Eiskunstlauf
Der EC Regensburg hatte harte Zeiten

Den erfolgsverwöhnten Regensburgern brachen im Sommer viele Talente weg. Jetzt backt der Verein kleinere Brötchen.

07.12.2018 | Stand 16.09.2023, 5:51 Uhr

Lena Köstner, Luca Fünfer, Leon und Loris Kraiczyk, Eva Balduzzi (hinten v. l.), Sophie Erhardt, Marie Bierwert, Loreen Fröhlich, Annabelle Schwegler, Victoria Helmle, Carolin Traub, Tim Fünfer (vorne v. l.) laufen für den ECR im Landeskader.Foto: ECR/Dedovich

Im Sommer war es ziemlich brenzlig für den EC Regensburg. An der Spitze hatte sich das bisherige Aushängeschild, die Junioren-WM-Teilnehmerin Ann-Christin Marold, nicht im allerbesten Einvernehmen verabschiedet, startet jetzt für Aschaffenburg und trainiert in Linz. Dazu brachen jede Menge anderer Eiskunstläuferinnen aus den unterschiedlichsten Gründen weg: Die Pekareks zum Beispiel gingen mit ihrer Familie zurück in den USA, das eine oder andere Talent konnte ambitioniertes Training nicht mehr mit der Schule verbinden. So verloren das Trainerpaar Nicole Brünner und Ferdinand Dedovich fast 20 Aktive, die teils auch zum bayerischen Kader (und mehr) gehörten.

Dedovich hatte über der Frage zu brüten, wie diese einmalige Zäsur in der Vereinsgeschichte zu überstehen ist. „Ich habe mich gefragt: Können wir das alles überhaupt so noch machen? Inzwischen aber sind wir dabei, diese Lücke zu schließen“, sagt der 71-jährige Olympia-Teilnehmer im Paarlauf von 1964, der vor vielen, vielen Jahren Eiskunstlauf nach Regensburg brachte und inzwischen mit Unterbrechungen seit 50 Jahren in der Stadt wirkt.

Ein Quartett in Nationalkadern

Sicher, rein zahlenmäßig ist die Entwicklung auf den ersten Blick gar nicht so sehr sichtbar. Nach wie vor gehört nämlich mit Lea Schwamberger, Linn Jörgensen (die für München läuft und teils in Regensburg trainiert), Jana Schwegler und der derzeit verletzten Sophia Gienger immerhin ein ECR-Quartett den neu strukturierten Nationalkadern an. Und bei den deutschen Nachwuchsmeisterschaften für 2019, die schon seit Donnerstag und noch bis Samstag in Dortmund laufen, ist neben den Kraiczyk-Zwillingen Leon und Loris mit Luca Fünfer auch ein Neuzugang aus Königsbrunn vertreten, dessen jüngerer Bruder Tim auch erste Erfolge verzeichnete. Doch die gewohnten Titel und Spitzenplätze, die in den vergangenen Jahren schon im DM-Vorfeld bis Dezember für viel Berichterstattung sorgten, sind nicht mehr so gegeben. „Du hast immer Wellen in der Vereinsarbeit“, sagt Dedovich. „Es sind nicht so viele Läuferinnen nachgekommen, wie eine gesunde Pyramide bräuchte. Bei uns sieht das jetzt eher aus wie eine Eieruhr.“

Jetzt gilt die in Jugendarbeit oft übliche Sichtweise: Es wird dauern, bis sich das wieder ändert. „Wir brauchen Geduld, Zeit, Jahre“, sagt Dedovich und setzt mit einigen Trainern des Vereins auf die Sichtung im Breitensport und in den Schlittschuhlauf-Kursen.

Zudem hat der erfahrene Trainer ganz grundlegende Veränderungen in seiner Sportart festgestellt. Ferdinand Dedovich holt etwas weiter aus für die Erklärung: „Die zehn Besten von vor zehn Jahren würden international heute nicht einmal mehr ins Finale kommen. Bis zum Zehnten, ja Zwölften gehören Vierfach-Sprünge heute dazu. International hat da eine Leistungsexplosion stattgefunden.“

Derlei Fortschritte erklärt Dedovich vor allem mit Trainingsmethoden, die in Russland, China oder Japan eben gänzlich andere seien als in Deutschland. „Eiskunstlauf ist angewandte Physik. Je mehr du das spürst und fühlst, umso mehr kannst du machen“, nennt er seine Sichtweise. Dazu sei „das Gleichgewichtsorgan das größte Problem“. Deswegen stünden Kinder eben anderswo auch schon in jüngsten Jahren auf Drehscheiben, um daran zu arbeiten. „Wir haben auch ein wenig anders gearbeitet und hatten deswegen nicht so große Defizite. Wie sonst könnte ein Verein aus der Diaspora wie wir mehr Nachwuchs als Stützpunkte produzieren?“ Dazu ist es für Dedovich auch generell schwerer geworden, Kinder in den Leistungssport zu bringen, weil der Einklang von Kindern, Eltern und Schule hart sei. „Aber da hat jede Sportart die gleichen Problemen.“

Im Eiskunstlaufen ist es vielleicht sogar noch ein wenig spezieller, weil Topleistungen schon früh gefordert sind – mit elf, zwölf, dreizehn Jahren. „Wer zu einer deutschen Meisterschaft geht, bei dem sind sechs Trainingseinheiten Standard“, sagt Dedovich: „Zweimal Ballett, zweimal Athletik und zweimal Eis.“ Und auch die Finanzierung des Sports ist eine andere und mit den 35 Euro üblichen Jahresbeitrag nicht zu machen. „Der Riegenbeitrag geht bis 140 Euro monatlich, was wiederum nach Kaderzugehörigkeit gestaffelt ist“, erklärt Dedovich, der mit seiner Frau ja nicht nur die ECR-Vorstandsarbeit macht, sondern mit seiner Frau durch die Trainerstunden auch seinen Lebensunterhalt mit Eiskunstlauf verdient.

Das Klötzer-Pokal-Abo ist weg

Jetzt gilt es erst einmal für die ECR-Eiskunstläufer, sich neu zu sortieren. Bei der Nachwuchs-DM in Dortmund sind Plätze „im ersten Drittel das Ziel“ und das Trainerpaar Brünner/Dedovich bleibt zuhause und delegiert die Talente-Betreuung in andere Hände. „Wir müssen zuhause Nachwuchs generieren“, sagt Dedovich. Und auch der Gewinn des bayerischen Karl-Klötzer-Pokals, der seit 2013 mehr oder weniger fest in Regensburger Händen war und die Spitzenleistungen im Klub abbildet, ist diesmal im März eine Utopie, weil die in den vergangenen Jahren gewohnte Vielfalt und Dominanz in den verschiedenen Alterskategorien in dieser Form beim ECR erstmal dahin ist.

Auch beim Training sind die Unterschiede gar nicht so sehr zu sehen. Beim Abschluss vor der Nachwuchs-DM tummelten sich 16 Läuferinnen und Läufer auf dem Eis der Trainingshalle. „In manchen Stunden ist es aber auch weniger“, sagt Dedovich. „Das hat aber auch den Vorteil, dass man sich in kleineren Gruppen besser um den Einzelnen kümmern kann.“ Und irgendwann stößt der EC Regensburg vielleicht auch wieder nach ganz oben vor.

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