Glaube
Kirchenaustritt: Ganz oder gar nicht

Neumarkts Dekan Distler erklärt, welche Folgen es hat, wenn katholische Christen der Kirche den Rücken kehren – und räumt mit Missverständnissen auf.

30.09.2012 | Stand 16.09.2023, 21:05 Uhr

In Neumarkt hat in den vergangenen Monaten niemand mehr der Kirche den Rücken gekehrt. Foto: Archiv

Aus der Kirche austreten – und sich die Kirchensteuer sparen. Mit diesem Gedanken spielen viele Bundesbürger, treten den Weg zum Standesamt an und tun es einfach. Welche Konsequenzen das haben kann, wissen aber offenbar die wenigsten. Deswegen klärt Dekan Monsignore Richard Distler im Gespräch mit der Mittelbayerischen Zeitung auf – und fängt mit der guten Nachricht an.

Laut einem Dekret, das die Deutsche Bischofskonferenz erst kürzlich verfasst hat, sei der Kirchenaustritt nicht mehr mit der automatischen Exkommunikation verbunden – der höchsten „Strafe“, die es in der Kirche gebe. Wer sich also im Umkehrschluss dafür entscheide, wieder in den Schoß der Kirche zurückzukehren, der müsse nicht erst wieder von der Exkommunikation losgesprochen werden. Dennoch betont Dekan Distler: „Die katholische Kirche sieht einen Austritt aus der Glaubensgemeinschaft nicht als Bagatelle an – wir nehmen das sehr ernst.“ Jemand, der aus der Kirche austritt, spare sich daher nicht nur die Kirchensteuer.

Er verliere alle Rechte, die ein Angehöriger der katholischen Kirche zuvor genießen durfte. Er dürfe die Sakramente der Buße, Eucharistie, Firmung und Krankensalbung – außer in Todesgefahr – nicht empfangen. Er dürfe keine kirchlichen Ämter bekleiden und keine Funktionen in der Kirche mehr wahrnehmen. Außerdem dürfe er nicht mehr Taufpate oder Firmpate werden, verliere das aktive und passive Wahlrecht und könne kein Mitglied mehr in öffentlichen, kirchlichen Vereinen sein.

Trauung und Taufe weiter möglich

Und vor allem heißt es im Dekret der Bischofskonferenz: „Falls die aus der Kirche ausgetretene Person nicht vor dem Tod irgendein Zeichen der Reue gezeigt hat, kann das kirchliche Begräbnis verweigert werden.“ Damit auch jedem klar sei, was das bedeute, habe Distler und eine Reihe weiterer Pfarrer bisher an jeden Ausgetretenen einen Brief geschrieben – mit der Bitte, sich diesen Schritt noch einmal zu überlegen und mit dem ausdrücklichen Versprechen, dass dem Betreffenden die Tür für ein Gespräch immer offen stehe – falls es zuvor Schwierigkeiten oder Irritationen im Zusammenhang mit der katholischen Kirche gegeben haben sollte. Mit dem Dekret der Bischofskonferenz sei ein solches Schreiben sogar mittlerweile zur Pflicht geworden, wie Distler sagt.

Allerdings seien auch Missverständnisse im Umlauf, mit denen Distler im Tagblatt-Gespräch aufklärt. Eine kirchliche Trauung sei auch für einen Ausgetretenen nach wie vor möglich. Allerdings muss dafür laut Dekret eine Erlaubnis eingeholt werden, die ein Versprechen über die Bewahrung des Glaubens und die katholische Kindererziehung voraussetzt. Auch die Kinder von Ausgetretenen dürften ohne Weiteres getauft werden. „Es kann ja das Kind nichts dafür, dass Vater oder Mutter oder beide aus der Kirche ausgetreten sind“, sagt Distler.

In Neumarkt keine Austritte mehr

Etwas komplizierter sei die Sache allerdings bei Beerdigungen. Denn tatsächlich habe ein Verstorbener, der zu Lebzeiten aus der Kirche ausgetreten sei, keinen Anspruch auf ein kirchliches Begräbnis. Das liege zunächst im Ermessen des zuständigen Pfarrers. Wenn zum Beispiel die sehr gläubigen Angehörigen des Verstorbenen vom Austritt nichts gewusst hätten und ein kirchliches Begräbnis für diese Menschen ein großer Trost wäre, könne der Pfarrer die Augen zudrücken. Sei das nicht der Fall, bestehe für den Pfarrer immer noch die Möglichkeit, in Zivilkleidung oder Talar am Begräbnis teilzunehmen und zumindest am Grab des Verstorbenen ein Gebet zu sprechen. „Das zu entscheiden, ist immer sehr schwierig“, sagt Distler.

In den vergangenen Monaten sind die Austritte in Neumarkt sehr zurückgegangen. Im Gegenteil: Acht katholische Christen seien zuletzt nach einem Austritt wieder in den Schoß der Hofpfarrei zurückgekehrt, wie Distler der MZ sagte. Die Schreiben, die der Dekan nach einem Austritt an die Bürger versendet, zeigten seiner Meinung nach Wirkung.