Die Kunst der Grimasse
Komiker-Duo Ulan & Bator begeistert mit „Krazy Kabarett“ in der Alten Mälze

25.03.2024 | Stand 25.03.2024, 17:50 Uhr
Hannah Eder

Unter Sebastian Rügers (li.) und Frank Smilgies‘gestreiften Mützen steckt eine schier unendliche Zahl absurder und urkomischer Sketche. Foto: Hannah Eder

„Krazy Kabarett“ mit dem Komiker-Duo Ulan & Bator: In Regensburg zeigten sie ihr preisgekröntes Programm.

Es ist wieder Kleinkunstfrühling in der Alten Mälzerei. Im Hintergrund spielt leise Loungemusik, zwei ernsthaft dreinblickende Herren in grauen Anzügen treten auf die Bühne und setzen sich auf die bereitgestellten Stühle. Man wartet gespannt, bis es losgeht. Wer hier auf wen wartet, ist allerdings nicht ganz klar. Zur Sicherheit wird im Publikum zaghaft geklatscht. Die beiden Herren klatschen ebenfalls. Hoppla, was nun?

Die beiden Herren, das sind Sebastian Rüger und Frank Smilgies, die sich Anfang der 2000er Jahre nach ihrem Schauspielstudium und Engagements an diversen Theatern als Kabarett-Duo Ulan & Bator zusammengefunden haben. Wer von ihnen Ulan und wer Bator ist, bedarf noch finaler Klärung. Mit ihrem Programm „ZuKunst“, für das das Duo 2022 mit dem deutschen Kabarettpreis ausgezeichnet wurde, gastierten sie vergangenen Samstag in Regensburg.

Ernsthaft bleibt es dabei nicht lange. Sobald die Kabarettisten nämlich ihre charakteristischen gestreiften Mützen aufsetzen, entspinnt sich vor den Augen des Publikums ein wahnsinniger Fiebertraum. In kurzen, episodischen Sketchen jagt eine Absurdität die nächste. Aus dem Sportgeschäft geht es in die Bahn, die Sportschau, die schwedische Akademie der Wissenschaften – der kreativen Fantasie scheinen keine Grenzen gesetzt. Zwischendurch fallen große Namen – Borchert, Žižek, Van Gogh – und es schleicht sich das Gefühl ein, dass man die philosophische Tiefe mancher Sketche nur erahnen kann. Andere Gags dagegen, wie die Zitronenfalter im Gleisbett vor Berlin-Südkreuz, warten mit eingängigerem, aber nicht weniger kreativem Humor auf.

Ulan & Bator verhandeln an diesem Abend menschliche Verfehlungen aller Art – von fingierten Ehekrisen oder den Unzulänglichkeiten des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs bis hin zum individualistischen Geltungsbedürfnis der Menschheit. Ganz nach Brecht’scher Manier spielen die beiden Mützenträger in einer konzertierten Mischung aus groteskem Theater, musikalischen Einlagen und hochkomplexem Humor mit der Irritation des Publikums. Allein die lautmalerische und pantomimische Gestaltung einzelner Sketche ist ein Genuss.

Nicht nur die Stimme, sondern der gesamte Körper wird hier zur Projektionsfläche für Absurditäten aller Art. Da ist zum Beispiel der gefährlich geifernde „Zwerg aus Käse“, das pelzige Überbleibsel eines lange übersehenen Mindesthaltbarkeitsdatums im Kühlschrank, der von Rüger zum „fleischgewordenen Symbol unserer menschlichen Verfehlung“ inszeniert wird. Oder die Kostprobe aus dem fiktiven modernen Opus „Gaumensegel Dekonstruktion“, bei dem das Duo ekstatisch mit ihren Stühlen über das Parkett der Alten Mälzerei schrammt.

Ganz nebenbei kratzen sie auch an der Frage, die bereits im Titel des Programms mitschwingt: Was gilt denn eigentlich als Kunst und Kultur? Besonders kritisch nehmen sie sich der seichten deutschen Abendunterhaltung an, verbannen Rosamunde Pilcher kurzerhand ins Jenseits und Veronica Ferres ins Kloster. Bierzelt-Schlager und Deutschpop werden in schrägen Gesangseinlagen bis kurz vor die Unkenntlichkeit verzerrt und das literarische Quartett erfährt eine skurrile Neuauflage. Viele der dargestellten Szenarien wecken trotz ihrer Skurrilität klare Assoziationen zum Alltagsgeschehen.

Sie sind gekommen, um die Grenzen der Realität auszuhebeln – und beim abschließenden begeisterten Applaus des Publikums, zeigt sich, das hat fabelhaft funktioniert. Nachdem sie die Mützen wieder abgenommen haben, folgt die Rückkehr ins Jetzt. Doch der nächste Fiebertraum steht kurz bevor, denn ein neues Programm ist bereits ausgeheckt: Mit „UndSinn“ werden Ulan & Bator am 24. Mai im Lustspielhaus München Premiere feiern.