Geschichte
Tram, Rennbahn und ein Flughafen

Seit dem 1. April 1938 gehört das Dorf Prüfening zur Stadt Regensburg. Manch einer trauert der Unabhängigkeit bis heute ein bisschen nach.

30.03.2013 | Stand 16.09.2023, 7:24 Uhr

Prüfening 1957 von einem Flugzeug aus betrachtet: Rechts oben ist die Rennbahn zu erkennen, links oben das Areal, auf dem Kies abgebaut wurde und wo sich heute der Westpark befindet. Foto: Stadt Regensburg

Kürzlich gab es im großen Pfarrsaal von St. Bonifaz einen Andrang wie schon länger nicht mehr. Die Plätze reichten nicht, eilig mussten zusätzliche Stühle herbeigeschafft werden. Dabei hatte sich kein Popstar oder Kabarettist angesagt, es fand kein Theater statt und es sollte auch nicht – wie kürzlich in Donaustauf geschehen – über ein derzeit hochbrisantes, gesellschaftliches Streitthema diskutiert werden. Nein, Stadtführerin Hildegard Zweck war geladen worden, um von ihr Wissenswertes über den Stadtteil zu hören. Der Anlass: Am 1. April jährt sich der Tag der Eingemeindung zum 75. Mal.

Hildegard Zweck ließ sich nicht lange bitten; die Geschichte „Prieflings“ kennt sie in- und auswendig, und es ist ihr seit vielen Jahren ein tiefes Bedürfnis, anderen Leuten zu erzählen, wie der Stadtteil, respektive die einst selbstständige, gut ausgestattete, aber ländliche Gemeinde früher ausgesehen hat. Es war Ende der 1980er Jahre, als Zweck ein Schlüsselerlebnis hatte. Sie saß im Bus der Linie 1, als sie von einer Passagierin gefragt wurde, ob sie nicht wüsste, „was da zwischen den Baumwipfeln für Turmspitzen sind?“. Gemeint waren die Doppeltürme der ehemaligen Klosterkirche St. Georg auf dem Areal von Schloss Prüfening.

Zweck war es ein Rätsel, wie ein Mensch, der vorgab, schon viele Jahre in Regensburg „zu Hause“ zu sein, so ahnungslos sein konnte. „Da habe ich beschlossen, selbst zu recherchieren und möglichst viel über die Geschichte meines Stadtteils zusammenzutragen. Denn das muss einen doch interessieren!“

Erzählungen und eigene Erfahrungen

Zweck stöberte in vielen Unterlagen und Büchern, studierte, was andere schon über „ihr“ Prüfening geschrieben hatten; sie suchte auch den Kontakt zu älteren Bewohnern, um von ihnen authentische Erlebnisberichte zu hören und ein Bild vom typischen alteingesessenen Prieflinger zeichnen zu können. Ferner ging sie Klinkenputzen, um bei Stadtteilbewohnern nach historischem Bildmaterial zu forschen. Natürlich klopfte sie auch bei Familie Hofmeister in Großprüfening an, weil sie wusste, dass der frühere Fährenbetreiber als einer der wenigen einst eine Kamera besessen hatte. Die Suche lohnte sich. Beim Vortragsabend in St. Bonifaz konnte sie nicht weniger als 70 Dias präsentieren.

Nicht zu vergessen ist Zwecks eigener Erfahrungsschatz. Sie selbst lebt ja seit 45 Jahren in Prüfening und hat, als am Rennplatz noch Pferdesport geboten wurde, ihr erstes Taschengeld verdient.

Und so ist unterm Strich ein respektabler, bebilderter Aufsatz entstanden, den Zweck zum Beispiel in der Jubiläumsschrift „1000 Jahre Prüfening“ abdrucken ließ, die im Millenniumsjahr erschienen ist. Auf rund zwanzig Seiten nimmt die Stadtführerin den Leser mit auf einen bewegenden Rundgang durch die Historie – von vorgeschichtlicher Zeit bis zur Gegenwart; sie erklärt den Ortsnamen, skizziert, wie das ehemalige Dorf ausgesehen hat und erläutert zum Beispiel auch, weshalb die klassische Entwicklung zur Stadt ausgeblieben ist.

Die Eingemeindung Prüfenings 1938 hatte bei den Dorfbewohnern alles andere als Begeisterung ausgelöst, erzählt sie. Doch die Jahreszahl verrät es schon: Es war nicht die Zeit, in der Widerspruch geduldet worden wäre, und so ließen die Prieflinger über sich ergehen, was wohl auch nicht zu verhindern gewesen wäre.

Das alte Prüfening: Anfang des 20. Jahrhunderts gab es im äußeren westlichen Donaubogen nur Grünflächen und die Felder der fleißigen Bauern. Auf alten Karten sind lediglich Flurnamen wie die „Klostergründe“ oder der „Fuchsschwanz“ eingetragen. Östlich davon wurde von der Stadt 1902 der Rennplatz angelegt, der bereits ein Jahr danach an das Straßenbahnnetz angebunden wurde, obwohl die Hälfte der Strecke durch völlig unbebautes Gelände führte. Die Häuserzeilen endeten im Prinzip auf Höhe des Jahnstadions.

Sommersitze machten Lust auf mehr

Die Tram war wohl auch bei der Standortsuche für das Schützenheim entscheidend, und auch eine Tierklinik siedelte sich in der Nähe an. Bald wurden liebevoll Gärten angelegt, in denen sich Bürger ihre Sommersitze einrichteten. Prüfening war zu einem beliebten Ausflugsziel der Regensburger geworden, und bald entdeckten sie, „dass es sich hier ganz gut leben lässt“, so Hildegard Zweck.

Neben einigen Privathäusern entstand 1936 die von der katholischen Liga Spar- und Kreditgenossenschaft ermöglichte und nach ihr benannte Siedlung. Zu gleicher Zeit wurde östlich des Rennplatzes mit dem Bau des Messerschmittwerks begonnen, das bald auch das nahe Flugplatzgelände übernahm.

Flugplatzgelände? Tatsächlich gab es seinerzeit für Regensburger die Möglichkeit, mit der Lufthansa in Richtung München abzuheben. Eine JU 52 machte regelmäßig auf ihrem Flug von Nürnberg in die Landeshauptstadt Zwischenstation an der Donau. Das Ticket kostete hin und zurück 25 Mark.

Doch die Nachfrage war offenbar zu gering. Die 1925 gegründete Flughafen-GmbH gab fünf Jahre später den Flugplatz an die Stadt ab. Auch die Kommune schaffte es nicht, die großen Pläne vom regen Flugverkehr umzusetzen. Regensburg wurde aus dem Flugplan gestrichen, bald sollten nur noch Sportflugzeuge abheben und landen.

Eigener Flugplatz, Tram... Mit Wehmut werden sich viele Regensburger ferner an die traditionsreiche Pferderennbahn erinnern, als das Fürstliche Haus noch mehrspännig unterwegs war. Die Idee zum Bau des Rennplatzes wurde 1898 geboren, als sich der Rennverein Regensburg gründete, der zunächst am Schwabelweiser Wöhrd beheimatet war. Dort hatte Fürst Albert 1189, ein Jahr vor seiner Vermählung, für seine Braut eine Bahn anlegen lassen. Der Verein beschloss die Verlegung nach Prüfening, und die Eröffnung wurde 1902 gebührend gefeiert.

Ein Chronist berichtet: „Seine Durchlaucht Fürst Albert, dessen Gönnerschaft hauptsächlich die Errichtung des zwischen dem Kloster Prüfening und dem Donaubogen romantisch gelegenen Platzes ermöglichte, wohnte mit Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit, der Fürstin, dem Rennen bei.“ Meist wurden Fürst und Gemahlin Margarete getrennt in vier- bis sechsspännigen Kutschen zum Rennplatz gefahren.

Der Fürst und die Fürstin, die selbst begeisterte Reiter und Anhänger des Pferdesports waren, unterstützten den Verein von Anfang an; trotzdem geriet er in finanzielle Schwierigkeiten, so dass das Fürstliche Haus 1907 das gesamte Gelände kaufte und großzügig ausbaute. In der Folgezeit fanden noble Renntage statt, an denen auch Offiziere des Kavallerieregiments teilnahmen.

Großen Zulauf fanden auch Motorrad- und Sandbahnrennen, und in den 1950er Jahren, so erinnert Hildegard Zweck, wurde der Rennplatz sogar als Schulsportanlage genutzt. „Wie die Rösser“ seien junge Männer über die 1200 Meter lange Bahn gejagt worden, bis sie nicht mehr konnten.

Die Stadtführerin hat auch ganz persönliche Erinnerungen an den Rennplatz: In jungen Jahren jobbte sie im Totalisator, also dem Büro, in dem an Renntagen der Wettbetrieb abgewickelt wurde. Eines Tages steckte ihr ein fremder Mann, der gerade aufs richtige Pferd gesetzt hatte, einen Zwickel zu. Das „hübsche Mädel am Schalter“ sollte sich mit ihm über den Gewinn freuen. Und das tat es auch.

Der ursprünglich vor den Toren der Stadt gelegene Rennplatz wurde im Laufe der Zeit immer mehr von Wohngebieten umzingelt – und der Sport somit in seiner Aktivität doch arg behindert. Der Rennverein zog daraus die Konsequenzen, verließ das Gelände, und die Reitschule siedelte 1971 mit dem Verein nach Bruckdorf (Gemeinde Sinzing) über. Das frei gewordene Areal im Stadtwesten sollte nun ebenfalls als Baugebiet ausgewiesen werden.

Sich der Bedeutung des Grundstücks bewusst, wurde 1983 ein Architektenwettbewerb ausgelobt. An die Rennbahn erinnern heute noch die Bezeichnung des Ensembles „Rennplatz“, die Straße, die vorbeiführt (Rennweg), sowie der in die Anlage dezent eingefügte Umriss der Bahn.

„Ich fahre heute nach Regensburg“

Prüfening zählt heute unbestritten zu den bevorzugten Stadtteilen; wohnen ist hier in weiten Bereichen besonders teuer. Obschon niemand ernsthaft behaupten kann, die Stadt habe den Westen sträflich vernachlässigt, soll es bis heute Stimmen geben, die die Eingemeindung bedauern. „Priefling“ hätte sich auch so insgesamt zu einer blühenden Gemeinde entwickelt und könnte gewiss mit dem Markt Lappersdorf konkurrieren, sagen Romantiker.

Dass die Alteingesessenen stolz sind und der Eigenständigkeit ein bisschen hinterhertrauern, mag ein Zitat belegen, das Hildegard Zweck am Ende des Gesprächs ihren Zuhörern mit auf den Weg gibt: „Ich kenne einen hochbetagten Prüfeninger, der sagt noch heute, wenn er in die Stadt muss: Ich fahre jetzt rein nach Rengschburg...“