Premiere am Bismarckplatz
Bei der neuen Regensburger Gala: Am Ende drehen alle im Saal am Rad

28.04.2024 | Stand 03.05.2024, 11:41 Uhr
Andreas Meixner

Bestens gelaunt, mitreißend und sängerisch exzellent: die Solisten des Musiktheaters und der Opernchor bei der Gala „I am what I am“. Foto: Sylvain Guillot

Die Revue startet etwas bemüht, aber dann bricht eine Riesen-Party los. Solisten und Opernchor zeigen sich bestens gelaunt und singen so exzellent wie mitreißend.

Eine Opern-, Operetten- und Musical-Gala ist ja schnell Stückwerk, ein Highlight-Sammelsurium aus aktuellen und gerade erst abgespielten Produktionen. Dramaturg Ronny Scholz hat daraus unter dem Titel „I am what I am“ auf einer riesigen, frei stehenden und drehbaren Showtreppe eine launige Revue konzipiert, die Gabriel Pitoni inszeniert bzw. szenisch eingerichtet und choreografiert hat – als „Plädoyer für Vielfalt, Akzeptanz und Sichtbarkeit“, als buntes Kaleidoskop existenzieller Lebenskämpfe und exaltierter Lebensfreude.

Mit dem Opernchor versammelte sich bei der Premiere am Samstagabend ein großer Teil des Regensburger Solisten-Ensembles, um unter der souveränen und umsichtigen Leitung von Harish Shankar am Pult einen weiten Bogen zu spannen: von Mozarts „Don Giovanni“ über Arien aus Georges Bizets „Carmen“, Antonín Dvořáks „Rusalka“ und Erich Korngolds „Die tote Stadt“ bis zu Operetten und Musicals von Joseph Beer, Franz Lehár, Leonard Bernstein, John Kander, Mitch Leigh und Nico Dostal.

Lesen Sie mehr: Systemsprengerin der Kunst: Liliane Ljin in München

Nach dem Opener – der Verwandlungsmusik aus der international gefeierten Wiederentdeckung von Beers Operette „Der Prinz von Schiras“ – wurde es allerdings erst mal dramaturgisch zäh, was gar nicht so sehr mit der künstlerischen Güte zu tun hatte. Vielmehr entpuppten sich die Hits aus Opern als wenig glamourtauglich und traten nur bedingt in Beziehung zueinander, trotz bemühter szenischer Verzahnungen.

Der sängerischen Leistung von Svitlana Slyvia, Seymur Karimov, Theodora Varga, Jonas Atwood und Carlos Moreno Pelizari tat das jedoch keinen Abbruch: Es war die erwartbare Leistungsschau eines derzeit herausragenden Musiktheater-Ensembles, das sich in keinem Genre auch nur ansatzweise eine stilistische Blöße gibt.

Spätestens mit dem Song „Glitter and Be Gay“ aus „Candide“ (Kirsten Labonte im atemberaubenden langen Abendkleid, Ausstattung: Kristopher Kempf) und mit „I want to Be a Primadonna“ aus „The Enchantress“ von Victor Herbert (Scarlett Pulway) öffneten sich die Tore der versprochenen schillernden Gala weit, mit außerordentlichen sängerischen Darbietungen. Bei Titeln aus dem „Prinzen“ und aus „Die Lustige Witwe“ stieg die Laune im Saal, mit „Katzenaugen“ und „Eins, zwei, drei und herunter mit dem Wein“ erreichten Musiker und Gäste gar dieselbe Betriebstemperatur.

Lesen Sie mehr: Am Theater Regensburg: Keine Lust auf Krieg

Spätestens ab diesem Zeitpunkt gehörte der Abend ganz dem Sänger-Trio Felix Rabas, Fabiana Locke und Alejandro Nicolás Firlei Fernández. Rabas hüpfte herrlich überdreht über die Bühne. Locke betörte mit großer Geste und Szenenpräsenz (großartig: „Yo soy Maria“ aus Astor Piazzolas „Maria de Buenos Aires“). Und Firlei Fernández zog mit der herzzerreißenden Travestie-Nummer „Mascara“ (aus Jerry Hermans „Ein Käfig voller Narren“) und mit dem köstlichen „Adolpho-Song“ (aus Lisa Lamberts „Hochzeit mit Hindernissen“) alle Register der dramatischen und komödiantischen Schauspielkunst eines großen Sängers. Kirsten Labonte und Jonas Atwood ließen sich von ihm anstecken, begeisterten in unterschiedlichster Finesse mit „Man spricht heut nur noch von Clivia“ und der grandiosen Hymne „The Impossible Dream“ (aus Mitch Leighs „Der Mann aus La Mancha“).

Inmitten dieses zunehmend fiebrigen Treibens betrat als Special Guest der große Chansonnier Tim Fischer mit seinem Pianisten Thomas Dörschel die Bühne. Er sang leise von der Rinnsteinprinzessin und Gelegenheitsbraut. Und er performte unnachahmlich Friedrich Hollaenders artistischen Stroganoff-Song, ehe er in seinem schwarz-silbrigen Glitzer-Anzug so unaufgeregt im Dunkel verschwand, wie er gekommen war.

Lesen Sie mehr: New Yorks Vielstimmigkeit im Jazzclub Regensburg

Firlei Fernández eröffnete schließlich mit „I am what I am“ fulminant das Finale des Abends und mit „Time Warp“ aus der Richard O’Briens „Rocky Horror Show“ drehten dann alle Menschen auf der Bühne und im Saal völlig am Rad. Das war irgendwie auch keine Gala mehr, aber eine Riesen-Party allemal. Und die hatte im Grunde schon lange vorher begonnen: Wer in den Orchestergraben blickte oder dem Opernchor beim Singen und Tanzen folgte, sah überall richtig viel Spaß in den Gesichtern. Das Publikum riss es von den Stühlen. Und damit ist doch alles erreicht.