Benefizaktion
Mit Gratis-Haarschneiden Würde schenken

Erstmals waren die Barber-Angels in Neumarkt. 19 Friseurinnen und Friseure wirkten im zum Salon umgestalteten Leb-mit-Laden.

12.11.2019 | Stand 16.09.2023, 5:22 Uhr
Lothar Röhrl

18 der 19 Friseurinnen und Friseure vor dem Leb-mit-Laden in Neumarkt. Dort bestritten sie am Sonntag den ersten Einsatz von Barber Angels in der Stadt. Die Idee dazu hatte Sylvia Engelhardt (vorne stehend ganz rechts) vom Neumarkter Barbershop (Kastengasse 7). Foto: Röhrl

Ihr Erkennungszeichen ist die Rocker-Kluft: Als am Sonntagmittag zum ersten Mal die „Barber Angels“ im Neumarkter Leb-mit-Laden zum Haarschneiden Station machten, stand davor aber kein einziges Motorrad. Das ist bei ihnen normal. Denn die schwarzen Lederjacken mit den vielen Aufnähern sind Erkennungsmerkmal und Einladung zugleich. Einladung für all jene, die einen Gutschein für einmal Haarschneiden, Frisurmachen und Rasur bekommen haben. 100 waren für den Sonntag ausgegeben worden. Wie immer bei den Barber-Angels waren Hartz IV-Empfänger und Obdachlose die Empfänger. 19 Friseurinnen und Friseure aus ganz Bayern nahmen sich diesen, von ihnen „Gäste“ genannten Menschen dran. Gratis und mit einem netten Gespräch als Zugabe. Und das in einem Salon, in dem nichts an die übliche Verwendung der Räume erinnerte.

Sylvia Engelhardt hatte alles arrangiert. Die Thalmässingerin betreibt in der Kastengasse 7 einen Laden. Dessen Name „Barbershop“ ist nicht zufällig gewählt. Er steht für die Barber-Angels-Brotherhood. Diese „Brüderschaft“ war 2016 gegründet worden. Seither ist Engelhardt Mitglied. Wie jeder Barber Angel hat auch sie einen Namen: „Tschajo“. Und sie wirkt im Rang eines Apostels – wie viele andere Angels auch.

So kurz, wie am vergangenen Sonntag, ist normalerweise die Anfahrt zu einem Benefiz-Haarschneiden nicht. Als Mitglied des „Chapters Bayern“ ist sie schon ein oder zwei Mal im Monat sonntags in irgendeine Stadt des Freistaats unterwegs, wo eine größere Gruppe gerade einen Haarschneidetermin anbietet.

15 Euro sind nicht zu schaffen

Was für Normalverdiener – meist alle vier bis sechs Wochen – angesagt ist, wird für Bezieher von Hartz IV oder anderen Sozialleistungen und erst Recht für Obdachlose unerschwinglich. 15 bis 25 Euro bei Herren, ab 25 Euro aufwärts für Damen und mindestens 100 Euro für eine Familie mit drei Kindern sind Beträge, die außerhalb der finanziellen Möglichkeiten Bedürftiger liegen. „Dabei ist es doch ganz wichtig für deren Würde und damit ihre Psyche, wenn sie keinen herunter gekommenen äußerlichen Eindruck machen“, sagte Andrea Waitl der Mittelbayerischen.

Die Dame, der sie gerade die Haare machte, wartete gespannt auf das Ergebnis. Den entscheidenden Moment, als Waitl ihr den Spiegel vorhielt, wollten auch Angelika Heller und Björn Bracher nicht verpassen. Die Verantwortliche des Leb-mit-Ladens und der Leiter des Bereichs Neumarkt und Kreis Nürnberger Land der Diakonie wurden Zeugen einer freudigen Überraschung. Erst leicht ungläubig, dann aber fast strahlend erkannte die Dame, dass sie eine fesche Kurzhaarfrisur bekommen hatte.

Goody-Bag: Wiederholung: Motivation:Sauberkeit:
Jeder „Gast“ erhält so ein Säckchen. Darin war Zahnpasta und Zahnbürste, Duschpflegemittel, Bürste und – als besondere Spende eines Sponsors – eine vorher speziell für jeden passende Lesebrille enthalten. Auch diese war kostenlos zu haben. Obdachlosen helfen warme Jacken und Schlafsäcke, die Privatpersonen spenden können.Vorerst ist angedacht, dass die Barber Angels des Chapters Bayern zweimal im Jahr nach Neumarkt kommen. Um öfter Termine anbieten zu können, bräuchte die Organisation mehr Friseure. Aktuell sind es in Bayern knapp 40, die schon mitmachen,„Es ist schön, helfen zu können. Wenn mich jemand zum Dank umarmt, ist das der größte Lohn“, sagte Andrea „Chili“ Debernitz. Aus Gesprächen mit anderen Angels wisse sie, dass jeder so denke.Während und vor allem nach jedem Termin kehren die Angels die Räume gut durch.(lr)

Laden-Helfer voll dabei

Eines freilich musste auch bei diesem Termin unterbleiben: Haarefärben war nicht möglich. „Dazu hätte wir Waschbecken gebraucht. Und die gibt es meistens dort nicht, wo wir im Einsatz sind“, erklärte Andrea Debernitz alias „Apostel Chili“. Die Vorarbeiten dafür, dass der Leb-mit-Laden ein einziger großer Friseursalon wird, hatten am Freitagnachmittag begonnen, und setzten sich am Samstag und am Sonntagvormittag fort.

Das Team des Ladens räumte vier Räume frei. Und es wurden zehn Kuchen gebacken. Helfer sowie Angels sollten am Sonntag während der Aktion zwischen 13 und 16 Uhr nichts an dem fehlen, was einen Einsatz angenehm machte.

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