Skiparadies für Familien
Das Almtal kämpft um seinen Kasberg

03.02.2024 | Stand 03.02.2024, 5:00 Uhr

Rasant fahren Pistenflitzer den letzten Abschnitt der insgesamt drei Kilometer langen Madlries-Abfahrt in Richtung Talstation. Von dort bringt eine 8er-Einseilumlaufbahn die Wintersportler wieder rauf auf den Kasberg.

Von Christoph Häusler

Totgesagte leben länger – das wollen Unternehmer aus dem Almtal im oberösterreichischen Traunviertel beweisen. Sie haben das Skigebiet Kasberg gepachtet und möchten es erfolgreich in die Zukunft führen.

Im Sommer 2023 titelt eine österreichische Zeitung: „Skigebiet Kasberg ist zahlungsunfähig: Betrieb wird für immer eingestellt.“ Die Unternehmer Fritz Drack und Johann Drack, Steuerberater Dr. Ralf Gaffga und die Fördergenossenschaft Lebenswertes Almtal haben es jedoch geschafft, in Rekordzeit das Skigebiet in den Alpen wiederzubeleben. Nun kommt’s auf den Verlauf der Saison an, ob das drittgrößte Skigebiet Oberösterreichs eine langfristige Zukunft hat. Um schwarze Zahlen zu schreiben, hat die neu gegründete und ehrenamtlich geführte Kasberg Betriebs GmbH die Preise für manche Tickets sogar gesenkt.

Wer in der Sonnalm am Jagerspitz Platz nimmt, den Kopf nach einem schwungreichen Vormittag auf der Piste in den Nacken fallen lässt und nach oben blickt, sieht ein Eisengestell vom Dachbalken baumeln: einen roten Einser-Sessellift. „Der stammt aus den Anfangszeiten, 1967 wurde der Sessellift gebaut“, erzählt Fritz Drack, Sohn des gleichnamigen Skigebietsgründers. Der 57-Jährige hat auf dem Kasberg das Skifahren gelernt – wie so viele Oberösterreicher. Er ist überzeugt, mit seinem Team den Skibetrieb erfolgreich gestalten zu können.

90-Jährige kauft sich aus Solidarität eine Saisonkarte

„Wenn’s heuer nicht läuft, ist der Skibetrieb tot“, sagt sich Fritz Drack, trommelt seine Freunde zusammen und überzeugt mit ihnen den Masseverwalter, das Skigebiet an sie zu verpachten. Im Sommer kommt’s sogar zu einem Protestmarsch in Linz. 30000 Menschen haben für den Erhalt des Skigebiets eine Petition unterzeichnet. In zwei Monaten sammeln Drack und Co. 600000 bis 700000 Euro Startkapital, führen sämtliche Revisionsarbeiten an Liften und Seilbahnen durch – und werden mit einem schneereichen Wintereinbruch Anfang Dezember belohnt.

Dass bei Saisonkarten Kinder kostenlos mitfahren dürfen, schlägt ein. „Wir haben über 600 Kinder-Freikarten ausgestellt“, berichtet Drack. Aus Solidarität habe sogar eine 90-Jährige, die längst nicht mehr auf den Skiern steht, eine Saisonkarte gekauft, erzählt man sich in Grünau im Almtal. Die Botschaft: Die Kinder sollen lieber Ski fahren, als vor dem Computer zu sitzen. Liebend gerne würde auch Drack noch erleben, dass seine Enkel das Skifahren am Kasberg lernen.

Nach Regentagen rund um Weihnachten und Sturm Anfang Januar nimmt der Betrieb wieder Fahrt auf. Am zweiten Januar-Wochenende räumen Traktoren im Tal zusätzliche Parkflächen frei, um den Ansturm bewältigen zu können. Die Warteschlangen an den 14 verschiedenen Liftanlagen bleiben dennoch überschaubar. Skifahrer und Snowboarder verteilen sich auf die 23 Pistenkilometer. Während im Funpark hoch oben Freestyler an ihren Tricks feilen, arbeiten Kinder und erwachsene Anfänger an ihrer Technik neben der Sonnalm.

Dabei hilft zum Beispiel Sabine Huemer, seit 30 Jahren nebenberuflich Skilehrerin am Kasberg und auch heute im Einsatz am Zauberteppich: „Wir haben hier ein kleines, feines, nettes Familienskigebiet. Ich hoffe, dass es weiterhin existiert. Am Skigebiet hängt ja sehr viel mehr dran als nur die Tourismusbetriebe.“ Sie denkt an Metzger, Tischler, Vereine, an die ganze Region. Wäre der Betrieb wie prophezeit eingestellt worden, hätte sie persönlich wohl eine „tiefe Krise“ bekommen.

Die gebürtige Pettenbacherin genießt es, abseits ihres Bürojobs Kindern und Erwachsenen das Skifahren beizubringen. „Mit drei Jahren habe ich selbst das Skifahren hier gelernt“, sagt Huemer und spornt einen Burschen an, zügig den Zauberteppich zu verlassen. Oben wartet schon Maskottchen Bruno, der Kasbär, und verteilt Traubenzucker. Den ganzen Samstag verbringt Huemer so an der frischen Luft.

Hält die Kälte an, freuen sich die Verantwortlichen. An den Nordhängen gelingt die Beschneiung. „Aber das ist aktuell noch ein Problem“, sagt Drack. Die Schneekanonen haben 20 Jahre auf dem Buckel. Moderne Geräte sorgten in drei Tagen für eine Schneedecke von 75 Zentimetern. „Wir brauchen dafür drei Wochen.“ Investitionen seien notwendig. Geld dafür aufzutreiben, gehört aktuell zu Dracks Hauptaufgaben.

Eine weitere Herausforderung sehen die Macher, die zeigen wollen, dass der Kasberg eine volkswirtschaftliche Berechtigung hat, in der aktuellen Bettenzahl. Unternehmer Hermann Hüthmayr (72) betreibt seit 1969 das Hochberghaus. Im Winter erreicht man die Familienalm nur auf Brettern oder mit dem Schneemobil. Hüthmayr erinnert sich an Zeiten, als es am Kasberg rund 1200 Betten gab, heute sind’s 600.

Auf der Suche nach Großinvestoren

Die Krux: Großinvestoren greifen nur in die Tasche, wenn’s einen Skibetrieb gibt – der Skibetrieb funktioniert aber nur mit ausreichender Bettenzahl. Drack befindet sich in Gesprächen mit Interessenten, die kombiniert investieren wollen. Entsprechende Grundstücke stünden zur Verfügung, der Weg für ein Chalet-Dorf sei baurechtlich bereits geebnet.

Hüthmayr kann es mit den Leuten. Betritt ein Gast die Stube, fragt er: „Brauchst einen Frostschutz?“ Damit meint er ein Stamperl Zirbenschnaps. Gerne erzählt er seine launigen Geschichten, erklärt, weshalb er einst Hacklberger Bier aus Passau ausgeschenkt hat und wieso es nun Wolferstetter Weißbier aus Vilshofen auf dem Hochberghaus gibt. Kartoffeln kauft er zentnerweise von Hans Ebner im niederbayerischen Plattling, um sie etwa als Blunzengröstl zu servieren. Forellenaufstrich bezieht Hüthmayr hingegen direkt aus der Region.

Geht’s um die Zukunft des Kasbergs verschwindet das verschmitzte Lächeln. Mit ernster Miene kritisiert er diejenigen, die in den Vorjahren für den Skibetrieb am Kasberg in der Verantwortung standen. Nach der Insolvenz der Kasbergbahn 2010 übernahmen Peter Schröcksnadel und die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich. 2016 folgten die Gemeinden Grünau, Scharnstein, Vorchdorf und Pettenbach – und die Landesregierung versprach, bis 2026 jährlich einen Verlust bis zu einer Million Euro abzudecken. Diese Konstellation ist zu Bruch gegangen aufgrund einer negativen Feststellung des Landesrechnungshofes und eines bisher fehlenden Ganzjahreskonzeptes.

Hüttenwirt Hüthmayr fordert die Politik auf zu handeln, das Skigebiet zu unterstützen – schließlich gehe es auch um die Förderung der Kinder und der Jugendlichen, um den Breitensport mit all seinen positiven gesellschaftlichen Auswirkungen.

Der zuständige Wirtschafts- und Tourismuslandesrat Markus Achleitner (ÖVP) antwortet auf Nachfrage der Heimatzeitung, dass das Skigebiet Kasberg „trotz großzügiger finanzieller Unterstützung seitens des Landes Oberösterreich schon seit vielen Jahren mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten kämpft“. Achleitner lässt zudem wissen: „Sollten von privaten Investoren Investitionen in das Skigebiet Kasberg geplant sein, dann werden diese selbstverständlich auf Förderfähigkeit durch das Land OÖ geprüft.“


Christoph Häusler recherchierte mit Unterstützung des Tourismusverbandes Traunsee-Almtal und der Kasberg-Seilbahngesellschaft.


Das Skigebiet Kasberg liegt im Almtal in Oberösterreich und bietet 23 Pistenkilometer – von blau bis schwarz für jede Könnerstufe – sowie 14 Liftanlagen. Brunos Kinderskiarena umfasst drei Zauberteppiche, einen Zauberwald und eine Kinderrennstrecke. Zudem gibt’s einen Funpark für Jugendliche und Freestyler.

ANREISEN
Das Skigebiet Kasberg lässt sich ab dem Grenzübergang bei Passau über die A8 in rund anderthalb Stunden Fahrzeit mit dem Auto erreichen. Auch mit dem Zug geht’s ins Skigebiet: Erst bis Wels und weiter mit der Almtalbahn nach Grünau. Von dort pendelt ein Skibus gratis zur Talstation.

ÜBERNACHTEN
Dank seiner Lage ist es eine Besonderheit, im Hochberghaus zu übernachten. Es liegt direkt am dortigen Lift und bietet neben Familiensuiten auch eine Sauna. Im Tal gibt’s eine große Auswahl an Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen.

www.kasberg.at

www.traunsee-almtal.at