Interview
Sonntagsfrühstück mit Alexander Fehling

Der Schauspieler spricht über die Idee einer Patchworkfamilie und das Überleben in der Natur als Ostberliner Stadtkind.

23.12.2017 | Stand 23.12.2017, 13:34 Uhr

Wir haben Alexander Fehling zum Sonntagsfrühstück getroffen. Foto: Urs Flueeler/dpa

Als junger Staatsanwalt Johann Radmann ging er in „Im Labyrinth des Schweigens“ auf die Suche nach Zeugen für die Verbrechen im KZ Auschwitz. In „Der Fall Barschel“ untersucht er als Reporter David Burger die Umstände des vermeintlichen Suizids von Uwe Barschel. Als radikaler RAF-Terrorist Andreas Baader in „Wer wenn nicht wir“ wechselt er auf die dunkle Seite. Alexander Fehling war in den Historienfilmen stets in Charakterrollen zu sehen. Aber er kann nicht nur das. In „Buddy“ zeigt er neben Michael „Bully“ Herbig komödiantisches Talent. In der amerikanischen Serie „Homeland“ ist er der Freund an Claire Danes Seite. Zu Recht ist also zu behaupten, Alexander Fehling ist ein unglaublich wandelbarer und in jeder Rolle wieder neu überzeugender Schauspieler. Das wissen nicht nur die deutschen Filmemacher. Auch Quentin Tarantino besetzte ihn beispielsweise für seinen Film „Inglourious Basterds“. Für seinen neuen Film „Drei Zinnen“ (Kinostart 21. Dezember, siehe auch Filmkritik auf Seite 22) kehrte er jetzt – in gewisser Weise – wieder zurück zu Regisseur und Autor Jan Zabeil, mit dem er bereits „Der Fluss war einst ein Mensch“ gedreht hatte, ein Projekt, bei dem die beiden schon einmal eng zusammenarbeiteten. Wie damals begibt sich Fehling wieder mit Zabeil in die Natur – und thematisch auf ein äußerst spannungsgeladenes, emotionales und tiefgreifendes Gebiet: eine Dreierkonstellation zwischen einer Frau, ihrem Sohn und dem neuen Freund der Mutter.

Der Film „Drei Zinnen“ greift – nicht nur offensichtlich im Namen, sondern an vielen Stellen – die Symbolik der Zahl 3 auf. Unter anderem auch mit den drei Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch. Was bedeutet Sprache im Allgemeinen für Sie?

Für mich persönlich? Sprache ist für mich einfach eines der großen Ausdrucksmittel. Ich mag es sehr, wenn man die richtigen Worte für etwas findet. Das hat eine große Schönheit.

Ich frage auch deshalb, denn Sie spielen und drehen, also arbeiten in verschiedenen Sprachen. Wo liegen für Sie die größten Unterschiede zwischen Deutsch und Englisch?

In dem Moment, in dem man in einer Fremdsprache arbeitet, ist man, ganz klar, limitiert. Man hat nicht mehr so viele Möglichkeiten. Ich muss mich länger und ausführlicher darauf vorbereiten, um dann freier zu sein. In dem Moment, in dem ich mit meinem Schauspielpartner spiele, ist die Freiheit am wichtigsten. Wenn man sich, sozusagen, der Situation hingeben will. Aber auf der anderen Seite habe ich festgestellt, dass Limitation etwas unglaublich Wichtiges ist. Wenn ich immer alles zur Verfügung habe ... beispielsweise ein Regisseur, der für seinen Film unheimlich viel Zeit hat, die größten Schauspieler und ein Riesen- Budget, heißt das ja nicht unbedingt, dass es ein guter Film wird. Wenn man sich nämlich an Dingen abarbeiten muss, kommt man eher auf den Punkt, um den es eigentlich geht, um die Essenz der Sache. Und so ist es eben manchmal auch in einer fremden Sprache. In dem Moment, in dem ich einfach nicht unendliche Möglichkeiten zur Verfügung habe, weil mir vielleicht in der fremden Sprache Erfahrung fehlt, die ich sonst in meiner eigenen Sprache habe, kann ich daran eine eigene Freiheit finden. Der Zustand zwingt mich, das Nötige zu sehen, die Essenz zu sehen, genau das, um das es eigentlich geht. Oft wird man abgelenkt, von irgendwelchen Einfällen, bei denen man am Ende merkt, die sind gar nicht maßgeblich. Ich finde das eine interessante Sache.

Sie waren bei der Entstehung des Films beziehungsweise der Geschichte von „Drei Zinnen“ schon früh involviert. Warum hat Sie die Story gereizt und warum wollten Sie die Rolle von Aaron spielen?

Einerseits ist es die Arbeit mit Jan Zabeil gewesen. Ich habe mit ihm schon vorher an zwei Projekten gearbeitet. Ich weiß, dass die Sachen, für die er sich interessiert und für die er sich einsetzt, auch für mich interessant sind. Dann fand ich die Geschichte spannend, weil es viel um die Konflikte der anderen beiden Figuren geht, vor allem um den Jungen. Und was meine Figur betrifft: Den Konflikt des Mannes kann man zwar (be-)nennen, aber es gibt vieles, was unaussprechlich ist, und Aarons Schwierigkeiten sind sehr schwer zu lösen. Er ist gefangen in seinen Problemen. Und doch ist es etwas Universelles, was wir alle kennen. Das fand ich spannend an der Figur. Denn jeder kommt in seinem Leben immer wieder in Situationen, in denen er nicht aus seiner Haut kann. Situationen, in denen man merkt: man ist, wie man ist, und gewisse Dinge kann man einfach nicht ändern. Man kann höchstens Kompromisse finden und sich fragen, ob die akzeptabel sind. Ein weiterer ausschlaggebender Grund war das Zusammenspiel mit Arian(Montgomery, er spielt den Jungen Tristan, Anm d. Red). Wir bestreiten ungefähr 70 Prozent des Films zusammen. Er ist acht Jahre alt und mit ihm zusammenzuspielen war eine ganz besondere Erfahrung.

Der Film dreht sich immer wieder um eine Dreier-Konstellation. Einerseits das Kind mit zwei Vätern, andererseits der Wunsch des Jungen, nur die Kombination Vater, Mutter, Kind zu haben. Was ist Ihre Einschätzung? Ist das klassische Modell, nur Vater, Mutter, Kind, sinnvoll, oder können Patchwork-Familien ebenso gut funktionieren?

Hm, das weiß ich nicht. Ich denke, das muss jeder selbst für sich entscheiden. Ich bin da überhaupt kein Experte. Ich glaube, dass gerade im westlichen Europa, wo es den Menschen prinzipiell vom Lebensstandard her recht gut geht, Patchwork-Familien die Zukunft, und ja auch schon Gegenwart, sind. Die ökonomischen Abhängigkeiten sind nicht mehr so groß. Es gibt verschiedene Lebensphasen, die einen auch unterschiedlich beeinflussen. Für manche mag das Modell „Bis dass der Tod uns scheidet“ maßgeblich sein, andere schlagen einen anderen Weg ein. Aber was besser ist, oder was besser funktioniert, muss jeder für sich entscheiden beziehungsweise herausfinden.

Sie haben in den Südtiroler Bergen, also an Originalschauplätzen gedreht. Wie waren die Dreharbeiten dort?

Jan Zabeil legt da sehr viel Wert darauf. Ihm ist es wichtig, dass so viel wie möglich dort gedreht wird, wo die Szenen auch stattfinden. Das hat auch Vorteile für uns Schauspieler, denn wir können uns die Szene viel besser vorstellen und direkt erleben. Je mehr man erlebt, desto weniger muss man spielen. Die Hütte, in der die Familie übernachtet, war wirklich so weit oben in den Bergen, dass wir immer wieder in den Wolken waren. Wenn man bei so einer Umgebung morgens anfängt zu arbeiten, mit so einem Panoramaausblick, kam mir schon öfter der Gedanke: Was habe ich doch für einen wunderbaren Job, dass ich an solchen Orten arbeiten darf.

Würden Sie sich selbst als Naturmenschen bezeichnen? Im Film verletzt sich ja Aaron bei einer Bergtour, reagiert aber sehr geschickt. Würden Sie in so einer Situation zurechtkommen?

Oh, das weiß ich nicht. Das will ich mir nicht anmaßen. Ich glaube, ich habe einen guten Selbsterhaltungstrieb und in dem Moment, in dem ich verzweifelt bin, würde ich wahrscheinlich alles versuchen, um zu überleben. Ansonsten bin ich in Ostberlin geboren, ich bin also eher ein Stadtkind. Ich liebe zwar die Natur, und merke auch, wie wichtig es ist für die eigene Seele, für den Biorhythmus und für die Gesundheit, immer mal wieder rauszukommen. Aber ich bin dennoch nicht der klassische Naturbursche.

Der Film wurde auch bei den Filmfestspielen von Locarno in der Schweiz und Toronto in Kanada vorgestellt. Sie waren als Hauptdarsteller mit dabei. Wie haben Sie die Reaktionen auf „Drei Zinnen“ erlebt?

Die Reaktionen waren weitestgehend positiv. Viele waren begeistert, gleichzeitig hat der Film aber auch polarisiert. Man hat gemerkt, dass der Film dem Zuschauer etwas abverlangt. Auf der einen Seite muss er geduldig sein, dann aber handeln die Figuren nicht immer nach klassischen Mustern, tun überraschende Dinge. Vor allem das Bild, das man vielleicht von dem Kind hat, wird immer wieder verändert, quasi konterkariert. Da hat man schon gemerkt, dass das viele Zuschauer beschäftigt hat. Aber selbst wenn jemand Schwierigkeiten hatte, mit der ein oder anderen Szene im Film, sind danach daraus interessante Gespräche entstanden. Und das ist ja doch auch das, was man mit einem Film erreichen möchte. „Drei Zinnen“ ist vielleicht nicht so leicht zu konsumieren, aber der Film bietet ein starkes und sinnliches Erlebniskino.

Sie sind viel international unterwegs, gehören auch zur Face-to-Face-Kampagne von German Films. Was sind Ihre Erfahrungen, wie auf den deutschen Film reagiert wird?

Ach ja(seufzt). Ich bin nicht so sehr der „Bilanzierer“. Die Diskussion „Wie geht es dem deutschen Film“ gibt es ja schon seit Jahren. Ich habe es bei anderen Filmen erlebt, beispielsweise „Im Labyrinth des Schweigens“ war überall auf der Welt zu sehen. Die anderen „da draußen“ kriegen also schon mit, was wir für Filme drehen. Ich finde, wir müssen uns nicht die ganze Zeit damit beschäftigen, ob wir wer sind oder wie der deutsche Film dasteht im Auge der anderen europäischen Länder. Dieses ständige Ausloten, wer wo steht, das halte ich für destruktiv. Wir dürfen nicht zu sehr auf die anderen schielen, sondern müssen unsere eigene erzählerische Stimme finden. Und wir müssen die Filmemacher mit ihren Ideen und ihrer Kreativität unterstützen. Das ist das Allerwichtigste.

Gibt es denn Kollegen, Regisseure oder Schauspieler, mit denen Sie gerne zusammenarbeiten würden?

Ja, die gibt es, aber ich bin da ein wenig abergläubisch(schmunzelt). Meine Erfahrung hat mich gelehrt: Immer wenn man etwas nicht erwartet, dann geschieht es. Und so kommt vielleicht etwas aus einer Ecke, an die man vorher noch nie gedacht hat, oder man begegnet einem Regisseur, den noch keiner kennt. Ich bin also offen. Es ist ein bisschen wie im Leben. Man muss erkennbar bleiben und hoffen, dass man gesehen wird. Und umgekehrt andere sehen und finden, die zu einem passen.

Der Text ist eine Leseprobe aus der Sonntagszeitung, die die Mittelbayerische exklusiv für ePaper-Kunden auf den Markt gebracht hat. Ein Angebot für ein Testabo der Sonntagszeitung finden Siein unserem Aboshop.