Musik
Musiker suchen Kontakt zu Kollegen im Kongo

Das Ostbayerische Jugendorchester ist nach Afrika unterwegs. Die Mitglieder treffen sich mit jungen, durch den Bürgerkrieg traumatisierten Musikern.

14.08.2014 | Stand 16.09.2023, 7:15 Uhr
Angelika Lukesch

Benedikt Heggemann ist Mitglied des Ostbayerischen Jugendorchesters, das in diesen Tagen in den Kongo gereist ist. Foto: Christine Eckert

Im September des vergangenen Jahres besuchte das kongolesische Blechbläserensemble „Fanfare Masolo“ Regensburg. Die Musiker schmiedeten mit den Mitgliedern des Ostbayerischen Jugendorchesters ein festes, aus Musik gewobenes Band zwischen jungen Menschen aus Deutschland und dem Kongo. Die Anlaufstelle für diese Reise ist der „Espace Masolo“, eine Einrichtung in Kinshasa, die im Jahre 2003 gegründet wurde. Dort werden Straßenkinder, ehemalige Kindersoldaten sowie so genannte Hexenkinder, die von ihren Familien verstoßen wurden, in ganzheitlicher Weise betreut. Sie erhalten Unterricht, erlernen einen handwerklichen Beruf und nehmen an künstlerischen Ateliers teil.

Dies und vor allem die Musik hat sich als heilend erwiesen, um die oft grausamen und dramatischen Erfahrungen, die die jungen Leute hinter sich haben, aufzuarbeiten. Zwei Wochen lang sind in Kinshasa bei der „Semaine classique“ gemeinsame Proben der jungen Musiker aus Deutschland und Kongo geplant, die zu einem öffentlichen Konzert am Schluss des Aufenthaltes führen werden.

Kurz vor der Abreise sprach die MZ mit zwei in den Kongo mitreisenden Musikern, Benedikt Heggemann und Lukas Deutscher. Benedikt Heggemann ist ehemaliger Domspatz und studiert Lehramt Gymnasium Mit Kontrabass und Gesangspädagogik an der Uni Regensburg. Er ist seit langem Mitglied des Ostbayerischen Jugendorchesters, ist seit 2013 dort angestellt und hilft bei der Organisation.

Welche Gefühle verbinden Sie mit dieser Reise?

Heggemann: Afrika ist ja momentan nicht unbedingt das Reiseziel, das man sich aussuchen würde. Die Ebola- Epidemie wirft natürlich Gedanken auf. Aber die Vorfreude steigt, die Impfungen sind gemacht, die Malariaprophylaxe hat auch begonnen und so kann die Reise kommen. Ich habe mir gerade mit einer Kommilitonin geschrieben, die auch mitfährt, und wir waren uns einig, dass das „viel zu krass ist, eigentlich“. Wir sitzen auf heißen Kohlen.

Freuen Sie sich auf Ihre jungen Mitmusiker aus dem Kongo?

Heggemann: Nach unserem Projekt „Klangbrücken“, bei dem wir mit behinderten Kindern musiziert haben, ist die „Semaine Classique“ nun das zweite Mal, dass das Ostbayerische Jugendorchester beziehungsweise die Zukunftswerkstatt Ostbayern mit Menschen zusammentrifft, die erst einmal völlig „anders“ sind als wir. Die unterschiedlichen Eingangsvoraussetzungen – körperliche Defizite und geistige Behinderungen beziehungsweise Europäer mit Afrikanern – sind kein Hindernis durch das Medium der Musik, das jede Grenze sofort überwindet, wie ja der Weihnachtsfrieden 1914 eindrucksvoll bewiesen hat. Ich freue mich sehr auf die Begegnung.

Wenn Sie hören, was diese jungen Menschen oftmals für Schrecken erlebt haben, was kommt Ihnen in den Sinn?

Heggemann: Ganz narzisstisch kommt mir da zuerst in den Sinn: Gut, dass ich hier leben darf, wo solche Dinge zumindest nicht in dieser Häufigkeit geschehen. Ich bewundere Menschen, die mit solchen Schicksalen behaftet trotzdem so fröhlich sind und so viel Freude verbreiten. Das zeugt von tiefem inneren Glauben und der Zuversicht, dass es weitergeht und bergauf geht. Diese Gewissheit fehlt uns Europäern oftmals.

Glauben Sie, dass gemeinsames Musizieren und Musik überhaupt helfen können, Traumata, wie sie die kongolesischen Jugendlichen erlebt haben, zu lindern?

Heggemann: Auf jeden Fall. „Quis cantat, bis orat.“ Die Musik ist ein Zugang zur Seele. Nicht umsonst wird für die Propaganda nahezu immer Musik eingesetzt. Wenn man musiziert, wirkt die Musik auf der einen Seite auf einen ein, auf der anderen Seite muss man „die Hosen runter lassen“. Man legt seine Gefühlswelt offen dar. Dieses Prinzip kennen wir aus der Psychologie. Man kommt bei der Musik „nicht aus“.

Freuen Sie sich auf die Reise, auch wenn Sie in sehr einfachen Unterkünften leben werden und die Lebensverhältnisse der jungen Menschen dort kennen zu lernen?

Heggemann: Ich freue mich auf die Reise, gerade weil wir nicht in irgendeinem Luxushotel leben, wo wir dann ein bisschen Straßenkinder-Sightseeing machen würden und dann, wenn es uns reicht, wieder in unseren Pool springen. Das Miterleben der Situation ermöglicht erst ein Hineinfühlen in die Situation. Nur so kann das Ziel der Reise erreicht werden: dass wir alle durch diese Erfahrung besser an einer zukünftig tragfähigen Welt mitbauen können.