Extremismus
Oktoberfest-Attentat: Kampf um Anerkennung und Geld

26.09.2023 | Stand 28.09.2023, 6:12 Uhr

Gedenkfeier Oktoberfest-Attentat - Die Gedenkveranstaltung fand zum 43. Jahrestag des Oktoberfest-Attentats von 1980 statt. - Foto: Peter Kneffel/dpa

Vor 43 Jahren erschütterte ein Attentat das Oktoberfest. 12 Menschen starben, mehr als 200 wurden verletzt. Beim Gedenken zum Jahrestag gab es Kritik am Umgang mit den Opfern. Und das juristische Nachspiel geht in eine neue Runde - mit einer weiteren Klage.

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat zum 43. Jahrestag des Oktoberfest-Attentats auch an Unrecht erinnert, das Überlebende und Opfer-Angehörige beim späteren Umgang mit Behörden erfuhren. Das reiche von fehlender Versorgung und Betreuung über Mangel an Verständnis bis zu Erfahrungen von Ausgrenzung und Abwiegelung, sagte Reiter am Dienstag beim Gedenken am Festgelände. Zudem wurde bekannt, dass dem Freistaat erneut eine Klage im Zusammenhang mit dem Anschlag ins Haus steht.

Am 26. September 1980 riss eine Bombe zwölf Wiesn-Besucher und den rechtsextremen Täter Gundolf Köhler in den Tod. Es gab mehr als 200 Verletzte. Der Anschlag wurde als Tat eines Einzelnen aus privatem Frust eingeordnet. Erst 2020 stellte die Bundesanwaltschaft fest, dass Köhler aus rechtsextremistischer Motivation handelte. Es war der schwerste rechtsextreme Anschlag in der bundesdeutschen Geschichte.

Der beharrliche Kampf um Anerkennung des persönlichen Leids ebenso wie der staatlichen Schuld zeige nun zunehmend Wirkung, sagte Reiter. Diesem Engagement sei wesentlich mit zu verdanken, dass die Versorgung von Gewaltopfern heute deutlich besser sei und weiter verbessert werde. Zeichen seien das neue Entschädigungsrecht ab 2024 und speziell ausgebildete Fallmanagerinnen und -manager, die den Umgang mit Betroffenen in den Versorgungsämtern verbessern sollen.

Der bei dem Attentat schwer verletzte Robert Höckmayr sagte, es sei klar, dass kein Staat der Welt seine Bürgerinnen und Bürger absolut schützen könne. «Aber jeder Staat kann dafür sorgen, dass er nach einer Terrortat konkrete, praktische Hilfe bietet.» Höckmayr hatte 1980 als Zwölfjähriger zwei kleine Geschwister verloren, immer wieder stritt er auch vor Gericht für seine Rechte. Was ihn im Kontakt mit Betroffenen anderer Terroranschläge umtreibe, sei, dass sie im Kern dasselbe beklagten wie er: Unzureichende Hilfe, fehlende Ansprechpartner und Mangel an Empathie bei den Behörden.

Nun zieht Höckmayr nach Informationen des Bayerischen Rundfunks (BR) erneut vor Gericht. 2016 hatte er auf Entschädigungszahlungen geklagt und sich 2021 mit dem Freistaat auf eine Erhöhung seiner Grundrente von 50 auf 60 Prozent geeinigt. Nun ging Ende August beim Sozialgericht München erneut eine Klage ein, wie das Gericht auf Anfrage bestätigte. Nach Angaben seines Anwalts Alexander Frey will er einen finanziellen Ausgleich für berufliche Nachteile, die er durch seine massive Verletzung erlitten habe.

An jenem verhängnisvollen Tag war Höckmayr 12 Jahre alt - und voller Zukunftspläne. Er träumte von einer Arbeit bei der Feuerwehr, der Bundeswehr oder beim Sanitätsdienst. «Da hätte er eine sehr schöne Karriere machen können mit einem schönen Gehalt», sagte Frey. Aufgrund seiner massiven Verletzungen sei dies aber nicht möglich gewesen, auch wenn er immer wieder versucht habe, dort unterzukommen.

Nicht mal eine Ausbildung habe er machen können, stattdessen habe er sich jahrzehntelang mit Hilfsarbeiter-Jobs durchschlagen müssen, erzählte Höckmayr dem BR. Auf den Wunsch, über die dadurch erlittenen Nachteile zu sprechen, gingen die Behörden nach Angaben Freys nicht ein. Deshalb gebe es nun diese Klage gegen den Freistaat Bayern.

Reiter blickte auch zurück auf die Gesellschaft der 1980er Jahre, in der sich eine gefährliche rechte Szene entwickelt hatte. Vor allem mit den bewaffneten sogenannten Wehrsportgruppen habe sich damals in Deutschland ein strukturierter Rechtsterrorismus herausgebildet.

Der Attentäter Gundolf Köhler hatte zeitweise der Wehrsportgruppe Hoffmann angehört - die damals von der Politik verharmlost wurde.

Seit 40 Jahren organisiert die DGB-Gewerkschaftsjugend mit dem Kulturreferat das Gedenken. Zum 40. Jahrestag kam mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erstmals ein deutsches Staatsoberhaupt zum Jahrestag. Nun ist das Gedenken wieder ein lokales Ereignis - und kurz nach Kranzniederlegung und Ansprachen öffnen die Festzelte.

© dpa-infocom, dpa:230925-99-330295/5