In der Einleitungen zu seinem „Bayerisch-österreichischen Schimpfwörterbuch“ schreibt Reinhold Aman: „Jedes Wort, das aggressiv gebraucht wird, ist ein Schimpfwort“. Ein an sich unverfängliches Wort kann zu einer beleidigenden Äußerung werden, je nach Tonfall, Mimik, Gestik und Kontext. Wird ein kleines, unartiges Kind mit liebevoll mahnendem Unterton als „Bürscherl“ angeredet („Obacht, Bürscherl!“), so klingt das kaum bedrohlich. Wenn aber wutentbrannt einem Lausbuben hinterher gebrüllt wird: „Wart no, Bürscherl, di dawisch i scho!“, dann ist Gefahr im Verzug. Anders als beispielsweise „Dorfdepp, Schleimscheißer, Mistviech“ etc. gehört „Bürscherl“ nicht zu den „echten“ Schimpfwörtern, kann aber aggressiv verwendet werden.
Besonders deutlich wird die Bedeutungsspaltung bei „Hund“, primär die Bezeichnung für das Haustier, aber seit Urzeiten und in vielen Kulturen auch als Schmähwort gebraucht. Hebt jemand drohend die Faust und schreit: „Schaug, dasst weidakimmst, du Sauhund, du mistiger!“, dann ist das zweifellos eine starke verbale Aggression. Adjektive wie „hundsmiserabel“, „hundshäutern“ und Bezeichnungen wie „Hundsbua“ oder „Hundskrüppel“ sind eindeutig abqualifizierend.
„Hund, Hundling“ kann im Bairischen jedoch auch anerkennende Bezeichnung für einen gewandten, schlauen, ja genialen Mensch sein. „Die Richtigstellung der Begriffe, Ching-ming, das muss ich mir merken“, sagt Herr Schischmi in Herbert Rosendorfers „Briefen in die chinesische Vergangenheit“ zu seinem Gast aus dem alten China, „war schon ein Hund, Ihr Konfuzius!“
Gotteslästerliches Fluchen, so paradox es scheinen mag, ist als Phänomen einer religiös geprägten Gesellschaft zu sehen; denn nur wo Religion als selbstverständliche Basis gilt, können religiöse Begriffe herangezogen werden zum Fluchen, das notwendigerweise eine Tabuverletzung einschließt. Gerade in katholisch geprägten Regionen flucht man in dieser Art. Im Beichtspiegel steht zum 2. Gebot: „Habe ich heilige Namen oder Worte unehrerbietig ausgesprochen oder als Kraftausdruck gebraucht?“. Gemeint ist damit: im Zorn oder in Erregung „Herrgott, Kreuz, Sakrament“ und dergleichen missbräuchlich verwendet zum „Fluchen“.
Es ist nicht verwunderlich, dass man, um nicht ständig beichten zu müssen, eine Menge von Ausweichflüchen erfunden hat: lautliche Verfremdungen, Kürzungen oder unverfängliche Zusammensetzungen. „Kruzi-“ kann verbunden werden mit „-ment, -fuchs, -türken, -fünferl, -nali, -naln, -nesn“. Für die Etymologie von „Kruzitürken“ können zweierlei Ansätze gewagt werden. Vordergründig erscheint das Wort aus „Kruzi(fix)“ und „Türken“ zusammengebaut (Türkeneinfälle im 16./17. Jahrhundert!); „Kruzi“ könnte allerdings auch auf „Kuruzen“ zurückgehen, eine Bezeichnung zuerst für Kreuzzugsteilnehmer, im 16. Jahrhundert dann für aufständische ungarische Bauern. Nur noch ganz vage klingt das vermiedene Wort an in „Krumme Nuckl“. Auch „Jessas (Jesus), Jeckerl, Sàckra, Sàckràdi, Sàpprament, Sàpperlott, Sàxndi, Hàggod, Hàggodsà“ werden nicht als blasphemisch empfunden. Besonders originelle „kastrierte Flüche“ sind „Sàcklzement, Kreuz-Birnbaum (-und-Hollerstauden)“.
Zu den alten Tabuwörtern zählt auch „Blut“, ursprünglich in der Bedeutung „Körpersaft“, dann im religiösen Sinn „Blut Christi“. Insofern stehen emotionale Wendungen mit „Blut, blutig“ solchen mit „Scheiß-“ einerseits und „Kreuz-“ andererseits nahe. Doch keiner hat ein schlechtes Gewissen, wenn er „Bluts-arbeit, -hitz, -schinderei, -sauerei, -wetter“ sagt und und mit „Bluadsau(be)re Màri!“ seinem Ärger Luft macht.
Artikel kommentieren