Geschichte
Nach 70 Jahren am Grab des Bruders

Beilngrieser haben in Bretagne und Normandie gefallener Angehöriger gedacht – unter ihnen die 91 Jahre alte Marianne Hirschl.

23.06.2015 | Stand 16.09.2023, 7:08 Uhr
Bernd Nester

Marianne Hirschl aus Lenting konnte mit 91 Jahren endlich das Grab ihres 1945 verstorbenen Bruders Jakob Heydn besuchen. Foto: Nester

Das Jahr 2015 steht im Zeichen der beiden Weltkriege: Der Beginn des Ersten jährt sich zum 100.Mal – das Ende des Zweiten liegt 70 Jahre zurück. Für Menschen, die Angehörige bei den Kämpfen verloren, haben die Jubiläen noch eine ganz andere, viel persönlichere Bedeutung. Für Clemens Euringer zum Beispiel.

Der Wolfsbucher hat gemeinsam mit Franz Meyer sowie Heiner Peter und Bernd Nester aus Beilngries, Herbert Mosandl aus Irfersdorf und Clemens Euringer, Robert Lenz, Christian Liebold und Ralf Pollinger aus Paulushofen an einer zehntägigen Reise mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge in die Bretagne und in die Normandie teilgenommen.

Diese stand unter dem Motto des Friedensnobelpreisträgers Albert Schweitzer, der sich mit seiner Aussage „Soldatengräber sind die großen Prediger des Friedens, und ihre Bedeutung als solche wird immer zunehmen“ als realistischer Prophet erwies. Als kompetenter Reiseleiter, Busfahrer und Organisator fungierte Oberstleutnant der Reserve Kaspar Becher, der Vorsitzende des Bezirksverbands Oberpfalz des Volksbunds in Regensburg. Er nennt die Soldatenfriedhöfe ganz bewusst „Kriegsopferstätten“, denn dort seien auch zivile Opfer begraben – darunter vereinzelt Kinder von Französinnen und deutschen Besatzungssoldaten.

Mit 18 auf dem Schlachtfeld

Motiv für einige der Teilnehmer war der Besuch der Gräber gefallener Angehöriger. Clemens Euringer legte auf dem Friedhof Andilly am Grab seines 1944 gefallenen Onkels einen Kranz mit Grüßen aus der Heimat nieder. Richard Euringer war damals als Gefreiter mit gerade einmal 20 Jahren gefallen.

Nur 18 Jahre alt war Jakob Heydn. Der Kanonier war im September 1945 an seinen Verwundungen im französischen Lazarett in St. Brieuc verstorben. Seine Schwester Marianne Hirschl aus Lenting war mit 91 Jahren die älteste Reisetilnehmerin. Sie gedachte ihres Bruders mit einem Bild, einem Blumenstrauß und einer Kerze.

In La Cambe beobachteten die Beilngrieser erstaunt, wie Engländer die Grablage der Panzerbesatzung von Michael Wittmann aus Vogelthal besuchten und mit britischer Fairness den ehemaligen Gegner ehrten. Auf anderen Friedhöfen erinnerten die Deutschen mit einem Vater unser und dem Lied „Ich hatt’ einen Kameraden“ an Väter und Onkel, die in der Schlacht um die Normandie ums Leben gekommen sind.

Der Tod macht alle gleich

Wilhelm Dietl aus Regensburg, Jahrgang 1926, berichtete als Zeitzeuge von seiner Gefangennahme als 17-Jähriger und von seinem Einsatz beim amerikanischen Gräberkommando. Dieses barg und beerdigte provisorisch Soldaten aller beteiligten Nationen, die teilweise tagelang tot auf den Schlachtfeldern lagen, bis die Kämpfe so weit abgeflaut waren, damit man sich um die Gefallenen kümmern konnte.

Das kulturelle und geschichtliche Programm kam ebenfalls nicht zu kurz: So besuchte die Reisegruppe unter anderem die Kathedralen von Metz, Orleans und Le Mans sowie die Basilika von Lisieux, dem Geburtsort von Johanna von Orleans in Domrémy. Auch Compiègne stand auf der Reiseroute. Dort war sowohl 1918 als auch 1940 der Waffenstillstand beschlossen worden.

An der deutsch-französischen Gedenkfeier zum 50-jährigen Bestehen des Soldatenfriedhofs Fort de Malmaison nahmen die Deutschen ebenso teil. Ihnen wurde bei den Besichtigungen des bombardierten Atlantikwalls klar vor Augen geführt, welcher Illusion die damaligen deutschen Politiker erlegen waren: Eine fast 2700 Kilometer lange Meeresküste von Spanien bis zum Nordkap vor einer Invasion zu schützten, war unmöglich.