Trachtenverein
Verein aus Postbauer-Heng ist aufgelöst

Der Heimat- und Trachtenverein sagt „Lebewohl“. Jahrzehntelang prägten die Aktiven das Vereinsleben im Markt Postbauer-Heng.

02.02.2022 | Stand 15.09.2023, 21:21 Uhr
Josef Wittmann
In ihrer feschen Trachten zeigten sich die Mitglieder gerne. −Foto: Familie Igl

Zum Jahreswechsel hat sich der Heimat- und Trachtenverein Postbauer-Heng e.V. mit aktuell nur noch 48 gelisteten Mitgliedern aufgelöst. Die letzte Aufgabe von Wolfram Krebs als erster Vorstand ist es, die Auflösung über die Bühne zu bringen. Lydia Sperber bewahrt die Erinnerungen an die fast vierzig Jahre Vereinsgeschichte auf.

Die beiden sitzen in der Küche von Lydia Sperber in Kemnath und auf dem Tisch häufen sich Fotos und Dokumente. Der Verein ging damals aus dem Volkstanzkreis der Gemeinde hervor, weil die fast dreißig Gründungsmitglieder und ihr inzwischen verstorbener Vorstand Johann Lehner senior, die bis dahin zu den Klängen von Musikkassetten in allgemeiner Bayerischer Tracht getanzt hatten, ihrer Leidenschaft mit eigenem Spiel und in möglichst originalgetreuen heimatlichen Kostümen frönen wollten.

Kein einfaches Unterfangen, denn Postbauer-Heng liegt unmittelbar an der Bezirksgrenze. Und damit nicht erst in Zeiten der Metropolregion Nürnberg mit ihren Pendlerströmen mitten im Herzen einer „Völkerwanderung“ zwischen der Oberpfalz und Mittelfranken. Da fließen nicht nur die Sprachgrenzen, sondern auch Brauchtum und Kleidung ineinander über. Wegen der Nähe zu Mittelfranken organisierte sich der frischgebackene Verein nicht im oberpfälzer Verband in Regensburg, sondern bei den fränkischen Nachbarn. Deshalb haben die mittelfränkischen Trachtler im prächtigen Bildband „Trachtenvereine in Mittelfranken“, der alle 44 Vereine des Bezirks umfasst, nicht nur die „Oberpfälzer“, wie man sie stets liebevoll gerufen hat, aufgenommen, sondern in der Übersichtskarte gleich den ganzen Markt Postbauer-Heng ins mittelfränkische Trachtenreich eingemeindet.

1995 gab’s schmucke Gewänder

Der damalige Bezirksheimatpfleger Adolf Eichenseer in Regensburg hat beim Forschen geholfen und die Schneiderein, Frau Tahedl aus Regensburg, hat dann mit Zuschüssen von Freistaat und Bezirk und besonderer Förderung durch die Gemeinde die Kostüme der Frauen gefertigt, so dass ab 1995 der neue Verein in schmucken und historisch passenden Gewändern auftreten konnte – besonders die zahlreichen Kinder und Jugendlichen. Die Lederhosen der Männer und ihre Jacken, die im gleichen Blau erstrahlen wie das Wappen von Postbauer-Heng, hat der Schneider und Posthalter von Loderbach fabriziert.

Als Lydia Sperber im Jahr 1991 dem Verein beitrat – ihr Mann war schon seit 1986 dabei, kümmerte sie sich besonders um die Nachwuchsarbeit. Gelernt hat sie eigentlich Buchführung und Lohnabrechnung, aber im Verein gab sie Musikunterricht, lange bevor es in der Gemeinde die heutige Musikschule gab. Und sie sorgte mit vielen Events dafür, dass die Jugendlichen des Ortes sich gerne und zahlreich im Heimat- und Trachtenverein engagierten. „Alle vierzehn Tage haben wir in unserem Hobbyraum im Finkenweg geübt“, erinnert sie sich und nach jeder Übung gab’s Leckereien für die Kinder. Auch der Franke und technische Betriebsleiter bei Pfleiderer, Wolfram Krebs, kam vor 25 Jahren mit seiner selbstgebauten Drehleier, der Leidenschaft für sein Alphorn, den böhmischen Dudelsack und vielen musikalischen Talenten zum Verein, weil seine Kinder schon begeistert dabei waren.

Viele Jahre waren die Advents- und Weihnachtsfeiern der örtlichen Vereine ohne Auftritte der jungen Leute in ihrer schmucken Tracht nicht denkbar und oft waren sie parallel in mehreren Gruppen zeitgleich in Veranstaltungen unterwegs. Nicht nur die Kinder, sondern auch die Erwachsenenmusik mit Klarinette, Bassgeige und Quetschn waren begehrt und beliebt. Und bis zum Ausbruch der Pandemie waren die eigenen Feiern beim „Stiegler“ in Heng Kult. In der Hochzeit des Vereins waren 20 Kinder aktiv.

Gibt es noch Gläubiger?

Schon vor Corona litt der Heimat- und Trachtenverein aber an der Krankheit vieler anderer Vereine – dem Mitgliederschwund und der Überalterung. Man habe sich zum Beispiel früher regelmäßig und gerne mit einer großen Delegation am Trachtenfest in Lengenfeld und an den traditionellen Volksfestzügen durch Neumarkt beteiligt. Der Bitte, das nicht vom Bulldoganhänger herunter zu tun, sondern im Zug mit zu marschieren, damit die prächtigen Kostüme gut zur Geltung kämen, habe man zuletzt aber wegen des vorgerückten Alters der meisten Mitglieder kaum mehr nachkommen können, erzählt Wolfram Krebs.

Er hat in der Tagespresse Anzeigen geschaltet, damit eventuelle Gläubiger des Vereins ein Jahr Zeit haben, ihre Ansprüche geltend zu machen. Aber der Verein steht finanziell sehr gut da, sagt Krebs. Obwohl der kleine Mitgliedsbeitrag nun mangels Gegenleistung schon lange nicht mehr eingefordert wurde. Eine der letzten Aufgaben des Vorstands wird es sein, das Vereinsvermögen auszugeben. Es steht laut Satzung der Kommune zu. Wolfram Krebs hat darum gebeten, es für die Kindergärten im Markt zu verwenden. Das habe Bürgermeister Horst Kratzer auch gerne zugesagt.