Der HSV steht wieder vor dem Scheitern. Nach dem einseitigen 0:3 in Stuttgart spricht nicht mehr viel für die Bundesliga-Rückkehr. Der Zweitligist gibt sich aber kämpferisch - und hat eine Hoffnung.
Großes Schweigen am Volkspark einen Tag nach dem Tiefschlag im Relegations-Hinspiel: Vorwiegend die Ersatzspieler des Hamburger SV machten sich am Freitagmittag zu einer kleinen Laufeinheit auf, die anderen Spieler blieben im Kraftraum.
Keine Autogramme für die wenigen Fans, keine Fotos, kein Lächeln. Auch Trainer Tim Walter zeigte sich am Tag nach der 0:3-Demütigung bei seinem früheren Club VfB Stuttgart nicht.
Wenig spricht nach der ersten Halbzeit der Relegation noch für den Zweitliga-Dritten. Der schwache Auftritt seiner Spieler war zu ernüchternd. Die Beletage des deutschen Fußballs bleibt auch nach fünf Jahren Zweitklassigkeit wohl weiter ein Sehnsuchtsort für die Hamburger.
Hoffnung auf die Fans und den Volkspark
HSV-Coach Walter setzt auf Hilfe von außen: auf die Fans. Auf die Frage, was ihn noch optimistisch stimmen würde, antwortete er: «Der Volkspark.» Doch ohne ein Wunder wird das erneute Scheitern am Montag (20.45 Uhr/Sat.1 und Sky) Gewissheit werden. «Wir müssen uns strecken, dass wir am Montag vielleicht das Unmögliche möglich machen. Wir geben auf jeden Fall nicht auf», sagte Walter. Mehrfach richtete er nervös sein Mikrofon bei der Pressekonferenz, er sprach von einem «gebrauchten Tag».
Die Hamburger klammern sich an die besondere Atmosphäre im ausverkauften Volksparkstadion, die Wucht der 57 000 Zuschauer und den Fakt, dass es noch eine zweite Chance gibt. Was jetzt Hoffnung mache? «Dass es noch ein Rückspiel gibt», sagte HSV-Kapitän Sebastian Schonlau. «Es kann doch nicht mehr schlimmer werden. Was soll uns passieren?», sagte der Abwehrchef. «Ab jetzt kann es nur noch bergauf gehen. Daraus kannst du auch Kraft ziehen. Wir spielen zu Hause. Die Fans werden uns nach vorne treiben.»
Auch Mannschaft bleibt optimistisch
Trotz allem gaben sich die HSV-Spieler Mühe, Optimismus zu verbreiten. Ihre Stimmen klangen aber wenig. Beispielsweise bei Daniel Heuer Fernandes. «Wir müssen weiter an uns glauben. Jeder, der uns kennt weiß, dass wir Rückschläge schon verkraftet haben», sagte der Torhüter, der eine höhere Niederlage verhindert hatte.
Der VfB Stuttgart überzeugte wie selten in dieser Saison. Die Schwaben zeigten mehr Offensivpower, mehr Tempo, mehr Qualität als der Gegner aus dem Norden. Von Beginn an demonstrierten sie, dass sie am Ende einer Saison mit viel Frust in die erste Liga gehören.
Das mündete in dem schnellen 1:0 von Konstantinos Mavropanos (1.) und nach der Pause in den Toren des früheren HSV-Profis Josha Vagnoman (51.) und von Serhou Guirassy (54.). Nicht nur VfB-Sportdirektor Fabian Wohlgemuth erkannte einen «Ligenunterschied».
HSVs Schwachstelle: Abwehrverhalten
Ein wenig Zuversicht macht dem HSV vielleicht noch, dass der VfB selbst in den vergangenen Monaten für Negativerlebnisse gut war und angesichts seines Chancenwuchers eine glänzendere Ausgangsposition vergab. Das Gastspiel im Südwesten offenbarte jedoch einmal mehr die Abwehrschwächen der Hamburger, die auch ein Grund für den verpassten direkten Aufstieg gewesen waren. So waren «Zweite Liga, Hamburg ist dabei»-Gesänge zu hören, als die HSV-Profis über die Stuttgarter Stadion-Baustelle in die Katakomben schlichen.
Die Bilanz spricht ohnehin gegen den HSV: Wieder einmal scheint sich in den Entscheidungsspielen der Erstliga-16. durchzusetzen. Die Statistik sprach nach dem 0:3 noch mehr gegen die Hamburger als ohnehin schon. In den sechs von 24 Duellen, in denen der Aufstieg des Zweitligisten gelang, hatte keiner der Clubs das Hinspiel verloren.
«Mit Sicherheit» habe es auch an der individuellen Qualität gelegen, räumte Walter ein und kritisierte seine Defensive vor allem bei den zwei Gegentoren nach Eckbällen. «Mir fehlt einfach die Konsequenz», haderte der 47-Jährige: «Wir haben als Team nicht so agiert, wie ich mir das vorstelle. Nur wenn wir 100 Prozent da sind, können wir Spiele gewinnen.»
Glaube an die Mannschaft
Für Walter endete die Rückkehr nach Stuttgart, wo er 2019 nach nur einem halben Jahr als Trainer gescheitert war, mit dem nächsten schweren Rückschlag. Offensiv hatte der Coach wie Sportvorstand Jonas Boldt davon gesprochen, dass es nach dem verpassten Aufstieg in der Relegation 2022 gegen Hertha BSC Zeit sei für die Bundesliga-Rückkehr.
Nun blieb ihm nur der Trotz. «Ich vertraue meiner Mannschaft zu hundert Prozent. Wenn wir zu Hause mit unseren Zuschauern, ein schnelles Tor schießen und gut reinkommen, dann wird das getoppt», sagte der Coach bei Sky. Darauf habe er seine Elf eingeschworen. «Ich habe ihnen gesagt, dass wir alles schaffen können», berichtete er in seiner typischen Art: «Nur Verlierer fallen hin, Gewinner stehen auf.» Sein Kapitän Schonlau meinte: «Wenn er das vorgibt, dann glauben wir das.»
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