Splitternackt fragt er: „In welchem Jahr leben wir eigentlich?“ Im Jahr 2009. Genau. Deswegen versteht der Sonnenanbeter die ganze Aufregung um seine Vorlieben nicht. Nacktbaden. Schwul sein. Heute, im 21. Jahrhundert, sollte das niemanden mehr verwundern, sagt er, will aber seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen.
Bei der Wackersdorfer Gemeindeverwaltung sorgt es jedoch nicht nur für Verwunderung, sondern für Ärger, dass sich am Edelmannsee nackte Sonnenanbeter treffen. Am Rande der vergangenen Gemeinderatssitzung sprach Bürgermeister Alfred Jäger das Thema an. Der Fischweiher im Oberpfälzer Seenland gilt offenbar als Geheimtipp in der FKK-Szene.
„Bin bi und würd’ da auch gern mal vorbeischauen, um mal FKK zu versuchen und vielleicht sogar was zu erleben“, schreibt ein User des Schwulen-Forums von Gay-Szene.net über den Edelmannsee.
Auch AGN, die Austrian Gay Naturists, listen in ihrem „Onlinemagazin für schwule Naturisten und FKK-Anhänger“ den Oberpfälzer Anglerweiher als Nacktbadeort auf: „Im Zuge des Kohleabbaus entstanden unweit von Wackersdorf zahlreiche Seen, unter anderem der Edelmannsee, an dem sich neben Anglern zum Fischen auch schwule Naturisten zum Sonnen und Schwimmen treffen“, steht auf der Webseite.
Bürgermeister Alfred Jäger gefällt diese Art von Gemeindemarketing nicht. Er sagt: „Ich bin sehr enttäuscht. Das stellt unsere ganze Arbeit im Oberpfälzer Seenland infrage.“
Rechtlich verstoßen die Nacktbadenden gegen die Badeverordnung. Das Bayerische Innenministerium schreibt vor: „Wer öffentlich badet, muss Badekleidung tragen. Das gilt für das Wasser-, Luft und Sonnenbaden“, heißt es in Paragraph eins der Verordnung. Müssen die Naturisten also bald mit einer Strafe rechnen? Alfred Dobler, Ordnungsbeauftragter der Verwaltungsgemeinde, sieht bislang davon ab. Doch auch ihm fehlt jegliches Verständnis: „Nackt rennen wir doch nicht umeinander.“ Er sagt das nicht nur im eigenen Sinne, sondern denkt dabei vor allem an die Kinder und Jugendlichen.
Noch andere Stammgäste gibt es am Edelmannsee – die Angler vom Fischereiverein Oberpfälzer Seenplatte mitsamt dem Vereinsnachwuchs. Sie zahlen der Verwaltungsgemeinschaft Geld, um den Weiher zu nutzen.
Im Preis inbegriffen sei das Recht auf ungestörtes Angeln, sagt Werner Frisch, Angler und Gründungsmitglied des Fischereivereins. Er kenne seine Rechte, werde aber nicht von ihnen Gebrauch machen. „Ich bin toleranter geworden“, sagt er, während sich zwei Nackedeis, die hinter ihm aus dem Wasser kommen, nach dem erfrischenden Bad abtrocknen. Frisch rollt Angelschnur auf, den Blick auf das Wasser gerichtet. Manchmal, sagt er, störten die FKK-Fans beim Baden die Fische. Aber ob die Schwimmer nun mit oder ohne Badehose die Ruhe im Wasser störten – das sei egal.
Seine Toleranz teilt allerdings nicht jeder im Anglerverein: In einem Brief haben sich die Angler bereits an Bürgermeister Jäger gewandt.
Wie viele Naturisten den Edelmannsee im Sommer überschwemmen, weiß keiner so genau. Gezählt wird nicht. Beobachtet auch nicht, sagt Bürgermeister Jäger. Aber: „Ich werde das verbieten lassen!“