Städtische Galerie Cordonhaus
Mit Alex Geis und Paul Wesenberg zeigen Künstler von Weltformat ihre Werke in Cham

01.05.2024 | Stand 01.05.2024, 19:00 Uhr

Vernissage der Ausstellung „The Third Element“ der Künstler Alex Geis und Paul Wesenberg zusammen mit Galerieleiterin Anjalie Chaubal und Bürgermeister Martin Stoiber (v. re.) Fotos: Schönberger

„Trotz der medialen Bilderflut im Alltag des 21. Jahrhunderts gibt es sie noch, die Malerei“. Bis auf den heutigen Tag schaffe sie es immer wieder, sich neu zu erfinden und die Illusion einer Wirklichkeit herzustellen, die eine mögliche Sicht auf die Dinge darstelle. So begann Galerieleiterin Anjalie Chaubal am Samstagabend ihre Laudatio zur neuen Ausstellung im Cordonhaus.

Sie hatte die Idee, zwei bildende Künstler von Weltformat zusammenzubringen, um gemeinsam knapp 30 ihrer Werke des letzten Jahrzehnts und überwiegend der letzten drei Jahre zu präsentieren.

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Der Titel der Exposition „The Third Element“, die „dritte Dimension“, beziehe sich, so Bürgermeister Martin Stoiber in seinem Grußwort vor über 50 Kunstinteressierten, laut den beiden anwesenden Malern Axel Geis und Paul Wesenberg auf etwas Übersinnliches – neben dem Kopf, also dem Denken, und dem Bauchgefühl. Mit „wieder neue Eindrücke sammeln und sie mit nach Hause nehmen können“, umschrieb Stoiber den Gehalt der Werke.

Beide Künstler stammen nicht aus Berlin, leben aber dort, und sind etwa gleich alt. Jeder formuliert aus seiner Perspektive eine neue Qualität zeitgenössischer Malerei. Ihre Bilder sind in Kenntnisnahme des medialen Bilderflusses entstanden, aber nicht dessen ästhetische Folge. Einerseits arbeiten sie mit klassischen Materialien der Malerei wie Farbwirkung und Farbauftrag, Oberflächenstrukturen, Figur und Grund. Andererseits könnten ihre neuen Positionen auf den ersten Blick kaum unterschiedlicher sein. Doch für den kulturellen Kontext der Stadt, die seit dem Mauerfall aus der Dynamik eines „Schmelztiegels“ lebt, ist das kennzeichnend. Der Kunstkritiker Christoph Tannert beschreibt sie als „Pluriversum höchst unterschiedlicher ästhetischer Perspektiven“, in dem beide Künstler „typische Protagonisten“ seien.

Chaubal ging auf deren Eigenarten ein. Geis, einer der Stars der figurativen Malerei, greife auf Fotografien, Filmszenen und ikonische Bilder der Kunstgeschichte zurück. Er verbinde in seinen Ölarbeiten auf Leinwand das Romantische und Geheimnisvolle mit dem Situativen und Spontanem. Dabei jongliere er virtuos mit den Traditionen malerischer Produktion.

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Seine Figuren reflektierten mit ihrer Gestik oder Mimik ihr Inneres und ihre Gefühle– sowohl im übergroßen Format (199 x 288 cm) bei „Frau mit Flügel“ wie in der siebenteiligen Serie übermalter Postkarten mit Porträts „en miniature“ im Foyer. Ihre Haltung sei meist nur angedeutet, und Körperteile seien mit Farbschichten überdeckt, wie etwa die Beine der Ballerina „Natalie“ im rosa-weißen Ballettkleid oder alle Gliedmaßen beim mystischen Frauenbildnis „Sarah“. Beim in Blau gehaltenem „Torero“ von 2020, der zudem dem Betrachter den Rücken zuwendet, verschwinden sie gar in den Tiefen des Bildraums. Bei „Im Theater“ schaut ein gelangweilter Jüngling in einer Guckkastenbühne eher in sich als auf seine Spielpuppen, die er gedankenverloren hin- und herschiebt.

Im Gemälde „Pferd“ ist sehr gegenstandsnah Zazou, der gestohlene Hengst des tschetschenischen Anführers Ramsan Kadyrow, dargestellt. Geis verändere auch wagemutig Meisterwerke der Malerei wie „Napoleon“ hoch zu Ross, das in „Letizias Sohn“ nur noch von der Komposition her weiter leben dürfe. Wie mit schelmischer Freude scheine er sich Bilderwelten zu bedienen und zu seinen eigenen Bildern zu verwandeln. Seine Personen scheinen zwischen sichtbaren Pinselstrichen auf der Bildfläche zu schweben.

Zum Schweben bringt auch Wesenberg viele seiner Werke, seien es deren Farben oder mit Induktionsstrom und Magnetismus arbeitende Objekte. Er experimentiere stark mit den Materialien auf und mit der Malhaut zwischen Zwei- und Dreidimensionalität und zeige große Lust, sein Bild möglichst wirkungsvoll zu präsentieren. Dabei stelle er klassische Herangehensweisen infrage: Warum Farbe „auf“ der Leinwand malen, die doch als Untergrund auch zur Oberfläche werden könne? Das Wie des Malens hat Vorrang vor dem Was. Jedes Gemälde entsteht aus sich selbst heraus, geschieht von selbst.

Auch wenn der Künstler den Pinsel führt, nimmt es ihn bei der Hand. Im runden Gemälde „Weidwerk“ mit 140 Zentimetern Durchmesser schlägt ein Greifvogel einen Hasen, doch durch einen als weiße Gerade dargestellten Schuss kommen beide zu Tode.

In der Serie „Wunderbilder“ entsteht die Komposition durch Risse des Leinwandstoffes, aus dessen Durchbrüchen die Farbe in langen, erstarrten Tropfnasen aus dem Untergrund herausfließe. Dabei verwende er neben Ölfarbe auch Ölhäute, Metallfolie und lackierte Formmasse. Bei einer anderen Serie, „The Miracle of Painting“ mit einem gar zwei Meter großen, auf einem Gestell liegenden Objektkasten, bewegen sich einzelne Farbpartien knapp über der liegenden Leinwand und regen zur nachdenklichen Betrachtung an.

cds