Kultur
Lucy van Kuhl staunt, lacht und befreit

Mit Chansons, Piano und Kabarett ist eine starke Künstlerin nach Amberg zurückgekehrt. Dort sind ihr viele Fans sicher.

16.03.2019 | Stand 16.09.2023, 5:48 Uhr
Jeff Fichtner

Lucy van Kuhl schafft drei Disziplinen gleichzeitig in ihrem Programm „Dazwischen“, quasi mit links - und rechts: Sie ist nämlich eine ganz ausgezeichnete Pianistin, und das ist beinahe die halbe Miete. Foto: Jeff Fichtner

Gut, „Lucy van Kuhl“ kann man kaum heißen. Lucy hätte wohl auch unter ihrem bürgerlichen Namen Erfolg. Corinna Fuhrmann – dieses Geheimnis wird sofort wieder versteckt - hat sich erneut in der Stadtbibliothek die Ehre gegeben, mit ihrem Programm „Dazwischen“. Sie hat sich damit nicht zwischen alle Stühle gesetzt, denn da war kein Platz mehr.

Gut. „Klavier – Chansons – Kabarett“ lautet der Untertitel. Das ist viel, und für viele wäre es klar zuviel, was sie dazu beherrschen müssten. Lucy van Kuhl macht das alles fast gleichzeitig, quasi mit links. Mit rechts auch. Sie ist nämlich eine ganz ausgezeichnete Pianistin; beidhändig, logo. Das ist beinah die halbe Miete.

Gut. Alles erst mal wieder auf Anfang. Bettina Weisheit und ihr Team haben alles vorbereitet. Das Licht wird sachte gedimmt, der Platz rund ums Klavier rückt komplett in den Fokus. Lucy kommt, sie schreitet nach vorn. Schreiten ist das einzig passende Wort. Lucy ist von beachtlicher Größe, eine beeindruckende Erscheinung, eine Schönheit. Nein, hier wird keine Frau wieder nur nach ihrem Äußeren beurteilt. Aber ein wenig schon.

Feine Schärfe plus Crescendo

Wer da partout nicht hinschauen mag, der kann der Pianistin, Sängerin und Kabarettistin mit geschlossenen Augen zuhören. Dann kommt schon auch eine Menge rüber von den Geschichten aus einem Alltag, der ihr nicht selten so merkwürdig erscheint, dass sich eine ironische, satirische Überhöhung des Erlebten nachgerade aufdrängt. Das könnte sie, ganz Kabarettistin, erzählen. Sie singt lieber, was sie gesehen und gefühlt hat. Mit einer Stimme, die mal sanft schmeichelt und warm gurrt, dann wieder ein feines Quäntchen Schärfe mit Crescendo über bedenkenswerte Geschehnisse in dieser Welt streut. Ein Kommentar der hinterlistigen Art, in der Summe mit einer guten Portion Biss, also „al dente“, im Abgang sehr befreiend und sehr fröhlich.

Freilich, und nun aber mal ganz ehrlich: Wer da nicht hinschaut, ist selber schuld. Ist doch alles dabei im Eintrittsgeld! Mimik und Gestik gehören einfach untrennbar dazu bei Lucy van Kuhl. Ihre edlen Gesichtszüge hat sie stets fest im Griff. Drohen die - auf den ersten Blick nur – mal kurz zu entgleisen bei einer vielleicht doch gewagten, komischen Geschichte, darf man versichert sein: Da oben, im hoch aufragenden Stellwerk der Lucy-Bahn, sitzt ein Verstand, der alles im Griff hat.

Wie Lucy den Konjunktiv rettet

Perfekt ist Lucy nicht. Sie will es gar nicht sein. Sie gesteht stattdessen gern – oft außerordentlich amüsiert und amüsierend – ihr Scheitern an manchen Dingen dieser Gegenwart, ihrer Umwelt. Das kann in Berlin passiert sein oder in Hamm, als für Lucy mit der Bahn Endstation war, nichts mehr ging, passé der Auftritt in Leverkusen. Wäre sie ein Schlagermädchen, sänge sie vielleicht: „Es fährt kein Zug nach nirgendwo...“ Wie jetzt – „sänge“? Ist das Sänger ohne „r“ oder Sängerin ohne „rin“? Nein, nur ein ebenso schlichter wie eleganter Konjunktiv. Was ein Konjunktiv nun wieder ist - eine lange Geschichte auf jeden Fall.

Der Konjunktiv, der echte, also der ohne „würde“: Er ist vom Aussterben bedroht. Auch auf der Bühne. Lucy van Kuhl hält dagegen. Sie spricht ihn mit einer selbstverständlichen Anmut aus, singt ihn sogar, statt sich in einem ganz und gar würdelosen „ich würde, wenn ich können würde“ zu verbergen. Selten gab es in Amberg einen solchen freien Vortrag, tatsächlich, mit so vielen sprachlichen Exzessen wie dem echten Konjunktiv. Fein lächelnd tischt ihn diese starke Frau auf, deren Sache eine halbgare, sich anbiedernde Sprache eben nicht ist.

Und warum heißt das Programm dann überhaupt „Dazwischen“? Weil Lucy es einfach lustig bis nervig findet, sich zwischen 100 Sorten dunkler Schokolade entscheiden zu müssen. Oder, andererseits, zwischen fast genau so vielen Darreichungsformen zwei- bis fünflagigen Klopapiers. Ein schöner Genitiv, übrigens.

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