Corona und Impfen
Demos in Neumarkt spalten die Meinungen

Am Samstag gehen Menschen in der Stadt wieder auf die Straße. Vertreter von Parteien sind zwischen Kritik und Appell.

16.12.2021 | Stand 15.09.2023, 22:35 Uhr
Kurzer Blick retour: Rund 2000 Menschen haben am vorigen Samstag in Neumarkt gegen die Corona-Maßnahmen demonstriert. −Foto: Lothar Röhrl

An den vorigen beiden Samstagen haben in NeumarktCorona-Demos gegen die Impfpflichtstattgefunden. Diesen Samstag ist dazueine weitere Demonstration geplant, ebenso aber auch eine Gegen-Demo mit dem Titel „Solidarität mit den Pflegekräften – Neumarkt lässt sich impfen!“. Dazu haben die Redaktionmehrere Stellungnahmenerreicht.

Marco Winkler (Linke), Veranstalter der Gegen-Demo, teilt mit: „Unser Hauptaugenmerk ist dabei klar die Solidarität mit den Pflegekräften. Nach zwei Jahren Pandemie sollen diese wieder die Vorreiter-Rolle einnehmen und sich allein gegen das Virus stemmen.“ Das dürfe aber nicht mehr sein. Es sei „unser aller Pflicht“, hier aktiv zu werden. „Nur wir gemeinsam als Gesellschaft können die Auswüchse der Pandemie reduzieren oder sogar beenden.“

SPD: Freie Meinungsäußerung, aber rote Linien

„Wir alle müssen gemeinsam helfen die Schwächsten zu schützen aber auch endlich Pflegekräfte, Rettungsdienst und Ärzte zu unterstützen, da diese nun schon viel zu oft von der Politik vergessen wurden.“ Beste Methoden dafür seien nun mal Abstand halten, Maske tragen, sich impfen lassen, wer kann. Dafür werben wir am Samstag.“ Ein Teil von Freiheit und der Demokratie sei auch, Verantwortung für „unser Verhalten“ zu übernehmen. Angst zu haben, sei keine Schande, das sei natürlich und helfe manchmal auch. Problematisch sei es aber, sich nicht mit der Angst auseinanderzusetzen, sich seriöse Quellen zu suchen, sich zu informieren. „Unsere Mitteilung ist damit klar: Schützt euch, Schützt andere! Helft anderen, auch indirekt, z. B. durch die Impfung oder risikoarmes Verhalten.“

Vorsitzender Matthias Sander bezieht im Namen der Vorstandsmitglieder des SPD-Ortsvereins Stellung: Freie Meinungsäußerung sei wichtig – rote Linien gebe es trotzdem. „Mit starken Bauchschmerzen“ sehe die Neumarkter SPD der nächsten Demo der Impfgegner am kommenden Samstag entgegen. Das Grundgesetz sei gewissermaßen Bestandteil der DNA der SPD, freie Meinungsäußerung ein hohes Gut, das es zu schützen gilt. „Wenn nun aber Bürger, die für ihre Freiheit demonstrieren wollen, Seit’ an Seit’ mit Nazis lautstark durch die Straßen ziehen und dabei Parallelen zwischen der aktuellen Politik zum Thema Impflicht und dem Holocaust ziehen, ist das für uns in keiner Weise akzeptabel.“

Zeichen von Solidarität

„Alle, die bei dieser Demo mitlaufen, ohne sich entschieden gegen diesen Missbrauch der Meinungsfreiheit zu stellen, machen sich schuldig an der Verharmlosung von Dritten Reich und Holocaust und bewirken damit genau das Gegenteil, was sie eigentlich erreichen wollen: nämlich die Untergrabung unserer auf Freiheit und Solidarität aufgebauten modernen Gesellschaft.“ Und: „Wir gehen noch weiter: In der jetzigen Lage ist es ein Zeichen von Solidarität, sich impfen zu lassen und nicht gegen die kommende Impfpflicht zu demonstrieren.“ SPD-Stadt- und Kreisräte fordern wie folgt „solidarisches Handeln“ und appellieren an Impf-Unentschlossene:

Jetzt seien im Landkreis Neumarkt – wie überall – die ehernen Grundsätze und durch die wechselhaften Zeiten bleibenden Anliegen der Sozialdemokratie gefragt. Nicht nur, aber aktuell insbesondere in der Covid-19-Krise sei individueller Schutz und solidarisches Handeln gegenüber den Mitmenschen dringend erforderlich. Ein seltsames Beharren auf egoistischem Individualismus mitsamt einem andere gefährdenden Lebensstil müsse eben derzeit und auch in absehbarer Zeit gegenüber dem wichtigeren Wert des Schutzes von durch Covid-19 gefährdeten Mitmenschen in Stadt und Landkreis Neumarkt zurückstehen. Daher wollten sich die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in Stadt und Landkreis Neumarkt auch nicht sonderlich mit den jüngsten Demonstrationen in Neumarkt befassen.

Man müsse das trotz so manchem Ärger aushalten und es sei eben Kennzeichen eines demokratischen Gemeinwesens, dass man für und gegen alles Mögliche öffentlich demonstrieren darf – und sei es absurder Unsinn. Die SPD-Stadt- und Kreisräte bitten die rationalen Argumenten zugänglichen Impf-Zweiflern, sich selbst und die Mitmenschen durch Impfungen zu schützen und somit einen wichtigen Beitrag zur Überwindung der „Covid-Bedrohungen“ zu leisten.

Bedenken zerstreut

Stefan Haas und Eva Borke-Thoma, Kreisvorsitzende, Bündnis 90/Die Grünen, Kreisverband Neumarkt, nehmen ebenso Stellung: „Bezug nehmend auf die vergangenen Demonstrationen unter dem Motto ,für Freiheit und gegen Impfpflicht‘ erklären die Grünen im Landkreis Neumarkt: Wie Stefan Haas, Kreisvorsitzender der Grünen, in einer Pressemitteilung formuliert hat, zeigt „eine Demonstration wie diese (...) eindrücklich wie robust und standhaft unsere Demokratie ist und dass wir eben nicht in einer wie auch immer gearteten Diktatur leben.“

Aber, „unser Verständnis“ für Versammlungs- und Meinungsfreiheit ende dort, wo Seite an Seite mit Menschen demonstriert werde, die offen den Holocaust mit aktuellen Coronamaßnahmen vergleichen. Und mit Blick auf Samstag: „Wir als Grüne hatten zu anfangs Bedenken, inwieweit es unter den momentanen Infektionszahlen angemessen ist, zu einer größeren Menschenansammlung aufzurufen. Zugleich ist es aber wichtig, dass wir hier Flagge zeigen. Daher haben wir uns dazu entschieden, die für kommenden Samstag geplante Demonstration ,Solidarität mit den Pflegekräften‘ zu unterstützen.“