Rechtsserie
Bahnbrechende Ausmaße: Chamer Experte wagt Prognose zu rechtlichen Auswirkungen der KI

28.04.2024 | Stand 28.04.2024, 5:00 Uhr

Mit der Anwendung generativer künstlicher Intelligenz nimmt die digitale Transformation in allen rechtsberatenden Berufen eine völlig andere Beschleunigung auf. Foto: Peter Steffen/dpa

Künstliche Intelligenz (KI) hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten Technologietreiber entwickelt. Internet der Dinge, autonomes Fahren, maschinelles Lernen – die Einsatzgebiete von KI sind vielfältig und versprechen einen hohen Nutzen für die Gesellschaft.

Auch Rechtsfragen in unserem Alltag werden bald zunehmend in Zusammenhang mit den Möglichkeiten der KI vermehrt auftauchen und zu lösen sein. Vorab: Dieser Beitrag ist ohne KI entstanden – aber die KI hätte es kaum schlechter gemacht.

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Die Entwicklung und Nutzung von KI in der EU sollen durch einen gesetzlichen Rahmen weiter gefördert werden. Ein erster EU-Vorschlag differenzierte in vier Risikoklassen. Verboten werden „inakzeptable“ Risiken wie die biometrische Erkennung durch KI oder Social Scoring. „Hochriskante“ Risiken unterliegen strengen Anforderungen. So verlangt der Entwurf ein umfassendes Qualitäts- und Risikomanagementsystem etwa für Anwendungen in der Kritischen Infrastruktur. Für Anwendungen mit „geringen“ Risiken sind die Pflichten deutlich reduziert. Keine rechtlichen Verpflichtungen sind für Systeme mit „minimalen“ Risiken vorgesehen.



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Schwierige Rechtsfragen werden sich in allen Lebensbereichen stellen, etwa im Arbeitsrecht. Was die Arbeit des Gesetzgebers in diesem Bereich auch künftig noch weitergehend erheblich erschwert, ist der Umstand, dass Antworten idealerweise rasch und über Landes- und EU-Grenzen hinweg gefunden werden sollten. Die zeitliche und die geografische Komponente bringen eigene Herausforderungen für den Gesetzgeber mit sich. Mit jedem neuen Entwurf des geplanten AI-Act der EU (dem Regelungswerk, mit dem die Gefahren von KI-Systemen für die EU adressiert werden sollen) müssen die dann jeweils neuesten Erkenntnisse über die fortschreitende technologische Entwicklung und deren vermeintliche Risiken eingearbeitet werden. So mussten beispielsweise in diesem Frühjahr eilig neue Formulierungen erdacht werden, um die vermeintlichen Risiken von generativer KI und anderen Allzweck-KI-Systemen (Foundation Models) in den Griff zu bekommen. Bereits jetzt kann prognostiziert werden, dass wenn der AI-Act in Kraft tritt, eine Reihe neuer KI-Aspekte keine hinreichende Berücksichtigung gefunden haben werden. Was die Probleme angeht, die sich aus der begrenzten geografischen Reichweite von deutschen oder EU- Gesetzen ergeben, mag hier als (willkürlich gewähltes) Beispiel dienen, dass das weitgehende Verbot von biometrisch-unterstützter Überwachung öffentlicher Plätze erstrebenswert für die betroffenen Personen sein mag. Hiermit geht aber unweigerlich die Konsequenz einher, dass Länder, in denen dies großzügiger gehandhabt wird, über eine erheblich größeres Datenaufkommen verfügen. Das kann wiederum zur Entwicklung besserer Systeme genutzt und für weitere Innovationen eingesetzt werden.

Völlig anders sehen die KI-bezogenen Fragen aus, mit denen sich Richter und Gerichte in Zukunft auseinandersetzen müssen. Aller Voraussicht nach werden diese und weitere Änderungen im Bereich der Rechtsprechung noch etwas auf sich warten lassen. Wesentlich schneller wird die KI-getriebene Transformation im Bereich der Rechtsberatung voranschreiten – in Kanzleien und Rechtsabteilungen der Unternehmen. Begonnen hat dieser Wandel schon seit längerem – durch die Errungenschaften von LegalTech, mit der eine Reihe von rechtlichen Beratungsleistungen erleichtert, verbessert und beschleunigt werden. Trotz all dieser und vieler weiterer Errungenschaften besteht kein Zweifel, dass gerade auch in diesem Bereich generative künstliche Intelligenz, insbesondere in Form von large language models, die Spielregeln grundlegend ändert. Mit der Anwendung generativer künstlicher Intelligenz nimmt die digitale Transformation in allen rechtsberatenden Berufen und in all ihren eine völlig andere Beschleunigung auf, und ihre Qualität erreicht ein völlig anderes Niveau.

Aktuelle Informationen finden sich auch auf www.ki-forum.info, die unser Autor Werner Dandl derzeit aufbaut.

Die Entwicklung steht ganz am Anfang und dürfte bahnbrechend Ausmaße annehmen.