Vortrag
Sie errichtet Gebäude, die leben

Eine Berliner Architektin stellte in Neumarkt außergewöhnliche Projekte vor, wie alte Häuser „transformiert“ werden.

09.03.2017 | Stand 16.09.2023, 6:31 Uhr
Gerd Schlittenbauer

Johannes Berschneider hatte Almut Grüntuch-Ernst eingeladen. Foto: Schlittenbauer

„1966 geboren, mit 25 Jahren ein Büro gegründet, fünf Kinder – und erfolgreich: Wie geht das?“, lautete die Frage von Architekt Johannes Berschneider an seine Referentin, Dr. Almut Grüntuch-Ernst. Diese war am Mittwoch extra aus Berlin nach Neumarkt gekommen, um bei der ersten Veranstaltung der Frühjahrs-Vortragsreihe des Bundes Deutscher Architekten im Maybach-Museum einen Werkbericht abzugeben. Die überraschende Antwort der Referentin auf Berschneiders Frage lautete: „Man muss den Büropartner zum Vater der Kinder machen.“

Grüntuch-Ernst ist drei Tage pro Woche im Berliner Architekturbüro „Grüntuch Ernst Architekten“ beschäftigt und zwei Tage an der Technischen Universität Braunschweig, wo sie seit 2011 eine Professur für Entwerfen und Gebäudelehre ausübt.

Zum 93. Vortrag der Architektur-Reihe stellte Organisator Johannes Berschneider im wiederum vollen Saal „eine erhöhte Frauenquote“ fest. Almut Grüntuch-Ernst präsentierte in ihrem beeindruckenden Vortrag architektonische „Transformationen“. Transformiert hat sie mit ihrem Büro unter anderem Großprojekte wie den Hauptbahnhof in Chemnitz, die Deutsche Schule in Madrid und das Gymnasium Döberitz, die ehemalige jüdische Schule sowie Büro- und Wohnhäuser in Berlin.

Eine lebendige Fassade, die ihr Licht ändert, bekam der Bahnhof in Chemnitz verpasst. Der ursprünglich für seine Zeit futuristische und spektakuläre Bau aus dem Jahre 1906 war im Krieg zerstört worden. Zur DDR-Zeit 1974 wurde der Bahnhof neu gebaut. Bei der Umgestaltung zog Grüntuch-Ernst sogar den damaligen Architekten zu Rate und studierte dessen alte Pläne. Die besondere Herausforderung bestand darin, dass in Chemnitz die Straßenbahnen direkt in das Bahnhofsgebäude hineinfahren.

„Wir haben eine Verbindung mit der Stadt gesucht“, sagte Grüntuch-Ernst. „In Anlehnung an vorher haben wir versucht, weiches Licht zu schaffen.“ Deshalb wurde die Fassade so gestaltet, dass sie von innen her licht erscheint und außen durch eine Art Kissen Licht reflektiert. „Es entstand eine lebendige Fassade, die ihr Licht ändert.“

Von 2009 bis 2015 versahen die Grüntuch-Ernst-Architekten die „German School Madrid“ mit einer beeindruckenden Architektur. „Die Erinnerung der 2000 Schüler soll auch von der Architektur geprägt werden“, lautete die Prämisse von Grüntuch-Ernst. Mit tagelangen Tanz-Vorführungen hatten die Schüler Madrids ihr neues Gebäude mit Kindergarten, Grundschule, Gymnasium, Turnhalle und Cafeteria übernommen.

„Revitalisierung“ nannte Berschneider in seinem Schlusswort diese Art der Architektur: „Auch in Neumarkt könnte man viele alte Gebäude einer neuen Nutzung zuführen“. Die Referentin sprach davon, dass bei Projekten in größeren Städten zum Teil eine beratende Kommission tätig sei und Berschneider holte sich von Grüntuch-Ernst die Bestätigung, dass eine solche Institution auch in kleineren Städten wie Neumarkt sinnvoll wäre.

Johannes Berschneider hatte Almut Grüntuch-Ernst eingeladen.