam am Dienstag Entwarnung: Die Pegel waren schon am Montagnachmittag gefallen. Dafür werden zwei je 100 Mann starke Feuerwehrkontingente aus dem Landkreis für Hilfen in besonders gefährdeten Hochwassergebieten ausrücken. Außer Schäden an einem Bahngleis durch abgerutschtes Erdreich hatte auch der Altlandkreis Kötzting keine größeren Probleme durch die Fluten zu beklagen. Der Landkreis Neumarkt blieb von großen Flutwellen komplett verschont. Aber auch hier waren die Feuerwehren gut beschäftigt, meist, um vollgelaufene Keller leerzupumpen.

In Niederbayern war die Situation am immer noch äußerst angespannt: In der Region Deggendorf undStraubing mussten am Dienstagrund 6000 Menschen ihren Häuser wegen des Hochwassers verlassen. Nach Angaben des Innenministeriums wurde für die Nacht zum Mittwoch der Scheitelpunkt desHochwassers im Bereich Deggendorferreicht. Es wurde für dort ein Pegelstand von 8,44 Meter prognostiziert – das wäre der höchste jemals gemessene Wert. Am Dienstagnachmittag musste die Autobahn 3 zwischen Passau und Nürnberg in beiden Richtungen gesperrt werden; Wasser aus der Donau lief über die Fahrbahn. Zuvor hatten Helfer noch versucht, Sand aufzuhäufen, um die Autobahn vor den Wassermassen zu schützen.

Auch in Straubing kämpften die Menschen gegen das Hochwasser. Etliche Straßen und Bahnstrecken blieben auch am Dienstag wegen Überflutung gesperrt. Die Arbeitsagenturen haben vom Hochwasser betroffenen Firmen und ihren Beschäftigten rasche Hilfe versprochen. So könnten Mitarbeiter, die wegen Hochwasserschäden vorübergehend am Arbeiten gehindert seien, Kurzarbeitergeld erhalten, sagte der Chef der Regionaldirektion Bayern.

Mitten in einer Katastrophe

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) machte sich am Dienstag in Passau ein Bild von der Lage und kündigte 100 Millionen Euro Soforthilfe für sämtliche betroffenen Regionen in Deutschland an. Begleitet wurde die Kanzlerin von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (beide CSU). „Bayern befindet sich mitten in einer Katastrophe“, sagte Seehofer.

Bei einem Hubschrauberflug hatte sich Merkel zuvor aus der Luft einen Überblick über die Lage in Bayern verschafft. Sie sei von der dramatischen Lage überrascht, sagte die Kanzlerin danach. „Wir haben gedacht, 2002 war die Lage schon exorbitant.“ Jetzt sei die Situation aber noch dramatischer. Von Passau flog sie in die ostdeutschen Hochwassergebiete weiter – zunächst nach Pirna in Sachsen, dann nach Greiz in Thüringen.

Seehofer will künftig mehr Geld für den Hochwasserschutz zur Verfügung stellen und das Tempo beim Ausbau erhöhen. „Die Politik steht hier in der Verantwortung, mehr Geld auszugeben und mehr Gas zu geben“, sagte er am Dienstag im Landtag. In einer Aktuellen Stunde bekundeten Vertreter aller Fraktionen ihre Anteilnahme mit den betroffenen Menschen und dankten den vielen Helfern. Seehofer verwahrte sich gegen Kritik aus der Opposition. „Mit trockenen Füßen unter dem Schreibtisch kann man die Sache nicht beurteilen.“ Er kündigte erneut an, die Anstrengungen zum Hochwasserschutz zu verstärken. Bei der Flut 1999 waren nach seinen Worten 2,3 Milliarden Euro für Maßnahmen in Aussicht gestellt worden. 1,6 Milliarden Euro seien bereits verbaut. Das Parlament solle noch mehr Geld bereitstellen, regte er an. Der Landtagsabgeordnete Christian Magerl (Grüne) will den Bau von Hochwasserschutzprojekten auch gegen den Widerstand von Grundbesitzern und dem Bauernverband vorantreiben. „Wir haben das vierte Jahrhunderthochwasser innerhalb von 14 Jahren. Das muss uns schwer zu denken geben.“ Extreme Wetterereignisse, so seine Einschätzung, werden weiter zunehmen.I