Zwischen Pinguinen und Extremwind
Leben und Arbeiten in der Antarktis: Mitarbeiter der Wettzeller Geodäsie müssen Messsysteme warten

28.03.2024 | Stand 28.03.2024, 15:00 Uhr

Das Radioteleskop auf der Antarktisstation O’Higgins Foto: Bachem

Am Observatorium Wettzell wird man oft gefragt, wieso sich gerade dort eine der weltweit wichtigsten Messstationen der Geodäsie befindet. Aber wieso führen die dortigen Mitarbeiter solche Messungen auch an einem der abgelegensten und unwirtlichsten Orten der Welt durch, nämlich in der Antarktis?

In einem Vortrag von Johann Theodeor Bachem am 15. März im Sitzungssaal des Observatoriums wurde unter anderem auch diese Frage beantwortet. Daneben berichtete Bachem auch von zahlreichen persönliche Erlebnissen von einem Ort, wohin nur wenige Menschen gelangen.

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Theodor Bachem, der als Elektrotechniker seit 2016 für das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) am geodätischen Observatorium in Wettzell arbeitet, reiste bereits fünf Mal zu dieser Station, der „German Antarctic Research Station“ (GARS) O’Higgins, um deren reibungslosen Betrieb sicher zu stellen. Diese eigentlich chilenische Antarktisstation Bernardo O’Higgins, deren deutscher Anteil gemeinsam vom BKG und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betrieben wird, befindet sich am äußersten nördlichen Ausläufer des Kontinents Antarktika auf etwa 63 Grad südlicher Breite. Zum Vergleich: ebenfalls auf 63 Grad, aber im Norden, befindet sich z.B. die norwegische Stadt Trondheim.

Geräte vermessen präzise

Trotz des relativ polfernen Standortes liegt die Station noch auf der antarktischen Kontinentalplatte, deren Bewegung auf der Erdoberfläche durch die dortigen Geräte präzise vermessen wird. Aber vor allen für eine genaue Bestimmung der Erdrotation und Erdorientierung – ein wichtiges Produkt der Geodäten – ist eine gute globale Abdeckung mit Messstationen erforderlich. Deshalb sind in der Antarktis auch zwei Radioteleskope in Betrieb, neben O’Higgins auch auf der japanischen Station Syowa.

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Daneben wird das Radioteleskop in O’Higgins auch vom DLR zum Datenempfang von Satelliten verwendet, die sich gerade über dem Südpol aufhalten. Eine positive Folge des relativ nördlichen Standortes ist das vergleichsweise milde Klima. Im antarktischen Sommer, von Oktober bis März, liegen die Temperaturen meist knapp über null Grad. Wirklich gemütlich ist es jedoch trotzdem nur selten, da es fast immer sehr windig ist. Windgeschwindigkeiten über 100 km/h werden, insbesondere im Winter, an mehreren dutzenden Tagen im Jahr erreicht und können teilweise Werte von über 200 km/h erreichen.

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Nicht nur die Bedingungen vor Ort können fordernd sein, bereits die Anreise zur Antarktisstation gleicht einem kleinen Abenteuer. Bis zur chilenischen Stadt Punta Arenas, die Ausgangspunkt für viele Antarktisexpeditionen ist, verläuft die Reise noch recht bequem per Linienflugzeug.

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Nachdem dort die letzte Ausrüstung in Form von einigen Lebensmittel angeschafft wurde, beginnt jedoch der beschwerliche Teil der Reise. Von Punta Arenas aus gilt es die letzte Zwischenstation circa 150 Kilometer vor dem antarktischen Festland zu erreichen: King George Island. Aufgrund der benötigten Frachtmenge kann letztlich nur auf zwei Wegen dorthin gelangen, entweder als Mitreisender in einem Transportflugzeug oder in einem Schiff des chilenischen Militärs. Der Zeitpunkt der Abreise ist stark abhängig von den Wetterbedingungen und entsprechend kaum planbar.

Anreise per Hubschrauber

Angekommen in der Basis auf King George Island heißt es dann zumeist Warten. Für den letzten Abschnitt der Anreise, per Hubschrauber, Kleinflugzeug oder Versorgungsschiff, ist gutes Wetter ebenso unabdingbar. So kann es im schlechtesten Fall sein – wie unlängst einigen Kollegen Bachems ergangen – dass die Techniker und Wissenschaftler hier mehrere Wochen in einer Baracke ausharren und sich permanent zur Weiterreise bereit halten müssen. Endlich auf der Station O’Higgins angekommen, beginnt die eigentliche Arbeit.

Mindestens einmal im Jahr müssen Systeme gewartet werden

Zwar können die Messsysteme inzwischen von Deutschland aus gesteuert werden, aber zumindest einmal im Jahr müssen sie gewartet, in Stand gesetzt und zuweilen auch ausgetauscht werden. Natürlich ist es für den einzelnen Menschen bei so vielen verschiedenen, teils hochkomplizierten Geräten kaum möglich, sie bei jedem Defekt so ohne weiteres zu reparieren. Daher muss sich Bachem für die Behebung von Fehlern oft mit den Herstellern oder auch den Kollegen in Wettzell in Verbindung setzen, um gemeinsam Fehler zu ermitteln und Schritt für Schritt zu beheben.

Ab und zu gibt es auf der Schmidt-Halbinsel Besuch hauptsächlich von Eselspinguinen. Forscher lernen zwar mit dem empfindlichen Ökosystem umzugehen und den Abstand zu Pinguinen zu wahren. Allerdings scheine man vergessen zu haben, dies auch den Pinguinen beizubringen. Insbesondere die jugendlichen Exemplare zeigen keinerlei Scheu vor Menschen und watscheln neugierig überall auf dem Stationsgelände herum.

Freizeitgestaltung

In der wenigen Freizeit, die den Mitarbeitern in der Antarktis bleibt, haben sie in der Wohnküche die Möglichkeit Musik zu hören, mitgebrachte Filme anzuschauen oder mit Kollegen gesellig beim Abendessen zusammen zu sitzen. Hin und wieder erhalten sie Besuch der benachbarten chilenischen Forschungsstation oder von Wissenschaftlern aus der ganzen Welt.