Autozulieferer
Übernahme durch Schaeffler: Vitesco will sich teuer verkaufen

Die Übernahme durch Schaeffler scheint so gut wie sicher – „Wenig Sorgen um Regensburg“

14.11.2023 | Stand 15.11.2023, 17:56 Uhr

Der Hauptsitz in Regensburg – wird es bei einer Übernahme Einschnitte in der Verwaltung geben? Foto: Archiv/Eckl

Schaeffler greift nach Vitesco. Es scheint nur noch eine Frage des Preises zu sein. Der Vorstandschef präsentiert passend dazu gute Quartalszahlen und äußert sich zur Zukunft des Standorts Regensburg.



Die Tage der – nur kurzen – Selbstständigkeit von Vitesco sind aller Wahrscheinlichkeit nach gezählt. Nur zwei Jahre nach der Abnabelung von Continental steht so gut wie fest, dass der Regensburger Automobilzulieferer unter dem Dach der Schaeffler AG (Herzogenaurach) landen wird. Diese Einschätzung äußerte Vitesco-Vorstandsvorsitzender Andreas Wolf am Dienstag bei der Vorstellung der Geschäftszahlen für das dritte Quartal 2023 vor Journalisten: „Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Deal funktioniert.“ Schaeffler habe offensichtlich ausreichend Zugriff auf die benötigten Aktien, um die für die Verschmelzung benötigten 75 Prozent zu erreichen.

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Allerdings sieht Wolf beim Preis noch Luft nach oben. Nach seiner Einschätzung ist Vitesco mehr wert als die angebotenen 91 Euro je Aktie. Dies untermauerte er gemeinsam mit der neuen Finanzvorständin Sabine Nitzsche, die seit Anfang November an Bord ist.

Wie mehrfach berichtet, will der Familienkonzern Schaeffler Vitesco übernehmen und so einen Konzern mit 25 Milliarden Euro Umsatz, 120.000 Mitarbeitern und 100 Werken schaffen.

Muss sich Regensburg Sorgen machen?



Wolf versuchte, Bedenken vor der Übernahme am Hauptsitz in Regensburg mit aktuell rund 3300 Mitarbeitern zu zerstreuen. Dieser „Kernstandort“ beherberge große Teile der Entwicklungsaktivitäten. Auch mit Blick auf mögliche Verlagerungen bei Zentralabteilungen, sprich der Verwaltung, die bei Übernahmen in der Regel verkleinert beziehungsweise beim Käufer zusammengefasst werden, zeigte sich Wolf relativ gelassen: „Da mache ich mir wenig Sorgen.“

Was wird aus Andreas Wolf?



Zu seiner eigenen Zukunft ließ sich Wolf noch nicht in die Karten blicken. Sein Vertrag laufe im September 2024 aus. Üblicherweise verständigt man sich ein Dreivierteljahr vorher, ob man den gemeinsamen Weg weitergehen will. So solle es auch sein – im Dezember werde das Ergebnis verkündet.

Dass Vitesco einen geplanten Umzug der Unternehmenszentrale innerhalb Regensburgs vor wenigen Monaten hat platzen lassen, habe nichts damit zu tun, dass nun Schaeffler vor der Türe steht, so der Vorstandschef. Das vorgesehene Gebäude sei einfach nicht fertig geworden. Vitesco habe die Reißleine ziehen müssen.

Bei einem Zusammenschluss würden sich Schaeffler und Vitesco gut ergänzen, sagte Wolf. Auch Arbeitnehmervertreter teilen diese Einschätzung weitgehend. Während Vitesco sehr stark im Bereich Elektromobilität aufgestellt ist, bewegt sich Schaeffler noch viel mehr in klassischen Technologiesektoren.

„91 Euro sind zu wenig“



Wie viel Vitesco Schaeffler wert sein muss, das wird sich in den nächsten vier Wochen zeigen. Die offizielle Angebotsphase beginnt an diesem 15. November und endet einen Monat später. Die gebotenen 91 Euro pro Aktie halten einige Investoren für zu niedrig. Gestern zuckte die Notierung um die 93 Euro herum. Wolfs Aufgabe ist es auch, einen hohen Preis für das Unternehmen zu erzielen. Daher betonte er in der Pressekonferenz, nach seiner Meinung „sind 91 Euro zu wenig“. Zumindest mittel- und langfristig wäre der Kurs der Aktie über diesen Wert hinausgegangen.

Denn während andere Zulieferer noch mitten im Umbau hin zur Elektromobilität steckten, „haben wir eigentlich die Transformation hinter uns“, so Wolf. Der Anteil des Bereichs Elektrifizierung wachse absehbar mit Riesenschritten. Im dritten Quartal entfielen auf die E-Sparte 800 Millionen Euro (plus 21,8 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum), der Gesamtumsatz betrug 2,2 Milliarden Euro – 100 Millionen weniger. Das liegt laut Wolf und Nitzsche an dem Abbau von Geschäften, die man in Zukunft nicht mehr weiterführen will. Gemeint sind damit Verbrenner-Technologien.

Raus aus der Verlustzone



2026 soll der E-Bereich bereits fünf Milliarden Euro Umsatz erzielen, 2030 seien zehn bis zwölf Milliarden absehbar. Wie diese Dynamik zustande kommt, zeigen die aktuellen Zahlen: Im abgelaufenen dritten Quartal wurden Aufträge in Höhe von insgesamt 2,5 Milliarden Euro verbucht. Davon entfallen etwa 60 Prozent (rund 1,5 Milliarden Euro) auf Elektrifizierungsprodukte. So erhöht sich der Auftragseingang für E-Produkte in den ersten neun Monaten 2023 auf knapp sieben Milliarden Euro. Schwächer ist indes die Nachfrage nach Plug-in-Hybriden, die Vitesco aber ohnehin als Brückentechnologie sieht.

Unter dem Strich schaffte es Vitesco, die Verlustzone zu verlassen. Vor einem Jahr betrug das Minus 13,8 Mio. Euro, nun sind es plus 30,3 Mio. Euro. Bessere Ergebnisse seien nun auch deshalb absehbar, weil man sich mit der Autoindustrie höhere Preise habe aushandeln können. Die E-Sparte soll im kommenden Jahr die Gewinnschwelle erreichen.