Jubiläum
Seit 100 Jahren am Wurzhof

Die Rummelsberger Diakonie hat das 1279 erbaute Anwesen im Jahre 1919 übernommen. Nun gibt es ein großes Jubiläumsfest.

29.09.2019 | Stand 16.09.2023, 5:35 Uhr
Gerd Schlittenbauer

Als die Rummelsberger Diakonie den Wurzhof vor 100 Jahren übernahm, wurde dort noch Landwirtschaft betrieben. Foto: Archiv Rummelsberger Diakonie

„Es ist ein tolles Miteinander. Die Bewohner sind offen und herzlich. Bei diesen liebenswerten Leuten geht einem selbst auch das Herz auf.“ Voll des Lobes ist Wurzhof-Leiter Stefan Schurkus. Er betreut seit einem Jahr die Einrichtung für Menschen mit Behinderung in Buch, die am 1. Oktober kein geringeres als das 100-jährige Bestehen feiert.

Ein buntes Programm wird es an diesem Tag im Wurzhof geben. Stefan Schurkus blickt zurück: „Es gab viele gute, aber auch dunkle Zeiten in diesen 100 Jahren am Wurzhof. Es hat Leben stattgefunden mit allem, was dazugehört. Es war nicht immer schön, aber hier haben Menschen zusammen gelebt und gearbeitet. Der Wurzhof ist mit der Idee der Diakonie verknüpft.“

66 Bewohner finden Heimat

1919 hat die Rummelsberger Diakonie den Hof in Buch übernommen. Damals wurde dort noch Landwirtschaft betrieben. Der Wurzhof ist aber viel älter. 1279 wurde er erstmals in einem offiziellen Dokument erwähnt.

Nach dem Kauf im Oktober 1919 wurden dort zuerst arme Kinder und Waisenkinder betreut. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente das Gehöft als Außenstation des Wichernhauses Altdorf. Bettlägerige Patienten des damaligen Krankenhauses, die nach einer Operation keine spezielle klinische Behandlung benötigten, wurden dort gepflegt. Seit 1964 ist der Wurzhof eine Einrichtung für Menschen mit Behinderung.

Derzeit gibt es 66 Mitarbeitende am Wurzhof. Dem steht die Zahl von 65 Bewohnern gegenüber – ein Platz ist im Moment frei. Die Bewohner werden rund um die Uhr betreut. Zuständig ist die gemeinnützige Gesellschaft „Rummelsberger Dienste für Menschen mit Behinderung“ (RDB), bei der auch Stefan Schurkus angestellt ist – eine Tochter der evangelischen Rummelsberger Diakonie. Der Einrichtungsleiter ist von Beruf Diakon der Evangelischen Landeskirche und hat eine sozialberufliche, theologische und pädagogische Ausbildung hinter sich.

„Pädagogik und Menschenbild haben sich geändert“, sagt er. Früher, selbst noch in den achtziger Jahren, sei die Selbstbestimmung bei Menschen mit Behinderung recht klein gewesen. „Heute steht hier der Mensch mit Behinderung im Mittelpunkt“, sagt Stefan Schurkus. „Wir sind Unterstützer und Begleiter, damit die Bewohner am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.“ Die Mitarbeitenden am Wurzhof handelten getreu dem Bibel-Motto „Was willst Du, dass ich Dir tue?“ (Mk, 10,51). Alle Arbeit stehe am Wurzhof unter dem Motto „Heimat ganz menschlich“. Stefan Schurkus betont, dass der Wurzhof keine Werkstatt sei: „Unser Ziel ist, den Fähigkeiten der Bewohner entsprechende Tätigkeiten anzubieten.“

Fördergruppen beteiligen sich ohne Leistungszwang an der Produktion, zum Beispiel für den Hofladen. Kaffee, Öle, Essige, Salze und Zucker werden dort angeboten, alles aus eigener Herstellung oder Röstung. Mit einer fest angestellten Kräuterpädagogin werden zusammen Kräuter gesammelt, die man später in den Hofladen-Produkten verarbeitet. Zwei Feste gibt es im Jahr getreu dem Inklusionsgedanken: Den „Frühlings- und den Winterzauber.“

Ausstellung zur Geschichte

„Im Unterschied zu einer Werkstatt haben wir Förderangebote ohne Zwang“, sagt Stefan Schurkus. „Ein Großteil der Bewohner besucht unsere Talentschmiede.“ Ein kleiner Teil – etwa 15 Personen – geht tagsüber zum Arbeiten in umliegende Werkstätten. Ältere Bewohner, die schon in Rente sind, ebenfalls etwa 15 an der Zahl, besuchen die Seniorentagesstätte „Senta-Club“. 60 Jahre beträgt der Altersdurchschnitt bei den Wurzhof-Bewohnern. Der Jüngste ist 22, der Älteste ist 87 Jahre alt.

Der öffentliche Festakt zum 100-Jährigen startet am Dienstag, 1. Oktober, um 14.30 Uhr mit einem Gottesdienst im Festzelt vor der Scheune. Die Festpredigt hält Dr. Günter Breitenbach, Vorstandsvorsitzender der Rummelsberger Diakonie. Am Buffet haben die Gäste Zeit zur Begegnung. Es gibt Geburtstagstorte oder alkoholfreie Cocktails. In der Scheune erfahren die Gäste in einer Ausstellung Details über die Geschichte des Wurzhofs. Ab 17.30 Uhr sorgt eine Band für Musik. Einrichtungsleiter Schurkus: „Eingeladen sind alle, die sich dem Wurzhof verbunden fühlen.“