Tiere
Vogel-Hasser tötet mit Rattengift

In Reinhausen griff jemand zu illegalen Mitteln. Vogelschützer sind entsetzt – und sorgen sich auch um andere Lebewesen.

17.08.2016 | Stand 16.09.2023, 6:42 Uhr
Norbert Lösch
In diesem privaten Garten in Reinhausen sind Vögel vergiftet worden – weil ein Unbekannter Gift in das Futter mischte. −Foto: Fotos: Lösch

Verwilderte Tauben dürfen im Stadtgebiet nicht gefüttert werden. Das wissen auch Marlene K. und ihre Tochter Simone (Name geändert), und doch versorgen sie in ihrem Garten in Reinhausen regelmäßig eine größere Population von Türkentauben mit Futter. Nicht nur die Tauben, sondern viele Singvögel laben sich täglich an den Körnern, die sie in diversen Häuschen vorfinden. Die Fütterung war einem Unbekannten offenbar ein Dorn im Auge: Er versetzte die Nahrung mit Rattengift – und Vögel verendeten qualvoll.

Simone K. zeigt ein Foto auf ihrem Handy. Darauf ist ein Spatz in ihrer Hand zu sehen, tot und mit erbrochenem Blut vor dem Schnabel. „Das war nur eines der Opfer. Wir haben auch zwei tote Meisen gefunden. Und von den rund zehn Türkentauben sind nur noch vier da – die anderen sind mit ziemlicher Sicherheit auch verendet“, sagt die Reinhausenerin. Die Familie hat sich mitten im dicht bebauten Stadtteil ein grünes Paradies geschaffen, mit Teich, großen Bäumen, Blumen, Sträuchern und Gräsern. Der große Garten ist auch ein Refugium für viele Vogelarten – von den Türken- und Ringeltauben über Rotkehlchen, Kleiber und Spechte bis hin zur seltenen Schwanzmeise.

Dass jemand ihren gefiederten Freunden etwas antun kann, können die tierlieben Frauen noch immer nicht verstehen. Dem feigen Anschlag sind sie eher durch Zufall auf die Spur gekommen. „Nach einem starken Regen haben wir in den Futterstellen rötliche Spuren gefunden, und wenig später auch tote Tiere“, berichten Mutter und Tochter.

Warfarin unters Futter gemischt

Die Spuren hatte laut einer toxikologischen Untersuchung zweifelsfrei die Chemikalie Warfarin hinterlassen. Das ist ein Wirkstoff der sogenannten ersten Generation von Rattengift, das vor allem in den 1970er und 1980er Jahren auf dem Markt war.

Während Ratten mittlerweile weitgehend resistent gegen das Gift sind, kann es Vögel und andere Lebewesen töten. Tauben etwa verenden qualvoll, selbst wenn sie nur kleine Mengen des Wirkstoffs aufnehmen. Sie verbluten innerlich, weil ihre Leber kein Vitamin K mehr produziert. Warfarin hemmt bei allen Wirbeltieren die Blutgerinnung und ist auch für Menschen nicht ungefährlich. Dennoch ist es in handelsüblichen Ratten- und Mäuseködern enthalten.

Woher kam das Rattengift? Die Spurensuche führte in die Garage der Familie, in der stets ein Sack mit Futter, vorwiegend Weizen, aufbewahrt wurde. „Wer sich dort zu schaffen gemacht hat, wissen wir nicht. Sicher ist, dass der Unbekannte Rattengift unter das Futter mischte. Er hat sich sogar die Mühe gemacht, das Gift zu pulverisieren, damit es nicht gleich auffällt“, berichten die beiden Frauen. Sie vermuten, dass sie das vergiftete Futter über mehrere Wochen im Garten ausgebracht haben, ohne die Gefahr für Mensch und Tier zu ahnen. Mittlerweile ist das Vogelfutter unter Verschluss, und auf dem Grundstück ist eine Wildkamera installiert.

Anzeige bei der Polizei hat Familie K. nicht erstattet. Erstens führe das vermutlich zu nichts, und zweitens fürchtet sie, dass dadurch der Tier-Hass des Unbekannten noch weiter eskalieren könnte. Allerdings informierte sie Ernst Seidemann, den Kreisvorsitzenden des Landesbunds für Vogelschutz (LBV).

Experte: „Sinnloses Vorgehen“

Seidemann ist ziemlich entsetzt über den Vorfall. „Der Täter war sich wohl nicht bewusst, wie gefährlich das sein kann“, sagt der Vogel-Fachmann. Dass Stadt- und auch Wildtauben mit allen möglichen Mitteln vergrämt werden, weil sich Menschen durch das ständige Gurren oder den Kot der Tiere gestört fühlen, ist für ihn noch halbwegs nachvollziehbar. Der Einsatz eines hochtoxischen Rattengifts gegen Tauben und andere Vögel sei aber niemals zu tolerieren – und strafbar, sagt der LBV-Funktionär. Zumal er ein solches Vorgehen für ziemlich sinnlos hält: „Gerade an bekannten Futterplätzen kommen immer Vögel nach, auch wenn dort welche sterben.“

Die erst in diesen Tagen ausgelaufene, seit 20 Jahren geltende Verordnung der Stadt in Sachen Taubenfüttern lässt übrigens offen, welche Arten gemeint sind. Das Verbot ist allgemein gehalten: „Verwilderte Tauben dürfen im Stadtgebiet nicht gefüttert werden. Das Fütterungsverbot erfasst auch das Auslegen von Futter, das von den Tauben aufgenommen werden kann.“ Ernst Seidemann geht davon aus, dass das städtische Verbot nur die Stadttauben im Zentrum betrifft. Und obwohl er die Sommerfütterung für Vögel nur bedingt gutheißen kann, brauche es Tierfreunde wie Familie K.: „Solche Gärten sind die letzten Refugien in einer immer dichter bebauten Stadtlandschaft.“