Sofageneration
Sportjugend-Chef Weiß über Bewegungsmangel bei Kindern: „Hatten schon fittere Generationen“

07.05.2024 | Stand 07.05.2024, 14:48 Uhr

Die sportliche Zwangspause während der Corona-Pandemie hat nicht gerade zur Fitness der Kinder und Jugendlichen beigetragen. Foto: Peter Steffen/dpa

Obwohl so viele Kinder und Jugendliche Sportvereinen angehören wie noch nie, leidet der Nachwuchs an Bewegungsmangel. Wie das zusammenpasst, wie es um unsere Sportstätten steht und wie der Jugendsport gefördert werden muss, erklärt der bayerische Sportjugendchef Michael Weiß im Interview.



Der Mann aus Furth im Wald vertritt als Vorsitzender der Bayerischen Sportjugend (BSJ) – die Jugendorganisation des Bayerischen Landes- Sportverbandes (BLSV) – rund zwei Millionen unter 27-jährige Mitglieder in bayerischen Sportvereinen.

Herr Weiß, Ihre erste Amtszeit hatte im September 2021 begonnen. Kein leichter Startzeitpunkt. Vor welchen Herausforderungen standen Sie?
Weiß: Zu Beginn hatten wir die ganzen Corona-Beschränkungen noch. Da haben wir als Vorstand intensive Gespräche mit der Politik geführt. Das Ziel war, dass es in das Jahr 2022 hinein zu Lockerungen im Kinder- und Jugendsport kommt.

Das hat funktioniert. Trotzdem war Schul- und Vereinssport lange tabu. Hat sich die Sportlichkeit der jüngeren Generationen, die Sie vertreten, verändert?
Weiß: Definitiv. Gerade bei den Kindern hat man gewisse Bewegungsdefizite festgestellt. Auch vor Corona gab es ja schon deutliche Hinweise, dass sich ein gewisser Teil der Kinder und Jugendlichen eben nicht mehr ausreichend bewegt. Dass diese beispielsweise das tägliche Bewegungsziel der Welt Gesundheitsorganisation (WHO) nicht mehr erfüllen. Das hat sich durch die Pandemie natürlich verschärft. Wir hatten sicherlich schon fittere Generationen.

Und trotzdem sind Vereins- und damit auch BSJ-Mitgliedschaften bei den unter 27-Jährigen auf einem Rekordstand.
Weiß: Über zwei Millionen Mitglieder. So viele gab es noch nie. Das heißt: Die Kinder kommen in die Sportvereine. Gerade auch im Grundschulalter. Da haben viele Vereine einen richtigen Zulauf. Aber wir haben eben auch Kinder und Jugendliche, die sich in ihrer Freizeit viel zu wenig bewegen. Die man auch nicht für den Sportverein begeistern kann. Das wird eine der großen Herausforderung für die Zukunft.

Was tun Sie, um eine Sofageneration zu verhindern?
Weiß: Wir haben nach Corona etliche Restart-Programme aufgelegt, aber auch massiv für die finanzielle Unterstützung der Sportvereine sowie Sportverbände geworben und tun das auch weiterhin. Im BLSV konnten wir über 100 Millionen Euro zusätzliche Mittel für den bayerischen Sport generieren. Das ist fast ein zusätzlicher Sport-Haushalt in der Legislaturperiode des Freistaats Bayern.

Wie kamen Sie an das Geld?
Weiß: Durch sehr viele politische Gespräche und einen vertrauensvollen Umgang mit den politischen Akteuren. Wir haben in Bayern das Glück, dass die Bayerische Staatsregierung und der Landtag den organisierten Sport stark unterstützen.

Was haben Sie damit gemacht?
Weiß: Das zusätzliche Geld ist in den Krisenzeiten, unter anderem mit der dreimaligen Verdopplung der Vereinspauschale, vor allem den Sportvereinen zugute gekommen. Darüber hinaus wurde beispielsweise im Kinderbereich ein Vereinsgutscheinprogramm und ein Schwimmgutscheinprogramm gestartet worden. Für die Vereinsgutscheine haben wir circa 950.000 Euro verwendet. In die Schwimmgutscheine sind auch nochmal circa 350.000 Euro geflossen. Außerdem wurden Sportvereine bei Ferienprogrammen für Kinder unterstützt.

Für viele Sportarten braucht man geeignete Sportstätten. Diese werden vielerorts weniger und vor allem immer älter. Hallenzeiten werden rarer. Ist das Problem Thema bei Ihnen?
Weiß: Das ist ein Riesenthema für uns als BSJ und für den BLSV. Der BLSV fördert den vereinseigenen Sportstättenbau. Für die kommunalen Sportstätten sind die jeweiligen Kommunen und der Freistaat zuständig. Für den vereinseigenen Sportstättenbau gibt der Freistaat Bayern die Mittel an den BLSV, wo sie dann eben im Sportstättenprogramm an entsprechende Vereine weitergegeben werden. Dabei muss man sehen: Man hat seit 2018 einen sehr großen Anstieg bei den Fördermaßnahmen. Noch nie wurde so viel in den Sportstättenbau investiert.

Bis die Sportstätten fertig sind, dauert es noch Jahre. Wurde denn genug investiert?
Weiß: Es wird viel investiert und auch viel gebaut. Dennoch reicht es an vielen Stellen nicht. Der Kampf um Hallenzeiten wird immer größer. Da spielen mehrere Faktoren mit rein: Die Schulen sind aufgrund des Ausbaus der Ganztagsbetreuung länger in den Turnhallen. Steigende Mitgliederzahlen führen außerdem zu mehr Bedarf an Sportstätten. Übrigens braucht es vor allem auch dringend mehr Übungsleiter. Also nicht nur mehr Beton, sondern auch mehr Personal.

Zur Person: Michael Weiß

Vita: Der 33-Jährige Michael Weiß kommt aus Furth im Wald im Landkreis Cham. Er zieht demnächst nach Cham. Beim ASV Cham hatte er Fußball gespielt. Mittlerweile ist Weiß in seinem Beruf als Lehrer Klassenleiter einer neunten Mittelschulklasse. Dieses Jahr unterrichtet er selbst keinen Sport, „weil das vom Stundenplan her nicht anders ging“.

Amt: Weiß hat ehrenamtlich als wiedergewählter Vorstand der bayerischen Sportjugend ohnehin schon genug mit Kinder- und Jugendsport zu tun.