Analyse
Bittere Wahrheit: Der Jahn ist in einigen Punkten schlichtweg nicht zweitligareif

02.05.2023 | Stand 16.09.2023, 22:47 Uhr

Misserfolg um Misserfolg: Beim Jahn läuft es überhaupt nicht rund. Foto: Gatzka

Analysiert man die Saison (und dabei vor allem die vergangenen Wochen) ganz nüchtern, dann muss man konstatieren, dass es ein Erfolg wäre, wenn Fußball-Zweitligist SSV Jahn Regensburg nicht direkt absteigt und im Juni in der Relegation noch mal eine Chance bekommt. Denn viel spricht in diesen Tagen nicht mehr für den Jahn.



Das Positive vorneweg: Theoretisch hat es der Jahn bei vier ausstehenden Spielen (Rostock (A), HSV (H), Braunschweig (A), Heidenheim (H)) noch selbst in der Hand, von Platz 17 nach oben zu klettern. Es gibt aber zahlreiche Indikatoren, die darauf hinweisen, dass die Mission Klassenerhalt Nummer sechs ein Unterfangen werden könnte, das nicht von Erfolg gekrönt ist.

Wissen, wie mit Rückschlägen umzugehen ist, das ist eine Gabe, die nicht viele Fußballklubs haben. Der Jahn hatte sie mal. Vor allem direkt nach dem Durchmarsch in die 2. Liga. Die Regensburger bezeichneten sich einst selbst gerne als Mentalitätsmonster. Die Zeiten sind allerdings vorbei. Am Engagement fehlt es sicher nicht, es fehlen aber die Mittel, Niederlagen noch abzuwenden, wenn sie in Rückstand geraten. Platz 18 in der Rückstanddreher-Tabelle ist der klare Beleg dafür. Gelingt dem Gegner der Führungstreffer, dann hat er dem Jahn damit meist schon den Zahn gezogen. Nur zwei Zähler sprangen nach Rückständen noch heraus. Da ist selbst das ebenfalls schwache Rostock (3) noch besser. Danach folgen Sandhausen und der Club (jeweils 5).

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Der Jahn betreibt Chancenwucher



Auch in Sachen Chancenverwertung stehen die Regensburger nicht gut da. Die Partie gegen Sandhausen war mal wieder ein extremes Negativbeispiel. Sieben wirklich aussichtsreiche Gelegenheiten hatten sie. Wenn man daraus nur einen Treffer erzielt, dann steht man einfach hinten. In der Rubrik rangieren nur Rostock (26 Tore, 135 Chancen, 19,3 Prozent) und der Club aus Nürnberg (25, 125, 19,3) hinter dem SSV (29, 130, 22,3. Das ist schlichtweg eine Frage der Qualität. Die fehlt dem Jahn – vor allem in der Offensive. Wer soll den Fluch beenden? Prince Owusu hat durch seinen Treffer in Sandhausen zwar nun mit Andreas Albers (6) gleichgezogen. Der Angreifer brauchte aber in Summe viel zu viele Möglichkeiten, um auf diese Quote zu kommen.

Auch Joshua Mees und Aygün Yildirim hatten Treffer auf dem Fuß. Es war nicht zum ersten Mal, dass Letztgenannter aus einem Eins-gegen-eins-Duell als Verlierer hervorging. Ein Törchen in 20 Spielen steht zu Buche. Ein Törchen hat auch Mees in 23 Einsätzen erzielt. Das ist einfach zu wenig.

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Zu wenig zeigt auch Sarpreet Singh, der eigentlich gut begonnen hatte nach seiner Rückkehr. Ein Törchen gelang ihm allerdings lediglich in 13 Spielen. Wenn die Leistungsträger, die ohnehin in überschaubarer Zahl vorhanden sind, nicht performen, dann wird es schwierig. Albers wartet nun schon schon seit einem halben Jahr auf Saisontor Nummer sieben! Seit dem 22. Oktober 2022.

Auch bei Babis Makridis klafft eine große Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Der Flügelfitzer hat in 22 Einsätzen zwei Mal mal getroffen. Ein Prototyp des brotlosen Schönspielers.

Trainer Mersad Selimbegovic besitzt Einfallsreichtum



Wenn die Stürmer nicht treffen, dann müssten andere aushelfen. Tun sie aber nicht, auch bei Standards versprüht der Jahn keine Gefahr. Das ist auch dem Umstand geschuldet, dass Singh da schon mal deutlich gefährlichere Bälle brachte. Die eklatante Abschlussschwäche zeigt sich auch regelmäßig im Training, wo Trainer Mersad Selimbegovic wahrlich Einfallsreichtum besitzt, um dem Abhilfe zu verschaffen. Da laufen Angreifer auch schon mal ohne lästige Gegner aufs Tor zu – und schießen dennoch vorbei. Bezeichnend!

Es hilft dem Jahn relativ wenig, wenn er am Ende der Saison sagen kann, dass er nicht wie ein Absteiger gespielt hat. Das tut er auch nicht, er trifft aber so selten wie einer. Die Regensburger wurden oft nicht belohnt für ihre Leistungen. Blickt man nur auf den April, dann wären sicher einige Punkte mehr drin gewesen. Dasselbe lässt sich fast für jeden weiteren Monat sagen.

Es liegt aber nicht nur am fehlenden Matchglück. Es herrscht eine gefährliche Melange aus Unvermögen und Unglück. Ob bei St. Pauli, in Fürth, in Sandhausen oder gegen Lautern: Die Regensburger tun sich so schwer mit dem Toreschießen, dass allmählich die Hoffnung schwindet, dass der Knoten noch platzt. In 30 Spielen blieb der Jahn 14-mal ohne Tor. So liest sich die Bilanz eines Absteigers. Die vier Treffer beim 4:5 in Heidenheim hübschen die katastrophale Ausbeute (29 Tore) auf. Vorne drückt der Schuh. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die Saison. Das ist der Punkt, den sowohl Selimbegovic als auch Benedikt Gimber nach dem 1:2 in Sandhausen monierten. Das ist schlichtweg nicht zweitligareif.

Auch der Kopf spielt in der entscheidenden Phase eine wichtige Rolle: Die Last, liefern zu müssen, die wirkte auf den einen oder anderen schier erdrückend in Sandhausen. Anders ist der Auftritt in der ersten Halbzeit nicht zu erklären. Man muss es so drastisch formulieren: Die Regensburger hatten die Hosen voll.

Konkurrenz aus Rostock und Sandhausen liefert

Sie fanden erst ins Spiel, als es mit Blick auf den 0:2-Rückstand schon zu spät war. Nun wartet in Rostock das nächste Finale. Hansa wird dabei von rund 25.000 Zuschauern im Ostseestadion unterstützt werden. Rostock schmeckte dem Jahn generell nicht in der jüngeren Vergangenheit. Während die Formkurve bei den Hanseaten durch zwei Siege in Folge zum richtigen Zeitpunkt nach oben zeigt, ist der Jahn nun in der Formtabelle Letzter, wenn man die vergangenen fünf Spiele (nur zwei Punkte) betrachtet.

Vergeigt es der Jahn auch in Rostock, dann ist Hansa sechs Punkte vorne. Auch der SVS (ebenfalls 28) liefert. Sandhausen hat aus den vergangenen drei Spielen imposante sieben Zähler geholt. Nur angeknockte Bielefelder (29), die zuletzt drei Niederlagen am Stück kassiert haben, Braunschweig (32) und Nürnberg (33) sind derzeit ähnlich formschwach wie der SSV, der obendrein mit dem HSV und Heidenheim noch zwei Aufstiegsaspiranten empfängt.