Konzert beim Jazzclub
Fauchende Tuba, sägendes Schlagwerk: Trio reißt das Publikum in Regensburg mit

19.04.2024 | Stand 19.04.2024, 19:00 Uhr
Michael Scheiner

Michael Godard lässt seine Tuba wie in einer magischen Fabelwelt fauchen und auf Zehenspitzen tanzen. Er gastiert im Trio Biondini-Godard-Niggli beim Jazzclub Regensburg. Foto: Michael Scheiner

Die Gäste im Leeren Beutel wippen mit, saugen die Musik geradezu auf und lassen keines der Soli ohne begeisterten Beifall: Das war der Abend mit der vorzüglichen Formation Biondini-Godard-Niggli.

Das Blau, von dem das nicht mehr ganz neue Album „Mawi“ erzählt, findet sich beim Auftritt des italienisch-schweizerisch-französischen Trios Biondini-Godard-Niggli sogar auf der Bühne im Leeren Beutel. Die Farbe, die man sieht, wenn man die Erde vom All aus betrachtet, ein klares ansprechendes Blau, macht als mattschimmernde Nuance die Tuba von Michel Godard zu einem Hingucker.

Zu sehen gibt es beim neuerlichen Konzert der fröhlichen Musikanten nach einem Jahrzehnt auch sonst einiges. Neben der auffälligen Tuba, Godards Hauptinstrument, hängt in einem Ständer eine Serpent. Diesen rotbraun glänzenden Vorläufer der Tuba hätte man weit eher in einigen Wochen bei den Tagen Alter Musik erwartet, kaum aber bei einer Jazzkapelle. Godard hat diese „Schlange“ in die moderne Welt des Jazz eingeführt. Tatsächlich ist der Franzose auch im Bereich der Alten Musik unterwegs und lehrt Serpent am Pariser Konservatorium.

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Im Trio mit dem virtuosen Akkordeonisten Luciano Biondini und dem musikalisch gewitzten und zugleich feinfühligen Schweizer Drummer Lucas Niggli spielt Godard seit über anderthalb Jahrzehnten. Alle drei steuern Kompositionen für die Besetzung bei und haben dennoch erst zwei Alben bei Intakt Records veröffentlicht. Beim Jazzclub im Leeren Beutel stellten sie Stücke aus beiden Alben vor, beginnend mit Biondinis „Prima del Cuore“. Darin lässt Godard seine Tuba zwar wie in einer magischen Fabelwelt fauchen und auf Zehenspitzen tanzen, als Schmachfetzen, wie beim Titel vielleicht zu erwarten, geht die Nummer allerdings keine Sekunde durch. Vielmehr zeichnet die Musik des Trios eine große Vielseitigkeit mit Einflüssen volksmusikalischer Tänze, Reggae, Klassik und anderen europäischen Traditionen aus. Kombiniert mit rhythmischer Vielfalt und einem im Jazz eher seltenen melodischen Reichtum macht das einen guten Teil der Attraktivität des Trios aus. Die zeichnet sich auch im Publikum aller Altersstufen ab, das die Musik regelrecht aufsaugt. Richtig mitreißend wird der Auftritt aber vor allem durch die Spielfreude der drei Musiker, die vom Publikum noch angefeuert wird. Das geht wippend, applaudierend und mit anerkennenden Rufen sicht- und hörbar mit, lässt keine der vielen solistisches Meisterleistungen von Biondini und Godard ohne begeisterten Beifall.

Hat die Tuba in Form des Sousaphons eine lange Tradition im Jazz, erlösten erst Art van Damme und vor allem zeitgenössische Akkordeonisten ihr Instrument aus der Unsichtbarkeit eines Nischendaseins. Dabei sind es häufig Musiker aus Frankreich, Österreich und Italien, wie Biondini, der ein chromatisches Knopfakkordeon spielt, die die Möglichkeiten des Blasebalg-Instruments mit fantasievollen Improvisationen bis hin zu geräuschhaften Sounds ausloten.

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Niggli steht, obwohl aufgewachsen in Kamerun, mit beiden Beinen in der großen schweizerischen Trommel- und Schlagwerktradition. In Stücken wie „Powerplay“ haut er schon mal rein, dass einem die Grooves hart um die Ohren fliegen. Dann wieder setzt er filigrane Akzente, tupft leise, setzt Plastikrohre, Bündel, Besen oder dünne Metallstäbe ein, mit denen er am Rand der Snare entlang sägt und schnarrt. Er liefert sich wunderbare Duette und pfiffige Zwiegespräche mit Biondini und Godard. Letzterer greift auch zweimal zum E-Bass, den er legato und so formidabel weich spielt wie kein anderer Jazzbassist. Das dunkle Serpent mit seinem ungewöhnlichen Klang setzt er virtuos ein. „War wieder ein richtiges Vergnügen“, kommentiert ein Besucher das Konzert später auf Facebook. Da kann man nur beipflichten.