Gottesdienst in freigelegter Kirche
Heimattreffen in Grafenried: Das Dorf wird Ort der Begegnung, der Mahnung und des Miteinanders

29.04.2024 | Stand 29.04.2024, 8:00 Uhr

Der Waldmünchner Stadtpfarrer Wolfgang Häupl zelebrierte den Gottesdienst in den Ruinen der ehemaligen Pfarrkirche St. Georg. Foto: Christa Bucher

Jedes Jahr treffen sich Menschen aus unterschiedlichsten Richtungen, aus Deutschland und Tschechien in der St. Georg-Kirche in Grafenried, um Zeugnis für den Glauben abzulegen, aber auch um Zeugen eines gemeinsamen Europas zu sein.

Im Frühjahr 1946 mussten die Bewohner ihre Häuser an der Grenze in Tschechien verlassen. Grafenried wurde zerstört, den Menschen wurde ihre Heimat genommen. Lange Zeit war der Ort Synonym für Flucht und Vertreibung. Heute ist das verschwundene Dorf Grafenried ein Ort der Begegnung, der Mahnung und des Miteinanders. Jedes Jahr treffen sich ehemalige Bewohner der Ortschaften Grafenried, Seeg, Anger und Haselberg in den Grundfesten der freigelegten Kirche Sankt Georg, um ihrer alten Heimat zu gedenken. Um für ein paar Stunden mit ehemaligen Nachbarn und Freunden oder deren Nachkommen vereint zu sein, nehmen viele eine weite Anreise auf sich.

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Stadtpfarrer Wolfgang Häupl sagte zu Beginn des Gottesdienstes, den er mit dem Geistlichen aus Klentsch, Ivan Pavlíček und Klaus Oehrlein von der Ackermanngemeinde aus Würzburg, zelebrierte, dass viele Menschen einen langen Weg auf sich genommen hätten, um sich in ihrer alten Heimat zu treffen, gemeinsam Gottesdienst zu feiern und sich auszutauschen. Für viele der heute Anwesenden sei Grafenried Heimat. Mit dem Besuch zeigen Sie, dass Sie ihre Vorfahren von Grafenried nicht vergessen haben, meinte der Geistliche. Dieser Ort, diese Mauern hier in Grafenried seien ein ganz besonderer Ort. Manche der hier Anwesenden seien hier getauft worden, haben hier Gottesdienste gefeiert und ihre Angehörigen im naheliegenden Friedhof bestattet. Mit dem alljährlichen Treffen zeige man, dass man die Vorfahren und die eigenen Wurzeln nicht vergessen habe. Zu glauben, dazu lade Jesus ein, auch damals und hier in den Mauern der St. Georgs Kirche. Man sei aufgerufen, an Gott zu glauben, so wie die beiden Kirchenpatrone Adalbert und Georg es getan haben.

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Ortsbetreuer Thomas Schrödl freute sich, die Besucher in den Ruinen der ehemaligen Pfarrkirche St. Georg begrüßen zu können. Die Anwesenden würden nicht nur in ihre Heimat zurückkommen, sondern viele zeigten ihr Interesse an der Geschichte Grafenrieds, und wertschätzten auch die archäologischen Arbeit, die in den vergangenen Jahren geleistet wurde. Grafenried sei zu einem Ort der Versöhnung und Völkerverbindung geworden. Deutsche und Tschechen reichten sich hier die Hand und zeigten Wertschätzung und Achtung vor dem Anderen. Gerade in einer Zeit, wo Extremismus und Fanatismus herrschten, sei dieser Ort und dieses Treffen Vorbild für ein grenzüberschreitendes gutes Miteinander. Eine gemeinsame Erinnerungskultur zeichne diesen Ort aus, der Mahnmal der Vereinigung geworden ist. Als sensationelle Entdeckung bezeichnete Schrödl den Fund der Grafenrieder Orgel, die 1789 gebaut wurde und über 150 Jahre in Gottesdiensten in der Pfarrkirche Grafenried erklang. Dass der damalige Geistliche die Orgel vor der Sprengung der Kirche abgebaut habe, grenze an ein Wunder. Auch dass diese durch Zufall gefunden und die Zeit relativ gut überstanden hat, bezeichnete Schrödl als kleines Wunder. Nun werde diese in einer Orgelwerkstatt originalgetreu restauriert. Nach der Restaurierung werde diese im Musikkonservatorium in Brünn Studenten zur Verfügung stehen. Nach Brünn komme die Orgel, weil die Grafenrieder Kirche nicht mehr existiere, sich in der Umgebung aber kein passender Ort befindet. Da von staatlicher Seite die Zuschüsse für die Restaurierung nur spärlich vorhanden seien, hat man eine grenzüberschreitende Spendenaktion gestartet. Sämtliche Spenden, versicherte Schrödl, „sind ausschließlich für die Restaurierung der Orgel bestimmt“.

Zum Schluss galt Schrödls Dank all denen, die den historischen Ort in mühevoller Arbeit freigelegt haben und seinen Erhalt sichern. Stellvertretend nannte er Hans Laubmeier, Helmut Roith, Alois Rötzer, Zdenek Procházka und vor allem Zuzana Langpaulova. Ihrem Einsatz sei es zu verdanken, dass viele Überreste des alten Grafenried wieder zum Vorschein kamen und in einem Freilichtmuseum erhalten bleiben. Zum Schluss sangen alle mit dem Aster Kirchenchor das Grafenrieder Lied. Im Anschluss trafen sich alle im Gasthaus „Zum Deutschen Eck“ in Steinlohe zum Heimattreffen.

wbf