„Zuzeln“ und „Zwölfeleuten“
Ein kleiner Weißwurst-Guide: Vom Mythos im Schweinedarm

07.02.2024 | Stand 22.02.2024, 22:17 Uhr

Die Weißwurst darf das „Zwölfeleuten“ nicht erleben - was damit gemeint ist und woher der Ausdruck kommt - unser kleiner Weißwurst-Guide verrät es Ihnen. − Foto: picture-alliance/dpa

Für kaum ein anderes bayerisches Gericht gibt es so viele Regeln und Mythen wie für die Weißwurst. Stichwort „Zuzeln“ oder „Zwölfeleuten“ (Anm. d. Red. für alle Nicht-Bayern: wenn die Kirchenglocken 12 Uhr mittags schlagen). Wir haben einen kleinen Weißwurst-Guide zusammengestellt.



Dass seine „Notlösung“ einmal bayerisches Kulturgut werden würde, hätte sich der „Moser Sepp“, Wirt im „Gasthaus zum ewigen Licht“ am Münchner Marienplatz anno 1857 wohl nicht gedacht. Dem Wirtsmetzgermeister sind just am Faschingssonntag die feinen Schafsdärme für seine Bratwürstl ausgegangen. Er schickte also den Lehrling los, um neue zu holen. Und man hört ihn buchstäblich „der ganze Bua a Depp“ schreien, als der Bub mit viel größeren, dickeren Schweinsdärmen zurückkam. Was sollte er aber machen? Die Wirtsstube voll, die hungrigen Gäste warteten auf ihr Essen. Also füllte er die groben Därme trotzdem mit dem feinen Kalbsbrät. Aus Angst, die Würste könnten beim Braten aber platzen, brühte er sie in siedendem Wasser. Zu seinem großen Erstaunen waren die Gäste vom Ergebnis begeistert - am 22. Februar 1857 wurde demnach die Münchner Weißwurst geboren.

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Stammt die Weißwurst aus Frankreich?

Zumindest erzählen das die Bayern gerne. Dass es in Frankreich schon im 14. Jahrhundert gekochte Kalbswürste gab, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch noch Boudin Blanc (weiße Wurst) genannt wurden - wen interessiert das schon.



Wichtig ist ja schließlich, wie man die Wurst isst. Und wann. Zumindest inner- beziehungsweise unterhalb des Weißwurst-Äquators ist das von Bedeutung. Ja, den gibt es nämlich auch. Ganz strenge Weißwurst-Liebhaber sagen, 100 Kilometer rund um München, dann ist Schluss. Andere sehen die Donau als Grenze, ganz Liberale akzeptieren auch noch den Main. Aber die sind eher in einer Mini-Minderheit.

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Weißwurstäquator-Denkmal in Zwiesel

De facto wäre dann aber der gesamte Bayerwald eher kein Weißwurst-Land gewesen. Die Zwieseler fanden das nicht so toll und verlegten den Weißwurstäquator 2013 auf den 49. Breitengrad - und untermauerten das geografische Manifest kurzerhand mit der Enthüllung eines Weißwurstäquator-Denkmals an der B11.

Aber egal ob unter, über oder auf dem Weißwurstäquator, es gilt: die Weißwurst darf das „Zwölfeleuten“ nicht erleben. Aber warum eigentlich? Das hat ganz praktische Gründe. Im 19. Jahrhundert gab es noch keine Kühlschränke. Kalbsbrät ist aber schnell verderblich, daher mussten die morgens zubereiteten Würste zeitnah verzehrt werden, da sie nachmittags schon nicht mehr genießbar waren. Heute freilich ist das überholt, die Tradition aber ist geblieben. Wobei es heute kaum ein Wirtshaus in Bayern geben wird, dass einem Gast die Weißwurst als Abendessen verweigern wird. Von der privaten Küche ganz zu schweigen.

No-go: Ketchup oder Mayo zur Weißwurst

Und wie isst man die Weißwurst nun richtig? Daran scheiden sich die Geister, was zugleich aber auch der Grund für die Popularität der Weißwurst ist. Wichtig natürlich zunächst: die „Beilagen“. Breze, Weißbier und süßer Senf. Alles andere gilt als Fauxpas. Absolute No-gos: Ketchup oder Mayo.

Und wie kommt die Wurst nun in den Magen? Der Traditionalist zuzelt. Er saugt das Kalbsbrät aus dem Darm. Und warum macht er das? Auch hier liegt die Antwort in der Geschichte. Mitte des 19. Jahrhunderts waren Messer und Gabel in den Wirtshäusern noch nicht selbstverständlich. Die Weißwurst war quasi eines der ersten Fast- oder Fingerfoods der entstehenden Moderne.

Aber zugegeben - besonders appetitlich ist das Zuzeln nicht. Aber auch wer die Weißwurst mit Messer und Gabel konsumiert, muss sich an bestimmte Regeln halten. Einmal der Länge nach halbieren, dann quer. Die Füllung der Viertel dann mit dem Messer von der Haut schaben und genießen. Erfordert er bisschen Übung, aber ist machbar. An Guadn!