Lammsbräu
Neumarkt: Sind teure Bio-Lebensmittel in Wirklichkeit günstiger?

23.09.2022 | Stand 15.09.2023, 3:34 Uhr
Josef Wittmann
Die Preisträger posierten gemeinsam mit Lammsbräu-Chef Johannes Ehrnsperger (Mitte hinten). −Foto: Lammsbräu

Als Franz Ehrnsperger 2001 den Deutschen Umweltpreis gewann, investierte er das Preisgeld in eine sparsame Flaschenwaschanlage. Bis zu 12000 Euro vom ersparten Geld fließen jedes Jahr in den Nachhaltigkeitspreis, den die Biobrauerei heuer schon zum 21. Mal verleiht.

Inzwischen wird die Brauerei in 7. Generation von Ehrnspergers Sohn Johannes geführt. Nach zwei Pandemiejahren, in denen man die Veranstaltung online durchführte, begrüßte der Chef seine Gäste dieses Jahr zur Preisverleihung nur einen Steinwurf von der Brauerei entfernt in der früheren Papierfabrik an der Mühlstraße.

Bevor Ehrnsperger das Geheimnis der Preisträger lüftete, diskutierte auf dem Podium ein Expertenforum die heikle Frage „Was sind unsere Lebensmittel wirklich wert?“ Die Lebensmittelpreise im Supermarkt seien letztlich zu niedrig, erklärte provokativ Tobias Gaugler von der TH Nürnberg.

Man müsse die aus der Produktion resultierenden Umweltschäden mit einrechnen, dann kosteten herkömmliche Produkte fast das Dreifache und Bio-Lebensmittel, bei deren Herstellung solche Folgekosten von Anfang an vermieden würden, seien konkurrenzfähig. Momentan lebten die Verbraucher so, wie jemand, der zwei Pizzen bestelle, aber nur eine bezahle und den Mehrpreis entweder künftigen Generationen aufbürde oder anderen Menschen, wie den Bewohnern des Ahrtals, welche die Klimakatastrophe schon heute voll erwische.

Christian Hiß (Regionalwert AG) berichtete, er habe mit der Lammsbräu gemeinsam die fairen Preise errechnet, die das Unternehmen künftig seinen Bauern zahlen wolle, die durch Bio-Wirtschaft Umweltschäden vermeiden. Ergebnis: 30 zusätzliche Euro je Tonne Gerste. Schäden zu vermeiden sei viel billiger, als sie zu beseitigen. Der geringe Mehrpreis je Kasten Bier sei für den Verbraucher durchaus bezahlbar.

Auch Hanna Kehl, Expertin für Verbraucherverhalten bei der GfK in Nürnberg, hält die Akzeptanz der Käufer für etwas höhere Preise für möglich, wenn neben dem Produkt auch die emotionale Kommunikation passt.

Mit Karl Stephan, dem Vorsitzenden der Erzeugergemeinschaft für Ökologische Braurohstoffe, diskutierte auch ein echter Landwirt mit. Außer fairen Preisen drücken ihn und seine Berufsgenossen noch andere Probleme. Man habe die aktuelle Preiskrise doch seit langem kommen sehen und nichts dagegen getan.

Und dann sei da die Klimakatastrophe. „2003 war ein extremes Jahr, 2015 tragisch und 2022 war die Hölle. Jede Feldarbeit ist sinnlos, wenn der Regen fehlt“, seufzte er. In der aktuellen Lage und angesichts der Zukunftsaussichten könne ein Landwirt seinen Kindern oft nur raten, die Finger von diesem Beruf zu lassen.

Letztlich sei es Sache der Politik, die Zukunft zu retten, war man sich einig. Vor allem komme es aber auf jeden Einzelnen an, der bereit sei, die ersten Schritte zu gehen, leitete Johannes Ehrnsperger die Aufmerksamkeit seiner Gäste auf die diesjährigen Gewinner. Mit dem Preis wolle die Jury deren Engagement belohnen und Mut machen, weiter voranzugehen. „Denn wirklich nachhaltig können wir nur gemeinsam sein.“

Eine Besonderheit ist der Preis für herausragendes Engagement. Die Jury hat ihn dem Agrarwissenschaftler, Landwirt und Autor Felix zu Löwenstein zuerkannt. Der Autor des Buches „Food Crash“ das für ein gerechteres Landwirtschaftssystem plädiert erhielt 2016 für sein vielseitiges Engagement im Ökolandbau das Bundesverdienstkreuz am Bande.

Neben zu Löwenstein erhielten auch folgende Projekte Preise: Das journalistisches Startup Flip verfolgte 2021 den Weg „GPS-verwanzter“ Sneaker auf illegale Müllhalden in Kenia. Das Project Wings baut mit 250 Tonnen Plastikmüll in Indonesien ein Ecodorf. Die Lokay Umweltdruckerei im hessischen Reinheim gehört zu den nachhaltigsten in Europa. Fairnica vermietet individuelle Kapseln mit mehreren fairen kombinierbaren Kleidungsstücken. „A.ckerwert“ begleitet 100 Eigentümer, die ihre Flächen mit mehr Natur und Nachhaltigkeit verpachten wollen.